Mitten im Corona-Chaos: Der Lagerkoller kommt in Wellen
Coronavirus
Dieser Blog ist ein Zeugnis einer sich entwickelnden Situation. Unsere Familien-Kolumnistin Mareike Graepel aus Haltern gibt Tipps und Anregungen (nicht nur) für Eltern. Heute: Lagerkoller.

Briefe schreiben hilft gegen Langeweile und bei Sehnsucht (und kann zu Antwortbriefen führen, juchuu!) © Mareike Graepel
Fünf Wochen keine Schule, keine Kita. Ich bin seit über zehn Tagen isoliert, die Kinder auch. Gibt es einen Zusammenhang zu Müdigkeit und Hormonen? Oder sind da charakterliche Kräfte am Werk, die in bestimmten Konstellationen aufeinander krachen und manchmal harmonisch aneinander entlang schwingen?
Gestern bin ich ruhig geblieben – obwohl Orla den ganzen Becher Kakao im Spielzimmer verschüttet hat. Heute bin ich ausgeflippt, weil die Kinder die Haustür geknallt haben. Gestern war ich stolz auf meine Ausgeglichenheit. Heute habe ich mich über mich geärgert, dass ich laut und ungeduldig zugleich war.
Warum bin ich heute genervter als gestern?
Wie bescheuert ist das, dass ich an einem Tag genervter bin als an einem anderen? Hängt das mit aktuellen Nachrichten zusammen? Mit Zahlen? Mit Regelungen? Mit Herrn Söder? Oder mit irgendeinem Verschwörungstheoretiker, der durch die Sozialen Medien geistert und mir den letzten Nerv raubt?
Ich bin seit über zehn Tagen isoliert, die Kinder auch. Kommt Lagerkoller vielleicht in Wellen? Gibt es einen Zusammenhang zu Müdigkeit und Hormonen? Oder sind da charakterliche Kräfte am Werk, die in bestimmten Konstellationen aufeinander krachen und manchmal harmonisch aneinander entlang schwingen? Ich weiß es nicht.
Ist aber letzten Endes auch egal – wichtig ist, sich selbst kurz zu beobachten (egal, ob beim Schreien oder Schmusen). Finde ich mich grade gut? Finde ich meine Kinder gerade gut? Was kann ich besser machen, anders? Und wie kann ich Alva und Orla sagen, was sie besser machen könnten, ohne zu motzen?
Mütter unter Mehrfach-Druck
„Mein größtes Problem ist, dass die Mütter, die Home-Office machen, jetzt unter großem Mehrfach-Druck stehen“, hat eine Abteilungsleiterin eines großen Unternehmens mir erzählt. „Es spielt dabei kaum eine bis gar keine Rolle, ob der Vater auch zu Hause ist – die zirkusreife Jonglage mit Deadlines und Deutschaufgaben, Konferenzen und Konzentration, Mails und Mathe liegt fast ausschließlich bei den Müttern.“
Verrückt – genau JETZT wäre doch DIE Gelegenheit, endlich mal alles gleichmäßig zu verteilen. Nach einem fairen Stundenplan. Während er in die Tel-Ko muss, bespricht sie die Schulsachen mit den Kids, und wenn sie mit ihrem Bericht gefährlich nah an die Deadline rutscht, hängt er die Wäsche auf und macht das Essen.
Na, und? Dann gibt es eben an drei Tagen in der Woche Nudeln oder Pizza – was meinen denn die werten Herren, was die Mütter immer kochen? Jeden Tag Drei-Gänge-Hausmannskost in vier Variationen für alle Geschmacksrichtungen? Wohl kaum. Oder oute ich mich jetzt als einzige Mutter, die als „tierisch gesundes“ Essen Spinat mit TK-Fischstäbchen und Salzkartoffeln feiert?
Paps, die Kinder wird es freuen, wenn mal Fast-Food auf den Teller kommt (aber für alle gilt: Den täglichen Sport dabei nicht vergessen, und wenn es die Turnstunde vor dem Fernseher oder dem You-Tube-Channel ist, falls der Wald/die Radtour keine Option sein sollte).
Rezepte nach Wahl
Über die neue Kommunikationsplattform mit Oma (sie hat jetzt ein Smartphone und wir können wenigstens per Video kommunizieren, juchu!) kommt noch eine Rettungsidee: Sie hat den Mädels Kochbücher von der „Sendung mit der Maus“ und „Bibi und Tina“ geschickt, per reitendem Boten (der Papa dieser Familie) und bespricht jetzt lang und breit, welche Rezepte welches Kind gern mal essen möchte. Und, tadaaaa: Auch kochen!
Die Einkaufsliste ist schnell geschrieben und morgen dürfen die Kinder ran (ich werde das beaufsichtigen, aber wirklich nur eingreifen, wenn ein Herdbrand oder so droht). Vielleicht kann ich ja am Küchentisch arbeiten, während die Mädels kochen, und gar diesen Tagebucheintrag schreiben…