Das war der Uhlenhof in Holtwick Kneipenstube, Speisegaststätte und Party-Location

Uhlenhof in Holtwick: 1863 wurde hier der erste Schnaps ausgeschenkt
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Der Uhlenhof in Holtwick ist nicht die einzige Gastwirtschaft, die in Haltern ihre Türen schließt. Die Geschichte des Standorts aber geht so weit zurück und ist so außergewöhnlich wie kaum eine andere in der Stadt. Der erste Schnaps wurde hier schon ausgegeben, als die Straßen zwischen den Bauernschaften noch nicht befestigt waren, Fuhrleute mit ihren Pferden über Sandwege unterwegs waren, und zwischendurch versorgt wurden.

Schon ab 1863 wurde an der heutigen Holtwicker Straße 420 in der Hohen Mark hochprozentige Wegzehrung ausgeschenkt. Der Schäfer und Kötter Hermann Bergjürgen (1829-1910) erhielt die offizielle Schankerlaubnis erst 1876. Fein säuberlich ist diese in der alten Deutschen Kurrentschrift abgefasst.

Sein Ur-Enkel Willi Bergjürgen, der den Uhlenhof in vierter Generation führte, bewahrt das Dokument zusammen mit vielen anderen historischen Schriftstücken auf. Den Schnaps aus der Brennerei Tillmann in Haltern habe man damals noch in Kannen angeliefert, erklärt er.

An die Gründerzeit erinnert der Name „Uhlemanns“, den die Gastwirtschaft nach der Währungsreform erhielt und der bis heute verwendet wird. Weil rund um den Standort so viele Eulen zu Hause waren, nannte man ihren ersten Besitzer „Uhlenmanns“ (Eulen-Hermann). Das Leben der Gastwirte war geprägt durch harte Arbeit, die vom Jahreskreislauf bestimmt wurde. Bis 1970 wurde neben der Gastronomie die Landwirtschaft als Nebenerwerb weiterbetrieben.

Eine Konzessionsurkunde aus dem Jahr 1876.
Konzessionsurkunde aus dem Jahr 1876. © Jürgen Wolter

1910 baute Willi Bergjürgens Großvater Heinrich (1875-1951) ein Steinhaus mit Fremdenzimmern in der ersten Etage quer vor das alte Fachwerkhaus, das sehr klein war und noch extrem niedrige Decken hatte. Weiterhin gab es einen Stall für die Kühe, Schweine und das Pferd, eine Rüben- und Futterkammer. Erst 1929 wurde die Gastwirtschaft an das Stromnetz angeschlossen und erhielt bald darauf das erste Telefon in Holtwick.

Ansicht der alten Gaststätte am Standort Uhlenhof
Die alte Ansichtskarte von 1910 zeigt die Gaststätte von Heinrich Bergjürgen. Da das alte Fachwerkhaus der Familie zu klein wurde, setzte Heinrich Bergjürgen 1910 davor, längs zur Straße hin, einen Ziegelsteinbau. Auf Anraten eines Vertreters der Schlegel-Brauerei erhielt die Gaststätte 1933 den Namen „Zur Deutschen Eiche. © Archiv Backmann

Das Haus wurde so zur Nachrichtenzentrale. Die Kinder wurden ausgeschickt, um Botschaften an die Nachbarn in der Bauernschaft zu übermitteln. Im Dezember 1938 übernahm Heinrich Bergjürgen auch das Amt des Posthalters. In seinem Lokal wurde die Poststelle II eröffnet. 1965 wurden Stallgebäude mit Wohnhaus und Gastwirtschaft der Familie Bergjürgen durch ein Feuer vernichtet.

Feuerwehrleute stehen im Jahr 1965 auf dem zerstörten Uhlenhof in Haltern-Holtwick und versuchen, einen Brand zu löschen.
Brandbekämpfung bei Uhlemanns im Jahr 1965. © privat
Männer reißen im Jahr 1965 eine Hauswand des Uhlenhofs in Haltern-Holtwick nieder, die nach einem Brand einsturzgefährdet ist.
Das Wohnhaus, die Gaststätte und Stallungen am Standort Uhlenhof in Holtwick wurden 1965 bei einem Feuer komplett zerstört. © privat

Damals hatte sich „Uhlemanns“ bereits als Ausflugslokal einen Namen gemacht. Stallungen wurden auch im Neubau vorgesehen, der 1966 als „Uhlenhof“ eröffnet wurde. Allerdings reagierten Wilhelm und Johanna Bergjürgen, die Eltern von Willi, schon bald auf die veränderten Gästewünsche. Der Scheunentrakt mit den Schweinen wurde 1976 zum großen Speisesaal umgebaut.

