
© Winfried Leusbrock
Winfried Leusbrock: „Jetzt haben wir dem Tod ein Gesicht gegeben!“
KZ-Außenlager
Die Gräueltaten der Nazis liegen Jahrzehnte zurück. Ein Heeker Unternehmen hilft dabei, das Ausmaß der Verbrechen aufzuklären. Jüngst war dabei sogar ein massiver Polizeieinsatz notwendig.
Rückblick. Im Mai 2018 waren Leusbrock und einige seiner Mitarbeiter ehrenamtlich für den Volksbund im malerisch gelegenen Berga im Tal der Weißen Elster in Thüringen im Einsatz. Ihr Ziel: Das exakte Ausmaß des dunklen Nazikapitels vor Ort nach über 40 Jahren der Ungewissheit zu bestimmen. Dabei kam auf dem zuvor gerodeten Berghang die so genannte Geo-Radar-Technik zum Einsatz.
Hunderte Leichen entdeckt
Dabei werden elektromagnetische Impulse im Radarfrequenzbereich in den Boden gesendet. An Objekten werden diese Impulse reflektiert. Die Stärke und Art der Reflexion lassen dann gute Rückschlüsse auf den Untergrund zu. Mit dieser Technik konnte das Team von Winfried Leusbrock hunderte Leichen in gut drei Metern Tiefe und in mehreren Massengräbern finden.
Die zumeist jüdischen Häftlinge arbeiteten sich in der Nazi-Maschinerie zu Tode. „Es war einfach unfassbar erschütternd“, blickt Winfried Leusbrock zurück. 1944 wurde in Berga das Außenlager „Schwalbe V“ des KZ Buchenwald eingerichtet. Die etwa 3400 Gefangenen sollten Tunnel im Zickraer Berg zur Errichtung einer Fabrik zur Treibstoffgewinnung ausbauen. 315 Häftlingen aus 12 Nationen starben innerhalb von sechs Monaten.
Massiver Polizeieinsatz war notwendig
Kernziel der Nazis war es in Berga, eine bombensichere Treibstoff-Herstellung für die V2-Raketen zu ermöglichen. Jene Großrakete, die den Krieg noch zu Gunsten der Nationalsozialisten entscheiden sollte. Dass die Arbeitsbedingungen und Unterkünfte unmenschlich waren, wurde dabei billigend in Kauf genommen.
Als ebenso erschütternd empfindet es Winfried Leusbrock, dass jetzt, zwei Jahre nach der Entdeckung, ein massiver Polizeieinsatz nötig war, um die offizielle Einweihung der auf Basis der Arbeit der Geo-Radar GmbH errichteten Gedenkstätte mit 75 Granitsteinen (Kosten: 500.000 Euro) am verregneten 15. Oktober überhaupt realisieren zu können.
Zeitzeugen sprechen bei der Einweihung
„Es war eine Schutzmaßnahme vor rechten Kreisen. Unfassbar, dass so etwas notwendig ist“, so Leusbrock. Immerhin wurde so ein reibungsloser Ablauf gewährleistet. Die Einweihung als solche sei aus wissenschaftlicher Sicht natürlich ein angemessener Abschluss der Arbeiten, aber zugleich auch einfach unfassbar bedrückend. „Es war sehr bewegend und belastend. Auch ich war den Tränen nahe.“

Nur dieser eine Gedenkstein erinnerte jahrelang an die Gräueltaten der Nazis. Das genaue Ausmaß der Massengräber vor Ort war bis 2018 unklar. © Winfried Leusbrock
Neben Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow waren auch ein Diplomat aus Israel, zwei jüdische Zeitzeugen und viele Angehörige der verscharrten Opfer zur Einweihung gekommen. Dass es letztlich „nur“ 50 Teilnehmer waren, ist in der Coronakrise begründet.
Klarheit nach 40 Jahren
Die Teilnehmer wurden dabei in Shuttelbussen von einem zentralen Parkplatz zur polizeilich abgeriegelten Gedenkstätte gefahren. „Auf einem anderem Wege gab es kein Hineinkommen“, so Leusbrock. Rund drei Stunde habe alles gedauert. Stunden, die trotz Dauerregens unter die Haut gingen. „Wenn man an einem solchen Ort Zeitzeugen über die Gräueltaten sprechen hört, ist das erschütternd.“
Und trotz der enormen Belastung – vor allem bei den Arbeiten im Mai 2018 –blickt Winfried Leusbrock mit ein wenig Stolz auf das nun Erschaffene. „An dieser Gedenkstätte haben wir dem Tod jetzt ein Gesicht gegeben. 40 Jahre lang war das exakte Ausmaß nicht klar. Wir konnten es nun aufklären und den Hinterbliebenen so Gewissheit verschaffen.“
Liebt als gebürtiger Münsterländer die Menschen und Geschichten vor Ort. Gerne auch mit einem Blick hinter die Kulissen. Arbeitsmotto: Für eine spannende Story ist kein Weg zu weit.
