
© Nora Varga
Boah, ich will nicht spazieren! Nora Varga (21) über das Zusammenziehen
Kolumne
Nicht alle Menschen gehen gerne spazieren. Und wohnen eine Spaziergängerin und ein Spazier-Feind zusammen, ist das alles andere als einfach. So geht es auch unserer Kolumnistin und ihrem Freund.
Als Redakteurin verbringe ich ziemlich viel Zeit drinnen. Auch wenn wir Termine haben, einen großen Teil des Tages wird gesessen. Und auch mein Freund verbringt fast seinen gesamten Arbeitstag am Schreibtisch. Jetzt könnte man meinen, dass wir uns beide auf ein bisschen Bewegung freuen würden. Falsch gedacht.
Als ich meinen Freund an einem Donnerstagabend um 20 Uhr frage, ob wir noch ein bisschen spazieren wollen, starrt er mich entgeistert an. „Du weißt aber schon, wie spät es ist oder?“ „Ja, es ist aber noch ein bisschen hell.“ Ich zeige beweisend aufs Fenster. Ich versuche ihm meinen Programmpunkt schmackhaft zu machen: „Wir können ja bis zum Schloss runter und dann ein bisschen durch den Wald.“ Das bewirkt leider nur das Gegenteil. Mein Freund sieht mich an, als hätte ich vorgeschlagen, zu Fuß nach Rom zu gehen: „So weit?! Ne, keinen Bock.“
Gut, hier müssen also andere Geschütze aufgefahren werden. Ich schlage einen Deal vor: „Wir gehen eine Runde spazieren und dann räume ich die Küche auf.“ Manchmal muss man die Leute zu ihrem Glück zwingen. Er denkt einen Moment nach: „Na gut, aber wehe, wir gehen unfassbar lange.“
Nach fünf Minuten schon keine Lust mehr
Grummelig zieht er sich Schuhe und Jacke an und flucht etwas von „vermaledeiten Spaziergängen“ und „nervigen Freundinnen“. Die Sonne draußen verschwindet zwar langsam, aber es ist noch warm. Ich finde es herrlich, – mein Freund nicht. Er trottet mies gelaunt neben mir her. Wir sind noch nicht am Wald angekommen, da hat er schon keine Lust mehr: „Können wir jetzt umdrehen? Wir waren draußen, jetzt reicht es aber auch.“
Dieses Mal bin ich es, die entgeistert schaut. Wir sind vielleicht fünf Minuten unterwegs. „Aber, aber wir sind doch noch gar nicht da.“ Er zieht eine Augenbraue hoch. Kurz sehe ich an seinem Blick, dass er in Erwägung zieht, einfach umzudrehen und alleine nach Hause zu gehen. Dann seufzt er so schwer, wie man nur Seufzen kann und wir gehen weiter.
Am Schloss und im dahinter liegenden Wald ist es wunderschön. Die Mitte des Wäldchens ist ein kleines Tal, um das sich verschiedene Wege schlängen. Wenn es irgendeinen Ort gäbe, an dem mich das Auftauchen von Feen oder Elfen nicht wundern würde, es ist dieser Wald. Auch mein Freund wird langsam warm mit dem Spaziergang.
Endlich wieder Zeit für gute Gespräche
Während wir unsere Runden drehen, quatschen wir über unseren Tag, Kollegen, Freunde und was wir gleich eigentlich kochen wollen. Das Schöne ist, – wir machen dabei nichts anderes. Keiner von uns beiden tippt währenddessen eine E-Mail, hängt Wäsche auf oder liest, räumt Geschirr ein. Eine Stunde später ist es zwischen den Bäumen so dunkel, dass wir den Weg nicht mehr sehen. Wir machen uns auf den Heimweg.
„War das jetzt so schlimm?“, frage ich ihn. „Geht, aber wir machen das jetzt nicht jeden Tag.“ „Versprochen.“ „Und ich darf auch mal entscheiden, wo wir langgehen.“ „Von mir aus.“ „Und, du räumst jetzt die Küche auf.“ Verdammt, das hatte ich erfolgreich verdrängt. Aber versprochen ist versprochen.
Seitdem gehen wir viel öfter spazieren. Aus meinem Freund ist noch lange kein Spazierfan geworden, aber wenn ich frage, kommt er meistens mit. Am Ende schätzen wir an den abendlichen Ausflügen aber das Gleiche: entspannte Zeit zu zweit.
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