Herbert Wolbeck, Fleischermeister und Inhaber der Fleischerei Wolbeck, schlachtet in seinem Betrieb noch jede Woche selbst.

© Till Goerke

Mit Video: Fleischerei Wolbeck schlachtet aus Idealismus selbst - wir waren dabei

rnRE-LIVE Wirtschaft in Heek

1966 eröffnete die Fleischerei Wolbeck in der Dinkelgemeinde. Mittlerweile führt Herbert Wolbeck (54) das Geschäft. Das Besondere: Der Fleischermeister schlachtet noch selbst. Wir waren dabei.

Heek

, 26.12.2021, 07:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Ein leicht metallischer Geruch liegt in der Luft. Radiomusik hallt durch den Gang. Es ist 8 Uhr morgens. Vorbei an ausgenommenen an Haken aufgehängten Schweinen geht es in einen gefliesten, hell erleuchteten Raum. Messer, Sägen, Beil und Kettenhandschuhe liegen bereit. Ein Muhen ist zu hören. Dann ein dumpfer Knall.

Fleischermeister Herbert Wolbeck (54) und sein Mitarbeiter Tobias Hannekotte wuchten ein ausgewachsenes Rind aus dem angrenzenden Stall in den hellen Raum. Sekunden zuvor hat das Tier einen sofort tödlichen Bolzenschuss oberhalb der Augen bekommen.

Das Rind muss ausbluten

Jetzt noch ein gezielter Schnitt an der Kehle und das Rind blutet aus. Ein wenig zuckt es noch. „Das sind nur die Nerven. Das Tier hat nicht gelitten“, versichert der Fleischermeister.

Wir sind zu Besuch bei der Fleischerei Wolbeck aus Nienborg. Einer der wenigen Betriebe im Umkreis, der noch selbst schlachtet. Wöchentlich. Gewurstet wird täglich. „Qualität und Tierwohl stehen über allem“, stellt Herbert Wolbeck klar, während er das Rind häutet. Das Fell holt ein Händler ab.

Es sieht brutal aus, aber gehört zur Schlachtung eben dazu: Durch einen Schnitt an der kehle blutet das Rind aus.

Es sieht brutal aus, aber gehört zur Schlachtung eben dazu: Durch einen Schnitt an der Kehle blutet das Rind aus. © Till Goerke

Die Tiere bezieht die Fleischerei aus unmittelbarer Umgebung. Die Schweine kommen aus Wichum. Die Rinder etwa aus Ochtrup oder Metelen. „Kurze Anfahrtswege bedeuten weniger Stress für die Tiere. Bis kurz vorher standen sie noch auf der Weide.“

Das Handwerkszeug für das Häuten und grobe Zerteilen liegt auf einem Tisch im Schlachtraum bereit.

Das Handwerkszeug für das Häuten und grobe Zerteilen liegt auf einem Tisch im Schlachtraum bereit. © Till Goerke

Auf einen Schlag kommen die Tiere auch nicht. Zunächst waren die sechs Schweine an der Reihe. Der Arbeitstag von Herbert Wolbeck hat um 3.30 Uhr angefangen. Zwischen 8 und 11 Uhr werden fünf Rinder geschlachtet. Die Landwirte bringen die Tiere zeitversetzt vorbei.

Kein Tier muss lange Ausharren

Lange Ausharren muss kein Tier. Aus dem Anhänger geht es direkt in die Stallung, ehe wenig später der Bolzenschuss folgt. Was auch wegen des vielen Blutes brutal aussieht, gehöre schlicht dazu, wenn man Fleisch essen wolle, betont Herbert Wolbeck.

Die Handgriffe sitzen bei ihm und seinem Mitarbeiter. Sie sind ein eingespieltes Team, das sieht man. Es sei einfach am effizientesten, wenn man das Ganze zu zweit mache, sagen sie. Häuten, ausweiden und grob zerteilen – innerhalb von 30 Minuten ist alles erledigt. Fürs Erste.

Fleischermeister Herbert Wolbeck (l.) und sein Mitarbeiter Tobias Hunnekotte sind ein eingespieltes Team.

Fleischermeister Herbert Wolbeck (l.) und sein Mitarbeiter Tobias Hunnekotte sind ein eingespieltes Team. Innerhalb von 30 Minuten ist das Rind gehäutet und grob zerlegt. © Till Goerke

Das Zerlegen und Weiterverarbeiten kommt nach dem einwöchigen Abhängen – in einem separaten Raum. Hygienevorschrift. Ohnehin sind die Vorschriften und die damit verbundene Dokumentation enorm. „Das ist wohl auch ein Grund, warum ich bis jetzt keinen Nachfolger gefunden habe“, seufzt Herbert Wolbeck.

Zu Zweit dauert die Schlachtung und grobe Zerlegung eines Rindes etwa 30 Minuten.

Zu Zweit dauert die Schlachtung und grobe Zerlegung eines Rindes etwa 30 Minuten. © Till Goerke

Vor und nach der Schlachtung werden die Tiere vom Tierarzt untersucht. So auch die Eingeweide. Deswegen dürfen sie auch nicht einfach entsorgt werden. Veterinär-, Eich-, Finanz- und Ordnungsamt – sie alle haben ein Auge auf die Abläufe im Betrieb.

