
© Matthias Garsche
Video-Gottesdienste: Kirchen in Haltern profitieren von neuen Formaten
Kirche und Corona
Wenige Menschen konnten zuletzt in Gottesdienste gehen. Die Kirchen in Haltern haben es trotzdem geschafft, neue Zielgruppen zu gewinnen. Die Bilanz nach einem Jahr mit alternativen Formaten.
Am liebsten erzählt Klaus Tykwer eine Anekdote, um die Veränderungen in seiner Gemeinde zu beschreiben. „Seit 25 Jahren gehe ich in dieselbe Bank. Bisher bin ich dort noch nie auf den Sonntagsgottesdienst angesprochen worden. Seitdem wir aber digitalen Gottesdienst machen, ist das schon drei Mal passiert. So nach dem Motto: ‚Mensch, Klaus, ich hab dich Sonntag im Fernsehen gesehen‘“, berichtet der Presbyter der evangelischen Gemeinde Haltern.
Die Geschichte zeigt: Obwohl in der Corona-Zeit nur wenige Menschen zu Gottesdiensten oder auch anderen Veranstaltungen in die Kirchen gehen konnten, sind die Gemeinden trotzdem in der Öffentlichkeit präsent - und das vor allem durch digitale Formate.
Über 1000 Aufrufe zu Ostern
„Wir sind froh, dass wir die Möglichkeit haben, durch alternative Gottesdienste Menschen zu erreichen“, sagt Mathias Lübeck, Pastoraler Mitarbeiter der katholischen Kirchengemeinde St. Sixtus in Haltern. „Bei unseren Video-Gottesdiensten haben wir durchschnittlich 150 bis 200 Klicks bei Youtube pro Wochenende. Damit sind wir voll zufrieden.“ Die Osternacht und das Osterhochamt hatten sogar 976 bzw. 1457 Aufrufe.

Die Evangelische Gemeinde Haltern widmet sich mit ihrem Youtube-Format "Bürotalk" Themen, die die Gemeinde aktuell bewegt. © Evangelische Gemeinde Haltern
Auch die evangelische Gemeinde zeigt ihre Gottesdienste regelmäßig bei Youtube - aber nicht nur die. In der Corona-Zeit sind viele neue Formate entstanden. So gibt es wöchentlich einen „Bürotalk“, in der Tykwer verschiedene Menschen rund um die Gemeinde interviewt. Zuletzt war Superintendentin Saskia Karpenstein zu Gast, die für den Kirchenkreis Recklinghausen verantwortlich ist.
Fürbitten und Live-Kommentare zur Predigt
Worin sich beide Kirchenvertreter einig sind: Die Gemeinden haben durch die digitalen Formate neue Reichweiten erzielt. „Mit einem Instagram-Beitrag erreichen wir 200 bis 300 Menschen. Mit einem Segen und einem Gottesdienst erreichen wir - an Weihnachten beispielsweise - 100 Menschen. Wir haben gelernt, Kirche findet nicht nur in der Kirche statt. Wir müssen uns neuen Formaten öffnen“, bringt Tykwer treffend auf den Punkt.
An den digitalen Formaten wird besonders die Möglichkeit des direkten Feedbacks geschätzt. Bei Live-Gottesdiensten werden beispielsweise die Fürbitten in den Chat geschrieben, die dann vorgetragen werden. Und: „Es ist schön zu sehen, dass es einige direkte Kommentare zur Predigt gibt“, findet Mathias Lübeck.
Neue Zielgruppen und mehr Reichweite
Auch das ökumenische Projekt Schriftzeit stieß auf eine große Resonanz. 400 Menschen aus Haltern und darüber hinaus haben den täglichen Impuls abonniert, berichtet Lübeck. Jeden Tag wird hierbei ein Impuls, bestehend aus einem biblischen Text und einem kurzen Kommentar, per Mail an die Empfänger verschickt.
Die logische Schlussfolgerung: Mit den größeren Reichweiten werden auch neue Menschen angesprochen, die bisher nicht den Weg in die Kirche fanden. Lübeck von der Sixtus-Gemeinde spricht hierbei vor allem von Familien und älteren Menschen, für die der Gang in die Kirchen aus gesundheitlichen Gründen zu riskant war.
Singen fehlt am meisten
Tykwer fasst das treffend zusammen: „Wir erreichen Menschen, die wir bisher nicht erreicht haben. Zudem bekommen wir eine große Resonanz: Sei es per Mail oder auch auf dem Markt in der Stadt. Die Kirche ist in der öffentlichen Diskussion.“ Zudem erzählt er, dass einige neue Gruppen in der Gemeinde in der Corona-Zeit entstanden sind.
Trotzdem wünschen sich natürlich beide die Rückkehr zu den normalen Gottesdiensten. Der direkte Austausch der Gemeindeglieder und vor allem das gemeinsame Singen fehlen am meisten.
Aber auch wenn Gottesdienste wieder möglich sind, wird es die digitalen Formate weiterhin geben. Die Sixtus-Gemeinde hat sich extra nochmal mit technischem Equipment ausgestattet. Tykwer sagt: „Unser Nach-Corona-Ziel ist es, die aktuellen Zuschauerzahlen zu halten.“
Gebürtiger Brandenburger. Hat Evangelische Theologie studiert. Wollte aber schon von klein auf Journalist werden, weil er stets neugierig war und nervige Fragen stellte. Arbeitet gern an verbrauchernahen Themen, damit die Leute da draußen besser informiert sind.
