Zwei Frauen mit Handys sitzen an einem Tisch.

Bei der Kommunikation zwischen Olga und Elfi Emming (r.) ist das Handy als Übersetzer unersetzlich. © Claudia Hurek

Ascheberg: Ehepaar bringt statt zwei sogar fünf Ukrainer im eigenen Haus unter

rnHilfe für Flüchtlinge

Statt zwei oder drei Flüchtlinge aus der Ukraine stehen plötzlich fünf vor der Tür des Ehepaars Emming. Das ist zwar manchmal stressig, doch die Vermieterin sagt: „Wir bekommen so viel zurück.“

Herbern

, 30.07.2022, 09:15 Uhr / Lesedauer: 2 min

„Ich habe mein Leben immer geplant; nun weiß ich nicht, was in Zukunft passieren wird. Ich lebe momentan wie ein Roboter und danke Gott aber dafür, dass ich noch lebe“, sagt Olga mit Tränen in den Augen.

Die 64-Jährige wohnt seit April mit Tochter Nataliia (34), Enkelsohn Maxim (8) sowie zwei weiteren einzelreisenden Ukrainerinnen, Raisa (51) und Angelika (49), bei Elfi (57) und Erhard Emming (60) in Ascheberg. „Wir hatten überlegt, ob wir die leerstehende Wohnung in unserem Haus zur Verfügung stellen“, so die Angestellte des Caritasverbandes Coesfeld. „Nachdem meine Schwiegereltern verstorben sind, diente die Wohnung in der ersten Etage lediglich als Gästewohnung für lieben Besuch.“

Das Ehepaar Emming ist berufstätig und fürchtete, nicht genügend Zeit für ihre Mieter zu haben. „Das hat sich aber alles sehr schnell gefunden. Wir haben die Wohnung bei der Gemeinde gemeldet und bereits kurze Zeit später zogen die fünf geflüchteten Ukrainer ein. Die Wohnung war ja zum Glück noch möbliert, wir mussten allerdings zusätzliche Betten organisieren und etwas umräumen, da wir eigentlich mit nur zwei bis drei Personen gerechnet haben“, sagt Elfi Emmig.

Eine Gruppe von Menschen in einem Garten.

Elfi Emming (M.) versucht, ihren ukrainischen Mieterinnen die Zeit in Ascheberg so schön wie möglich zu machen, damit die Kriegswirren und deren Folgen etwas in den Hintergrund rücken. © Erhard Emming

Olga lebte mit ihrer Familie in dem Ort Charkiw, einer Großstadt mit 1,5 Millionen Einwohnern; mit 42 Universitäten und Hochschulen ein bedeutendes Bildungszentrum. Über den Tag zu berichten, an dem sie mit wenigen persönlichen Dingen ihre Heimat verlassen mussten, fällt Olga sichtlich schwer.

„Unsere Wohnung geriet unter Beschuss und wurde fast zerstört. Ich wollte grad die Wohnung verlassen, als eine Rakete einschlug. Ich ging hinaus und wurde ohnmächtig. Wir hatten einfach Pech, dass wir in der Gegend leben. Meine Tochter Nataliia hat in den ersten Kriegstagen am meisten gelitten.“

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Über Polen, das zum Fluchtzeitpunkt keine Flüchtlinge mehr aufgenommen hat, kam die Familie erst nach Berlin, dann nach Bochum und Dortmund, bevor sie in Ascheberg ein vorläufiges Zuhause gefunden hat. Enkelsohn Maxim ist stark traumatisiert und nicht mehr das Kind, das eine unbeschwerte Kindheit bis zum Beginn des Krieges erleben durfte.

In den Sommerferien nimmt er nun an dem Ferienprogramm des SV Davaria teil. „Das hilft ihm sehr“, berichtet Oma Olga. „Er ist schon viel ruhiger geworden.“ Maxims Papa arbeitet als Energieingenieur in der Lebensmittelbranche weiterhin in der Ukraine. Telefonischen Kontakt gibt es leider nicht sehr oft, da häufig die Verbindung zusammenbricht.

Kommunikation funktioniert mit Handy-Übersetzer

Kommunikation untereinander in Ascheberg funktioniert perfekt über den Übersetzer des Handys. „Anders geht das nicht. Ein Deutschkurs wurde bislang nur einmal hier in Ascheberg angeboten. Das war leider nicht genug“, sagt Elfi Emming. „Wir bemühen uns, unsere Mieter zu unterstützen, wo es nur geht. Wir helfen bei Behördengängen und organisieren uns zum größten Teil ohne weitere Unterstützung. Außerhalb der Ferien geht mein Mann mit Maxim einmal wöchentlich zum Fußball und zum Schwimmen. Nach den Sommerferien kommt er nun in die dritte Klasse der Grundschule; das ist ein wichtiger Schritt für den kleinen Mann.“

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Die fünf Geflüchteten haben sich trotz aller Widrigkeiten inzwischen gut in Ascheberg eingelebt. Sie gehen einkaufen und treffen sich mit Landsleuten zum Austausch und Mut machen. Seit der Einführung des 9-Euro-Tickets haben sie sogar einiges unternommen und Bremerhaven, Wilhelmshaven, Düsseldorf oder Köln besichtigt.

„Selbstverständlich wollen wir wieder zurück in unsere Heimat und hoffen, dass dies irgendwann möglich sein wird. Wir sind so dankbar für all die Hilfe und Unterstützung, die wir hier erfahren“, so Olga. Elfi und Erhard Emming zweifeln keine Sekunde mehr, das Richtige getan zu haben. „Es ist zwar oftmals stressig, aber man bekommt so viel zurück. Unter anderem lernen wir die ukrainische Küche kennen, gucken so also wortwörtlich über den Tellerrand hinaus.“