Stadt informiert Anwohner vom Lippspieker über ZUE - „Haltern am See macht mir Angst!“

Stadt informiert Anwohner vom Lippspieker zur ZUE: „Das macht mir Angst!“
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Vertreter der Bezirksregierung Münster informierten gemeinsam mit der Stadt im Ratssaal über die geplante Landeseinrichtung für Geflüchtete auf dem Lippspieker. Ab Frühjahr 2024 sollen in dieser ZUE 400 Menschen bis zu acht Monate betreut werden - so lange, bis über ihren Asylantrag entschieden ist. Etwa 140 geladene Anwohnerinnen und Anwohner kamen zur Informations-Veranstaltung - und verließen sie nach zweieinhalb Stunden eher entnervt.

In einer insgesamt 45-minütigen Einführung legte zunächst Bürgermeister Andreas Stegemann die Beweggründe dar, warum Haltern der Bezirksregierung eine Fläche zur Errichtung einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) angeboten hat. Danach erläuterte Vize-Regierungspräsident Dr. Ansgar Schneider das Konzept einer solchen Einrichtung und machte den Handlungsdruck deutlich: „Es brennt der Baum!“

Die Bezirksregierung Münster hält in Landeseinrichtungen und Notunterkünften, wie die Seestadthalle zuletzt eine war, aktuell 4.500 Plätze aktiv und 650 Plätze Stand-by für Geflüchtete vor. Da – wie auch nun mit der Aufgabe der Seestadthalle – nach und nach Notunterkunfts-Plätze durch besser ausgestattete ZUE-Plätze ersetzt werden sollen und immer mehr Flüchtlinge aufgenommen werden müssen, fehlen laut Dr. Schneider perspektivisch im Regierungsbezirk Münster mindestens 2.400 Plätze.

Lärm und Belästigungen

Dass Haltern Flüchtlinge aufnimmt, stellte im Ratssaal niemand infrage. Die Einrichtung einer ZUE auf dem Lippspieker allerdings fand eine Anwohnerin als „Unverschämtheit“. Sie sagte das vor dem Hintergrund der Erlebnisse an der benachbarten Seestadthalle, wo monatelang zunächst Ukrainer, dann vorwiegend junge geflüchtete Männer eine vorübergehende Bleibe fanden.

„Ich hatte als Frau Angst, in der Dunkelheit allein dort unterwegs zu sein.“ Es habe Übergriffe gegeben, was auch Bürgermeister Stegemann bestätigte, und „es wird sie künftig wieder geben!“

Eine andere Anwohnerin berichtete von nächtelangem Lärm, Belästigungen durch Notdurft und Müll in den Vorgärten und Bedrängung von Frauen. „Den Slogan Haltern am See tut gut ersetze ich inzwischen durch Haltern am See macht mir Angst“, sagte eine junge Frau. Trotz der Beschwerden sei von Ordnungskräften oder Bezirksregierung nichts unternommen worden. „Ich habe kein Vertrauen mehr.“

Vertreter von Stadt und Bezirksregierung auf dem Podium im Rathaus
Sie informierten über die künftige Landeseinrichtung für Geflüchtete: Baudezernent Siegfried Schweigmann, Helmut Lampe (Leiter Ordnung/Soziales), Bürgermeister Andreas Stegemann, Vize-Regierungspräsident Dr. Ansgar Scheipers, Yvonne Pape (Bezirksregierung/Flüchtlings-Dezernat), Malte Sievert (Bezirksregierung/Projektleiter) und Khaled Ali (Leiter der Unterkunft Seestadthalle). Das Foto entstand vor der Bürgerinfo; Fotos, Videos und Tonaufnahmen waren während der Veranstaltung verboten. © Elisabeth Schrief

Es sei blauäugig, eine ZUE mitten in ein kulturelles Zentrum mit Schwimmbad und Sportanlage zu bauen, warf ein Anwohner ein. Leider werde man eine erhöhte Kriminalität nicht ausschließen können. „Uns wird einfach zu viel zugemutet“, findet eine Anwohnerin. „Helfen Sie diesen Menschen, aber helfen Sie uns auch“, appellierte eine junge Frau an Stadt und Bezirksregierung.

Bei den Wortmeldungen wurde deutlich: Die direkten Anlieger haben bei allem Verständnis für geflüchtete Menschen in erster Linie Angst um ihre Sicherheit.

Noch keine fertigen Konzepte

Die konnte ihnen am Informationsabend niemand nehmen. Projektleiter Malte Sievert erklärte zwar ausführlich die Vor-Ort-Versorgung der Geflüchteten durch Betreuungsdienste, Verpflegungsdienstleister und Sicherheitsdienste sowie die umfangreichen Unterstützungs-, Beratungs- und Betreuungsangebote, aber einen Sicherheitsplan für die Anwohner gibt es (noch) nicht.

„Heute handelt es sich um eine Erstinfo, wir haben noch keine fertigen Konzepte“, gestand Bürgermeister Stegemann. Yvonne Pape (Flüchtlings-Dezernat) versprach den Bürgern eine enge Zusammenarbeit zwischen Betreuungsverband, Sicherheitsdienst sowie den örtlichen Ordnungs- und Polizeibehörden.

Ratsfrau Ulrike Doebler (Grüne) erinnerte an den Ratsbeschluss, der die Gründung eines Beirates beinhaltet. Yvonne Pape versprach zumindest eine Ordnungspartnerschaft unter Einbeziehung der Anwohner, außerdem entsprechend dem Verlangen der Nachbarschaft sicherte Halterns Bürgermeister kontinuierliche Informationen auf der Internet-Seite der Stadt und die Herausgabe der Handynummer des künftigen Umfeldmanagers als Ansprechpartner zu.

Zutritt für Ehrenamtliche?

Gerne wolle die Bezirksregierung bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement einbinden. „Ich wundere mich über diese Einladung“, sagte eine Ehrenamtliche des Asylkreises. „Ich kenne das von der ZUE in Marl nur mit Anmeldung, Vorlage von Ausweis und polizeilichem Führungszeugnis. Es wäre toll, wenn das in Haltern anders laufen würde.“

Das Schlusswort nahm sich Christoph Veenhuizen von European Homecare, dem Betreiber der ZUE in Schöppingen. Das Projekt in Haltern sei ein gigantischer Kraftakt und komme gerade in schwieriger Stimmungslage. Aber: „Wir können das hier schaffen!“ Da hatte ein Drittel der Geladenen nach ausschweifenden Wortbeiträgen das Rathaus bereits entnervt verlassen.

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