Mitten im Corona-Chaos: Freiheit bis zum Gartenzaun

Coronavirus

Sehnsucht nach Freiheit - Was macht man mit den Kindern den ganzen Tag, wenn Schulaufgaben und vorgegebene Ideen abgearbeitet sind, man aber nicht schwimmen oder ins Kino gehen kann?

Haltern

, 25.03.2020, 15:00 Uhr / Lesedauer: 2 min
Aus Langeweile - und wenn man tatsächlich noch Klopapier hat - kann viel entstehen...

Aus Langeweile - und wenn man tatsächlich noch Klopapier hat - kann viel entstehen... © Mareike Graepel

In der Nachbarschaft meiner Kindheit hatten wir früher einen Herrn, dem war alles und jeder zu laut. Vor allem Kinder. Jedes Ballspiel, jedes Lachen, jedes Versteckspiel, sogar jedes Zeichnen mit der Straßenmalkreide (dabei ist das Quietschen von Kreide auf Schultafeln doch viel schlimmer! Vermisst das eigentlich schon irgendwer? Wetten, dass nicht?).

Die Kunst war es, so zu spielen, dass man den größtmöglichen Spaß daran hatte, aber dabei den wenigsten Ärger kassierte. Nicht-Herrn-Dobermann*-auf-die-Palme bringen war einfach ein Faktor im Geheimagenten-Spiel, oder wenn wir mit He-Man-Figuren auf dem Mäuerchen zwischen unserer und der benachbarten Einfahrt zur Burg Grayskull reisten (doch, ich hatte auch Puppen, aber mein bester Freund Marcel hatte sogar einen Agentenkoffer! Das war viel aufregender!).

Freiheit, die unsere Kinder nicht haben

Unsere Freiheit war nur begrenzt durch Herrn Dobermann*, die Siedlungsgrenzen (Hauptstraße zur einen Seite, Felder und das Dattelner Meer zur anderen Seite) und die abendlichen Rufe unserer Eltern (oder Pfiffe, meine Mutter kann auf vier Fingern pfeifen, dass es mich gewundert hat, dass nicht auch noch alle Hunde aus der Nachbarschaft Gewehr bei Fuß standen, wenn ich nach Hause kommen musste), wenn es Abendessen gab.

Eine Freiheit, die meine, also unsere, unser aller, Kindern so gut wie nie haben. Prä-Corona-Zeiten haben Termine, Termine, Termine bedeutet – nicht immer parallel und deswegen auch oft für Eltern besonders stressig. Es gab Tage, an denen sich die Mädels kaum gesehen haben. Und jetzt?

Jetzt haben sie viel Zeit und dürfen doch nicht raus – haben nicht mal Gelegenheit, auszuprobieren, ab wann ein Nachbar angestrengt sein könnte (vermutlich nie, wir haben coole Nachbarn, aber trotzdem…).

In unserem kleinen Garten ist ihre Welt nun auf wenige Quadratmeter begrenzt. Kein Feld und keine Kanalböschung und keine Geheimwege zwischen Wohnhäusern sind ihre Eckpfeiler.

Altersunterschied wird zur Nebensache

Aber es passiert etwas faszinierendes: Die Mädchen spielen miteinander wie sonst nur mit den Freundinnen, oder als sie noch viel kleiner waren. Über die letzten Jahre hatte sich eine Gabelung der Spielgewohnheiten eingeschlichen, der Altersunterschied ist zu manchen Zeiten doch größer als gedacht.

Im Moment wachsen die beiden wieder mehr zusammen, und hecken gemeinsam Schlachtpläne, Streiche und Tricks aus wie ich früher mit Marcel.

Früher – eine Zeit übrigens, in der wir als Kinder nur ahnten, dass es den Kalten Krieg und echte Agenten und Spione gab, und nur manchmal spürten, welche grausamen Erinnerungen unsere Großeltern an ihre Jugend während des Zweiten Weltkrieges hatten. In der Schule lernten wir dann immer mehr. Auch Dankbarkeit dafür, dass wir es so gut haben.

Den Frieden nicht mit Füßen treten

„Es geht euch wohl zu gut“ – das ist mein Standardsatz, wenn die Mädchen zu viel für selbstverständlich halten oder über ihre Kompetenzen hinaus Dinge einfordern. Ich weiß, ich gelte in meinem Umfeld auch deswegen oft als übermäßig streng.

Aber ich will nicht, dass Alva und Orla zu einer Gesellschaft beitragen, die vergessen hat, wie viel schlimmer es sein könnte, wenn wir den Frieden mit Füßen treten, Populisten das Feld räumen und Respekt für ein Fremdwort halten.

Ja, der virenbedingte Hausarrest wird Spuren bei unseren Kindern hinterlassen. Bei den einen mehr, bei den anderen weniger traumatische. Bei vielen durch häusliche Gewalt und Missbrauch sogar dramatische. Das macht mir große Sorge.

Aber es ist eben auch wichtig, sich kurz zu besinnen: Die, die zu Hause sicher sind, die müssen auch kurz dafür dankbar sein. Und sich daran erinnern, dass wir es warm und trocken haben und bei vielen, vielen Menschen die größte Alltagssorge der Mangel an Klopapier zu sein scheint.

(*Name geändert)

HOMEOFFICE-TIPP FÜR ELTERN: Den Kindern (ab acht Jahren) ein Smartphone in die Hand geben, über einen Videoanruf mit der besten Freundin verbinden und die Kids so zusammen einen Film gucken und hinterher darüber reden lassen – mindestens 90 Minuten Zeit, um eine oder mehrere Jobaufgaben zu erledigen. Achtung: Sich aber nicht überreden lassen, im Anschluss noch drei weitere Freund*innen für andere Filme anzufunken. KREATIVES GEGEN DIE LANGEWEILE: Kloschüsseln zum Leben erwecken. Mit wenigen Requisiten (und vorausgesetzt, man hat noch mindestens zwei Klopapierrollen zur Hand) lassen sich die lustigsten Szenen stellen. Die Bikini-Schüssel und das Weintrinker-Klo fanden wir am lustigsten… Mehr Tipps und Anregungen gibt es in der Facebook-Gruppe „Basteln Ideen und Anleitungen“. Ganz wichtig: Das Klos sollte sauber sein, bevor das Dekorieren losgeht!
Schlagworte: