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Ende einer Ära: Der Spielmannszug Heek muss die Notbremse ziehen
Musik in Heek
Es war ein sukzessiver Prozess und eine Frage der Zeit. Jetzt ist der Spielmannszug Heek an einem Punkt angekommen, an dem nur noch die Notbremse gezogen werden kann. Das Ende einer Ära.
Das Gerücht kursiert schon eine Weile in Heek. Bis jetzt haben sich die Verantwortlichen des Spielmannszugs Heek dazu offiziell bedeckt gehalten. Nun aber gehen sie geschlossen in die Offensive und läuten damit das Ende einer jahrzehntelangen Ära ein.
„Das Gerücht stimmt leider“, sagt die Vorsitzende des Spielmannszugs, Jacqueline Rieger, mit bedrückter Stimme. Es ist Dienstagabend. Im kleinen Saal der Gaststätte Kaiser in der Brinkstraße sind wir zu einem offenen Gespräch mit dem Vorstand der Musiker verabredet.
Einen Auftritt wird es noch geben
Die Stimmung? Bedrückt. Denn in wenigen Wochen werden die Musiker zum letzten Mal gemeinsam auftreten. Der geplante Nikolausumzug durch Heek wird für sie ein Abschiedslauf. Danach werden die Musikinstrumente für immer weggepackt. Der Verein wird aufgelöst. Ganz offiziell.
Die entsprechenden Papiere sind bereits auf dem Weg zum Notar. Ende 2022 wird der Spielmannszug aus dem Vereinsregister verschwunden sein. Aus der Öffentlichkeit aber bereits nach dem Nikolausumzug. Proben und Auftritte wird es dann keine mehr geben.
„Wenn wir nach dem Umzug die Instrumente beiseitelegen, dann wird das ein großer Knackpunkt sein, den wir erst mal verarbeiten müssen“, gibt die Vorsitzende Einblick in die Gefühlswelt der Musiker.
Dass es einmal so weit kommen würde, damit hatte in den 70er-Jahren noch keiner gerechnet. Zu jener Zeit waren bei Auftritten des 1952 gegründeten Spielmannszugs auch gerne mal 60 Musiker mit von der Partie. Doch nach und nach verschlechterte sich die personelle Situation.
Personaldecke wurde immer dünner
„Das ist nicht von heute auf morgen passiert. Das alles war ein langer Prozess“, fasst Geschäftsführer Tobias Samberg den sukzessiven Niedergang des Spielmannszugs zusammen. „Wir haben alles versucht, dies zu verhindern. Leider ohne Erfolg.“
Schon 2019 schrillten die Alarmglocken richtig laut. Der Spielmannszug zählte mal gerade noch 18 Mitglieder. Nachwuchs? Fehlanzeige. Proben und Auftritte wurden schnell zum Drahtseilakt, wenn personelle Ausfälle auftraten. Schon zu diesem Zeitpunkt war die Spielfähigkeit akut gefährdet.

Die Vorsitzende Jacqueline Rieger ist mit 25 Jahren die jüngste Vorsitzende in der Geschichte des Spielmannszugs Heek. © Till Goerke
Und dann kam Corona. Mit Ausbruch der Pandemie sei das Ganze rapide bergab gegangen, erklärt der Vorstand. Es seien viele Faktoren zusammengekommen. So habe etwa der Probenraum im DRK-Heim lange nicht zur Verfügung gestanden. Proben waren zudem ohnehin lange untersagt. Auftritte ebenso.
Das öffentliche Leben kam durch das Virus monatelang zum Erliegen. Und damit auch das Vereinsleben des Spielmannzugs. „Wir konnten ohne Proben und persönlichen Kontakt auch keine effektive Werbung betreiben, um neue Mitglieder zu gewinnen“, blickt Schriftführerin Heike Bröcker zurück.
Grundsatzfrage mit klarer Antwort
Der zarte Hoffnungsschimmer mit einigen Proben nach den ersten Lockerungen in 2020 verflüchtigte sich schneller, als er aufkam. „Es wurde leider immer weniger“, blickt Jacqueline Rieger zurück.
Im darauffolgenden Lockdown stellten die Verantwortlichen dann intern die Grundsatzfrage: Wie geht es weiter? Und so fiel der Entschluss, den Verein auflösen zu müssen. „Wir haben vom Verstand, nicht vom Herz her entschieden“, macht die Vorsitzende deutlich.

Schon 2019 war die personelle Situation angespannt, wie auch dieses Bild einer Probe im DRK-Heim belegt. © Till Goerke
Zumal im Laufe der vergangenen knapp zwei Jahren vier weitere Mitglieder aus ganz unterschiedlichen Gründen den Verein verlassen hätten. Neuzugänge gab es keine. Nur noch 14 Musiker halten jetzt bis zum letzten Auftritt am 6. Dezember 2021 die Fahne des Spielmannszugs in die Höhe.
Zu wenig, um den Verein auf lange Sicht am Leben zu erhalten. „Ein schwieriger, emotionaler Schritt, aber bevor wir uns kaputtmachen, einfach der logische Schritt“, erklärt die Vorsitzende.
Alle Mitglieder tragen Entscheidung mit
Natürlich habe das nicht der Vorstand hinter verschlossenen Türen allein entschieden. Auf einer internen Versammlung mit allen Mitgliedern sei der Vorschlag auf Auflösung vorgetragen worden und habe Zustimmung erhalten.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Gemeinsam unternahmen die Mitglieder des Spielmannzugs Ausflüge, so wie hier nach Hamburg zum Musical "König der Löwen". © Privat
Alle Vereine, mit denen man in den vergangenen Jahren zusammengearbeitet habe, seien über diesen Schritt ebenfalls informiert worden. „Das gebietet einfach die Fairness“, so Heike Bröcker.
Fernab der schwindenden Mitgliederzahlen hat laut Vorstand aber noch etwas anderes die Zukunftsfähigkeit des Spielmannszugs stetig gefährdet. „Uns fehlte leider immer ein wenig die Lobby in Heek“, stellt Geschäftsführer Tobias Samberg klar.
Keine richtige Lobby gehabt
Das zeige sich auch darin, dass der Verein nie (langfristig) einen eigenen Proberaum gehabt habe. Hilfe aus der Politik sei keine gekommen. Mal wurde im Eppingschen Hof geprobt, dann in der Kreuzschule, dann beim DRK und zu guter Letzt in der Gaststätte „Zum alten Kaiser“ in einem Hinterzimmer.
Nichtsdestotrotz bleibt ein kleines Hintertürchen geöffnet, wie Heike Bröcker auf explizite Nachfrage mit einem Nicken bestätigt. Sollte sich die Gesamtsituation wider Erwarten irgendwann noch mal zum Guten wenden, ist ein Comeback des Spielmannzugs Heek nicht gänzlich ausgeschlossen.
Liebt als gebürtiger Münsterländer die Menschen und Geschichten vor Ort. Gerne auch mit einem Blick hinter die Kulissen. Arbeitsmotto: Für eine spannende Story ist kein Weg zu weit.
