
Während Birgit Sendermann mit ihrem Second-Hand-Geschäft eher sorgenvoll in die Zukunft blickt, laufen die Hausgeräte-Geschäfte bei Thomas Huesmann wie geschmiert. © Jörg Heckenkamp
Händler in Herbern vorm Weihnachtsgeschäft: Zwischen Angst und Euphorie
Einkaufen in Herbern
Energie- und Lebensmittel-Preise steigen, ebenso die Inflation. Menschen haben weniger Geld in der Tasche. Was bedeutet das für die Einzelhändler in Herbern mit Blick aufs Weihnachtsgeschäft?
Seit Monaten steigen die Preise. Für Lebensmittel, für Gas- und Strom, für Energie. Die Inflation liegt bei 10 Prozent und frisst Gespartes. Die Menschen haben weniger Geld zur Verfügung. Wie geben sie es aus? Was erwarten Einzelhändler in Herbern fürs Weihnachtsgeschäft? Wir haben in vier verschiedenen Branchen nachgefragt. Die Reaktionen pendeln zwischen Angst und Euphorie.
Fangen wir bei dem Positiven an. Fast euphorisch ist Thomas Huesmann vom gleichnamigen Hausgeräte-Geschäft an der Merschstraße. „Ich bin sehr optimistisch, was das Weihnachtsgeschäft angeht“, sagt der 52-Jährige. Wenn er auf die aktuellen Verkaufszahlen blicke, „dann sind das rund zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Und das war wegen des Corona-Effektes schon gut.“ Denn da viele Familien weniger Reisen antraten, steckten sie das Geld in die Aufrüstung ihrer Häuser und Wohnungen.
Die Energiekrise lässt das Geschäft von Thomas Huesmann erstrahlen. „Die Leute kaufen energiesparende Geräte. Wir verkaufen jede Menge Wärmepumpen-Trockner und Induktions-Kochfelder.“ Hierbei gebe es tatsächlich großes Einspar-Potenzial. „Um einen Liter Wasser in einem guten Topf zum Kochen zu bringen, benötigt ein Ceran-Feld rund acht Minuten; ein Induktionsfeld nur 3“, rechnet der Experte vor.

Auch Induktions-Kochfelder verkauft Thomas Huesmann gut, "weil sie viel Energie sparen". © Jörg Heckenkamp
Seine einzige Sorge. Wenn es tatsächlich zu staatlichen Zuschüssen für energiesparende Haushalts-Geräte kommen sollte, „dann werden wir noch größere Lieferschwierigkeiten als bisher bekommen.“ Bisweilen sei aber auch der Rat gefragt, wie man daheim Energie einsparen könne. „Ja“, sagt Huesmann, „das kommt schon mal ab und an vor, das Leute uns fragen.“
Sorgenfalten sind dagegen im Nachbargeschäft bei Birgit Sendermann zu sehen. Sie betreibt seit vielen Jahren die Herberner Fundgrube. Aber müsste ein Second-Hand-Geschäfte nicht gerade dann gut laufen, wenn die Leute weniger Geld haben und vielleicht dann was Gebrauchtes kaufen? Die 57-Jährige winkt ab: „Das Gegenteil ist der Fall.“

Birgit Sendermann mit einigen gebrauchten Fahrrädern vor ihrer Herberner Fundgrube. Sie blickt besorgt in die Zukunft. © Jörg Heckenkamp
Birgit Sendermann erklärt. „Bei mir kaufen hauptsächlich die, die nicht so viel besitzen. Die haben jetzt noch weniger und können sich selbst den Einkauf in einem Gebraucht-Geschäft kaum noch leisten.“ Sie vermutet, dass deren Barschaft tatsächlich für die verteuerten Lebensmittel- und Energie-Preise draufgeht. „Und die Reichen, die haben bisher nicht bei mir gekauft und werden es wohl künftig auch nicht tun.“
„Bei Kinder-Fahrrädern wir eine Stufe übersprungen“
Das Weihnachtsgeschäft habe bei ihr nie eine große Rolle gespielt. Kinder wollten gerne Neues unter dem Weihnachtsbaum haben „und das, was sie in der Werbung sehen.“ Sie merkt zudem, dass ihre Kunden auf andere Weise sparen. Kauften sie früher zum Beispiel für die Kinder immer passende gebrauchte Fahrräder - nach 16 Zoll zunächst 18 und dann 20 Zoll - „dann wird jetzt eine Stufe übersprungen“.
In ihre Angst vor der geschäftlichen Zukunft mischt sie dann doch ein kleiner Hoffnungsschimmer. „Vielleicht kaufen die Menschen aus der sogenannten ‚Mittelschicht‘ demnächst mehr Second-Hand“, rechnet sie sich aus.
Zwischen Angst und Euphorie angesiedelt sind Schreibwaren Angelkort und Blumen Hönekop. Benedikt Angelkort sagt auf die Frage nach seinen Erwartungen fürs Weihnachtsgeschäft: „Keiner weiß, was die Zukunft noch so bringt, das gilt natürlich auch für den Einzelhandel.“ Seine Strategie: Er ist vorsichtiger beim Einkauf neuer Ware.

Benedikt Angelkort ist verhalten optimistisch, was das Weihnachtsgeschäft angeht. © Jörg Heckenkamp
Er glaubt auch, dass die Menschen durch die Teuerung ein anderes Kaufverhalten an den Tag legen werden. „Nur Schönes werden die Menschen wohl weniger kaufen. Sondern eher Schönes, das auch einen Nutzen hat.“ Als Beispiele nennt Angelkort Bücher und Gesellschaftsspiele.
Bücher seien ein wertiges Produkt, gut als Geschenk geeignet und hätten zudem den Nutzen, „dass man sie lesen kann“. Ähnliches attestiert der Herberner den Gesellschaftsspielen, die er auch in seinem Geschäft an der Südstraße verkauft. Angelkort malt eine kleine Winter-Szenerie aus: „Um Energie zu sparen, heizt die Familien vielleicht nur einen Raum, in dem sich alle versammeln. Das wäre doch gut geeignet, gemeinsam zu spielen.“

Verena Wesselmann von Blumen Hönekop (auf einem Archiv-Foto) „will den Kopf nicht in den Sand stecken“. © Claudia Hurek
Schließlich Verena Wesselmann von Blumen-Hönekop in Herbern. Sie verkauft Blumen und Deko, also Dinge, die nicht lebensnotwendig sind. Doch die Inhaberin „will den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern optimistisch nach vorne blicken“. Wenn sich die Menschen mehr in ihrem Zuhause aufhalten, „dann wollen sie sich dort mit schönen Dingen umgeben, die ihnen guttun. Zum Beispiel Bücher, Kuchen oder eben auch Blumen“.
Sie wolle sich durch die vielen negativen Nachrichten nicht irritieren lassen: „Wir müssen schauen, was die Zeit bringt. Ich hoffe, dass alles gut wird.“
Jeden Tag Menschen hautnah - nichts ist spannender als der Job eines Lokalredakteurs. Deshalb möchte ich nichts anderes machen - seit mehr als 35 Jahren.
