
© Johannes Schmittmann
Kein Beherbergungsverbot, aber weniger Gäste: „Leute werden ängstlicher“
Heeker Pension
Seit 2006 betreibt das Ehepaar Temming in Heek ein Bed and Breakfast. Ein Jahr wie dieses haben sie aber noch nicht erlebt. Auf die Stornierungsflut folgte ein ordentlicher Sommer. Und jetzt?
Der Frühling sei wirtschaftlich „eine schlimme Zeit“ gewesen, sagt Anja Temming (59). Innerhalb von 24 Stunden war Mitte März das Reservierungsbuch ihres Bed and Breakfast „Am Schwatten Berg“ leer. Alle Gäste, die zuvor gebucht hatten, zogen die Stornierungsoption. In den Monaten März und April brach der Umsatz komplett ein. Erst im Juli entspannte sich die Lage etwas. Seitdem läuft das Geschäft wieder ordentlich, wenn auch nicht herausragend.
Doch die Sorgenfalten werden bei Anja Temming und ihrem Mann Wim Temming – gemeinsam betreiben sie die Heeker Pension seit 14 Jahren – wieder etwas größer. Grund dafür sind die jüngsten Gesetze und Regelungen. „Die Leute werden wieder ängstlicher. Es ist teilweise sehr verwirrend und schwierig, weil für jede Region etwas anderes gilt. Täglich rufen Gäste an und fragen, ob sie überhaupt kommen dürfen“, berichtet die 59-jährige Niederländerin.
Anfragen aus Italien und Thüringen
Erst am Dienstag habe sich ein Italiener bei ihr erkundigt, ob er seine 14-tägige Reise nach Heek antreten darf. „Da musste ich mich erst einmal selbst schlau machen“, sagt Anja Temming. Ähnlich sei es ihr ergangen, als am Wochenende eine Frau aus Thüringen eine Anfrage an sie stellte. Meistens macht sie sich im Internet schlau, im Zweifelsfall holt sie sich auch noch Informationen beim Kreis Borken ein. Sicher ist sicher.
Bei der Familie Temming ist man jedenfalls froh, dass das äußerst umstrittene Beherbergungsverbot in NRW nicht in Kraft getreten ist. Denn hier ist man nach einem schwierigen Jahr auch jetzt noch auf jeden Gast angewiesen. „Wir sind ein kleiner Betrieb, haben aktuell nur vier Zimmer in Nutzung, weil die anderen über kein eigenes Badezimmer verfügen“, sagt die 59-Jährige.
Fixkosten mussten gedeckt werden
Doch klagen möchte sie eigentlich nicht. Denn sie weiß, dass es viele andere Hotels und Pensionen deutlich härter getroffen hat. „Mein Mann und ich können alles allein erledigen. Wir mussten uns keine Sorgen machen, dass wir das Personal nicht bezahlen konnten.“ Bei den Temmings ging es „nur“ darum, irgendwie die Fixkosten zu decken.
Dazu beigetragen haben, und das ist die positive Nachricht dieses Jahres, die vielen Fahrradfahrer. Im Vergleich zum Vorjahr sei der Anteil der Radtouristen um geschätzte 80 Prozent gestiegen. Aus ganz Deutschland seien die Menschen ins Münsterland gekommen.
Abendessen häufig mitgebucht
Eine Besonderheit: Aus dem Bed and Breakfast (engl. Bett und Frühstück) wurde häufig ein „Bed, Breakfast and Dinner“. „Viele unserer Gäste haben das Abendessen gleich mit gebucht. Sie wollten abends nicht mehr ins Dorf“, sagt Anja Temming. Das habe zum einen mit Maskenpflicht und Registrierungslisten zu tun, zum anderen aber auch mit der Sorge vor Infektionen. „Bei uns ist es ja sehr beschaulich. Hier kann man gut Abstand halten.“
Einen weiteren Trend, den sie beobachtet: Last-Minute-Buchungen nehmen extrem zu. „Häufig gibt es morgens für die Nacht noch keine Buchung und abends haben wir die Zimmer voll. Die Leute sind spontaner geworden und wollen sich wegen der unklaren Lage nicht weit im Voraus festlegen“, erklärt Anja Temming. Das mache die Planung nicht immer einfach. Ein Übel, das aber verkraftbar sei.
Auch wenn das Beherbergungsverbot an Nordrhein-Westfalen wohl vorbeigehen wird, erwartet die Niederländerin, dass das Geschäft in den nächsten Monaten deutlich ruhiger werden wird. Die Coronazahlen steigen, die Fahrradsaison ist fast vorbei. Langeweile befürchten sie und ihr Mann aber nicht: „Wir haben schon mehrere Projekte für den Winter geplant. Unter anderem wollen wir etwas renovieren.“
1991 in Ahaus geboren, in Münster studiert, seit April 2016 bei Lensing Media. Mag es, Menschen in den Fokus zu rücken, die sonst im Verborgenen agieren.
