Landesunterkunft für 400 Geflüchtete in Haltern „Wir können nicht länger warten!“

Landesunterkunft für 400 Geflüchtete: „Wir können nicht länger warten!“
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Die Stadt stößt bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen an ihre Grenzen. Hinter verschlossenen Türen berieten Stadtspitze und Fraktionen zunächst drei Wochen über eine Lösung, die in der Ratssitzung zur Abstimmung stand. Ergebnis: Die Stadt wird der Bezirksregierung und dem Land Nordrhein-Westfalen eine Fläche zum Betrieb einer Zentralen Unterbringungs-Einrichtung (ZUE) zur Verfügung stellen. 17 städtische Grundstücke schafften es auf die Vorschlagsliste. Infrage kommt letztlich wegen seiner guten Infrastruktur nur ein Standort: der Lippspieker in Haltern-Mitte.

Eigentlich sollte das Thema nicht-öffentlich beraten werden, aber dann hob Bürgermeister Andreas Stegemann das Thema einen Tag vor der Ratssitzung kurzfristig auf die öffentliche Tagesordnung.

Die SPD hatte daraufhin beantragt, das Thema ganz zu streichen und die Entscheidung zu vertagen. Als Grund gab Fraktionsvorsitzende Beate Pliete an, die Zeit der Einarbeitung in das Thema sei zu kurz gewesen, außerdem müsse die Stadtgesellschaft vorab an der Diskussion beteiligt werden. Die SPD-Fraktion schlug deshalb eine Sondersitzung des Rates nach den Herbstferien vor.

Entscheidung nicht einstimmig

Doch dieser Antrag wurde mit Mehrheit abgelehnt. Die Grünen enthielten sich. Auch sie waren für eine Sondersitzung, wollten aber den Tagesordnungspunkt nicht fallen lassen. Bürgermeister Stegemann appellierte dringend an den Rat: „Wir müssen angesichts weiterer Flüchtlings-Zuweisungen Verantwortung übernehmen, der Handlungsdruck spricht gegen eine Vertagung.“

So fiel am Abend im Rathaus eine mehrheitliche Entscheidung für den Lippspieker. Hier kann das Land eine Zentrale Unterbringungs-Einrichtung für Geflüchtete bauen. Die SPD stimmte dagegen, außerdem auch Frank Schürmann (CDU), weil er dort seinen Wahlkreis hat und für die Anwohner spreche. „Wir sind mit unserem Antrag gescheitert. Als gute Demokraten werden wir nun die Entwicklungen kritisch begleiten“, sagte Fraktionschefin Beate Pliete später in der Pressekonferenz.

Die Überlegungen der Stadtspitze seien der aktuellen Entwicklung geschuldet, führte Bürgermeister Stegemann aus. Die Aufnahmeverpflichtung erhöhe sich kontinuierlich, schon jetzt liegt das Aufnahmedefizit bei 358. Wöchentlich kommen bis zu 10 Personen im Wege der Zuweisung nach Haltern.

Abstimmung des Rates
Der Rat der Stadt Haltern stimmte mehrheitlich für den Bau einer Zentralen Unterbringungs-Einrichtung (ZUE) auf dem Lippspieker. © Elisabeth Schrief

Laut Stegemann steht die Stadt vor der Entscheidung: Baut sie selbst für rund sechs Millionen Euro mindestens vier neue Flüchtlingsunterkünfte, bringt sie die Geflüchteten damit dauerhaft in Haltern unter und kümmert sich auf eigene Kosten inklusive Kita- und Schulplätze um eine Integration in die Stadtgesellschaft oder bietet sie sich dem Land als Standort für eine ZUE an?

Verhandlungen beginnen

Zwischenzeitlich fanden Ortsbegehungen mit Vertretern der Bezirksregierung am Lippspieker statt. Diese hätten ergeben, so Bürgermeister Andreas Stegemann, dass dieser Standort für eine Landeseinrichtung in Betracht kommt. Die Verwaltung wird nun die Verhandlungen aufnehmen. Sie will das Grundstück schlüsselfertig übergeben.

Im Falle einer Landeseinrichtung würden die dort untergebrachten Flüchtlinge zu 100 Prozent auf die städtische Quote, also auf die Zahl an Flüchtlingen, die Haltern am See zugewiesen würden, angerechnet. Alle Kosten einer Landeseinrichtung trägt das Land. Die Einrichtung wird mindestens fünf Jahre betrieben, möglich ist eine Kapazität von 350 bis 400 Plätzen.

Seit Mai mehr Flüchtlinge

Seit Mai dieses Jahres erhält die Stadt Haltern am See wieder verstärkt Flüchtlinge über die Bezirksregierung Arnsberg zugewiesen. 107 Geflüchtete kamen seither in städtischen Unterkünften unter. Aktuell nimmt die Stadt wöchentlich acht bis zehn Personen auf. Nach der letzten Verteilstatistik der Bezirksregierung Arnsberg besteht für Haltern am See noch eine Aufnahmeverpflichtung von 212 anerkannten Flüchtlingen mit einer Wohnsitzauflage für die Seestadt.

Container am Hellweg

Die bisherige entlastende Anrechnung von 120 Personen auf die kommunale Aufnahmeverpflichtung fällt mit Schließung der Landesnotunterkunft „Seestadthalle“ zum 31. Oktober weg, so dass sich die Zahl der Aufzunehmenden auf 358 und mittelfristig auf 480 erhöhen wird.

Um bis zur Einrichtung der Landesunterkunft Kapazitäten zu haben, wird die Stadtverwaltung auf dem Grundstück am Hellweg neben dem Parkplatz Strandallee weitere Container als Unterkünfte für 120 Personen aufstellen.

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