Alles muss genau dokumentiert werden

Wer hat wann, was und wo gemacht – jeder Schritt von der Geburt des Tieres über die Anlieferung, Schlachtung und Verarbeitung muss minutiös dokumentiert werden. „Das ist schon enormer Aufwand“, macht der Fleischermeister kein Hehl daraus, dass dies der nervigste Teil seiner Arbeit ist.

Und eigentlich lohne sich die Sache mit dem Schlachten finanziell auch nicht. „Es ist reiner Idealismus, was ich hier mache.“ Die Tiere extern schlachten und zerlegen zu lassen, sei kostengünstiger als das selbst zu machen. Zudem würde es Zeit und Papierarbeit sparen.

Im November 1966 eröffneten Herbert und Gisela Wolbeck die Metzgerei in der Schöppinger Straße im Ortsteil Nienborg. Heute führt Sohn und Fleischermeister Herbert Wolbeck den Familienbetrieb.

Im November 1966 eröffneten Herbert und Gisela Wolbeck die Metzgerei in der Schöppinger Straße im Ortsteil Nienborg. Heute führt Sohn und Fleischermeister Herbert Wolbeck den Familienbetrieb. © Till Goerke

Aber: „Ich möchte einfach alles selbst in der Hand haben, um dann mit gutem Gewissen hochwertige Produkte verkaufen zu können“, stellt Herbert Wolbeck klar, der 1989 nach bestandener Meisterprüfung in den 1966 gegründeten elterlichen Betrieb eingestiegen ist.

Hackfleisch, Wurst oder Steaks – fast alles in der Ladentheke stammt bei Wolbeck aus eigener Schlachtung. Nur ein kleiner Anteil, etwa Dauerwurst oder Schweinefilets, wird dazugekauft. „So viel Schweine können wir hier gar nicht schlachten, wie Filets gefragt sind.“

Keine Massenabfertigung

Massenabfertigung ist ohnehin nicht die Sache von Herbert Wolbeck. Er legt Wert auf ordentliche Facharbeit. Das wird an diesem Morgen sehr deutlich. Genau deshalb ärgern ihn auch die schwarzen Schafe aus der Branche, die das Tierwohl einfach ignorieren.

Immer wieder gibt es dazu Schlagzeilen. Zuletzt von einem Fleischbetrieb in Werne an der Lippe, indem Tiere geschlagen und gequält wurden, ehe sie auf der Schlachtbank landeten.

Herbert Wolbeck hat Spaß an seiner Arbeit. Im Hinterhof des Betriebes bietet er auch Grillseminare mit Fleisch aus eigener Schlachtung an.

Herbert Wolbeck hat Spaß an seiner Arbeit. Im Hinterhof des Betriebes bietet er auch Grillseminare mit Fleisch aus eigener Schlachtung an. © Till Goerke

Ein Szenario, das in Nienborg undenkbar ist. Eine gewissen Nervosität sei den Tieren zwar anzumerken, so Herbert Wolbeck, aber: „Sie leiden nicht und sie riechen nicht den Tod.“ Ablauf und räumliche Nähe machten dies möglich. Und so trägt eben fast jedes Produkt aus der Theke bei Wolbeck einen lokalen Stempel.

Und der persönliche Antrieb des Fleischermeisters? Die Antwort kommt prompt: „Ich mache die Arbeit aus Leidenschaft, aus Überzeugung und weil es mir einfach Spaß macht. Sonst würde ich das auch gar nicht durchhalten.“

Viele Standbeine sind nötig

Aber von der Schlachtung und dem Verkauf alleine leben? Nein. Mitnichten. Darum bietet die Fleischerei auch einen Grill- und Partyservice an. Ebenso private Schlachtungen. Auch Grillseminare gibt Herbert Wolbeck.

Noch steckt das in den Kinderschuhen, aber Vereine können schon jeden Samstag auf Anfrage die Kurse buchen. Natürlich gibt es auch dabei das Fleisch aus eigener Schlachtung.

Magret Wolbeck und eine Angestellte sind für den Verkauf der lokalen Fleischprodukte zuständig.

Magret Wolbeck und eine Angestellte sind für den Verkauf der lokalen Fleischprodukte zuständig. © Till Goerke

„Wenn man heutzutage mithalten will, muss man in mehreren Töpfen rühren“, sagt der Nienborger, während er seine weiße Schürze mit Wasser vom Rinderblut säubert. Danach wird der geflieste Raum abgespritzt. Das Blut verschwindet im Abfluss. Die Desinfizierung folgt wenig später.

Zukunft des Betriebes offen

Doch bei all dem Idealismus – wie sieht die Zukunft des Betriebes aus? Herbert Wolbeck zieht bei der Frage die Augenbraue hoch. Wir sitzen mittlerweile in der Küche. Nach über sechs Stunden ist eine kleine Pause angesagt. „Ich weiß es nicht“, lautet seine Antwort schließlich.

Wie überall im Handwerk fehlen auch Herbert Wolbeck die Azubis. „Die Arbeit will doch heute keiner mehr machen.“ So habe auch keines der drei eigenen Kinder Interesse, seine Nachfolge anzutreten.

Noch sind es für den Fleischermeister ein paar Jahre bis zur Rente, doch vorerst bleibt ein großes Fragezeichen, wie es perspektivisch mit dem Betrieb weitergehen wird. Einem Betrieb, der durch die eigene Schlachtung ein Alleinstellungsmerkmal in Heek und Umgebung hat.

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