Eigentlich war es Wilhelm Bergjürgen (1926-2017) als jüngstem Sohn nicht vorherbestimmt, die Gastwirtschaft zu übernehmen. Er kehrte allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg als erster seiner zur Wehrmacht eingezogenen Brüder an seinem 19. Geburtstag aus der Gefangenschaft in Tschechien nach Holtwick zurück und so war die Nachfolge entschieden. „Mama, Papa, ick sin wie doa“, soll der junge Wilhelm gesagt haben, als er am 10. Juni 1945 kurz vor der Sperrstunde zu Fuß nach Hause kam.

Foto der Familie Bergjürgen im Jahr 1900
Familie Bergjürgen im Jahr 1900 - die harte Arbeit hinterließ ihre Spuren, Lisette Bergjürgen (rechts) war zum Zeitpunkt der Aufnahme 57 Jahre alt. © privat

Als viertes von sieben Kindern wuchs Willi Bergjürgen, Jahrgang 1960, auf dem Uhlenhof nahe der Wacholderheide auf. Die Kindheit war geprägt durch freies Herumstromern mit Gleichaltrigen in der Holtwicker Landschaft, aber auch durch verordnete Pflichten und Arbeiten in der elterlichen Gastronomie. 1994 übernahm Willi Bergjürgen in der vierten Generation den Uhlenhof von seinem Vater Wilhelm.

Er hatte nach dem Abitur eine Ausbildung zum Restaurant-Fachmann absolviert und sich seine Sporen unter anderem im Berner Oberland, bei Disney World in den USA und auf dem Kreuzfahrtschiff MS Vistafjord verdient. Später besuchte er die Hotelfachschule und ließ sich zum Betriebswirt im Hotel- und Gaststättengewerbe ausbilden. Er sorgte mit seiner Verbundenheit zum „Hölwker Land“ dafür, dass der Uhlenhof als authentische Gastronomie wahrgenommen wurde, die Tradition und Moderne verbindet.

Das Ausflugslokal öffnete sich noch mehr für Abendveranstaltungen von der Hochzeit bis zur Rockparty. Für die Betreiber bedeutete das eine zusätzliche Belastung. Denn nach den Feiern bis tief in die Nacht musste noch aufgeräumt werden, damit am nächsten Tag der Betrieb für die Tagesgäste ungestört weiterlaufen konnte.

Willi Bergjürgen und Steffi Assmann, die den Uhlenhof in Haltern-Holtwick zuletzt führten, stehen vor einem alten Foto der Familie Bergjürgen.
Willi Bergjürgen und Steffi Assmann führten den Uhlenhof bis 2017. Zuletzt hatten sie die Gastronomie an Michael Haverkamp verpachtet. © Silvia Wiethoff

Zu einer weiteren Zäsur in der Geschichte des Uhlenhofes kam es 2015. Nachdem ihre Tochter Linda (15) im selben Jahr bei einem Flugzeugabsturz in Frankreich ums Leben gekommen war, verpachteten Willi Bergjürgen und seine Frau Steffi Assmann den Betrieb an den Küchenchef Michael Haverkamp. Dieser verabschiedete sich nun von dem Standort vor den Toren Halterns und eröffnete das Esszimmer by Haverkamp in der Halterner Innenstadt.

Eine neue Verpachtung des Uhlenhofes wurde aufgrund der angespannten Personalsituation in der Gastronomie, wobei dieses Problem aufgrund der Lage im Halterner Außenbereich noch verschärft wurde, nicht angestrebt. Mit einer letzten legendären Party wurde der Schlusspunkt unter die Gastronomiegeschichte an dieser Stelle gesetzt.

„Wir befinden uns in bester Gesellschaft“, sagt Willi Bergjürgen mit einem Tropfen Wehmut in der Stimme und mit Blick auf die jüngsten Schließungen des Jägerhofs in Flaesheim, von Haus Eggebrecht in Lavesum, des Lindenhofs in Sythen, des Weseler Tors in Haltern oder von Haus Teltrop in Lippramsdorf.

Der 63-Jährige ist mittlerweile beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) beschäftigt. Zunächst unterstützte er als Integrationshelfer Kinder mit Förderbedarf an Schulen. Aktuell arbeitet er gemeinsam mit zwei Kollegen in der Küche des LWL-Jugendhilfezentrums Haus Granat in Lavesum zusammen mit jungen Menschen mit sozialem Förderbedarf.

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