
© Nora Varga
Hat man nur mit Abitur Erfolg, Herr Hovenjürgen? Der CDU-Kandidat im Porträt
Landtagswahl 2022
Der Landtagsabgeordnete Josef Hovenjürgen von der CDU will wieder nach Düsseldorf. Im Porträt spricht er über TikTok, seinen Glauben und den Bildungsweg seiner Kinder.
Josef Hovenjürgen sitzt seit 20 Jahren für die CDU im Landtag. In diesen 20 Jahren ist eine Menge passiert. Vier US-Präsidenten wurden gewählt. Deutschland ist Weltmeister geworden. Es gibt rund 2 Milliarden Menschen mehr auf dem Planeten und es wurden zwölf Urenkel der Queen Elizabeth geboren. Kurzum: 20 Jahre sind eine lange Zeit. Es gibt erwachsene Halterner, die nie von jemand anderem als Josef Hovenjürgen in Düsseldorf vertreten wurden.
Auf die gern von Journalisten gestellte Frage, wie teuer aktuell ein Päckchen Butter ist, beginnt Josef Hovenjürgen ein wenig zu schwimmen: „Ich würde hoffen, dass es nicht wesentlich über einen Euro geht.“ Bei Aldi kostet ein Päckchen Deutsche Markenbutter zu diesem Zeitpunkt 2,09 Euro.
Der Abgeordnete reagiert überrascht: „Im letzten Jahr, glaube ich, habe ich zum letzten Mal Butter mitgebracht, als ich einkaufen war. Sonst hat meine Frau immer den ausreichenden Vorrat da.“ Damals sei sie noch billiger gewesen.
Er habe aber trotz seiner langen Zeit im Landtag nicht das Gespür für das Leben vor Ort verloren: „Mir ist schon bewusst, wie schwierig es oftmals für die Menschen ist, ihre Existenz zu sichern.“ Es sei wichtig, weiter in Haltern und Dorsten aktiv zu sein: „Ich bin nach wie vor im Ehrenamt engagiert. Ich bin Vorsitzender des Schützenvereins und die Leute wissen, sie können mich mit ihren großen und kleinen Problemen ansprechen.“
Der jüngeren Generation fehle es an verbindlichem Engagement
Aber auch der 59-jährige Hovenjürgen sieht ein, dass die CDU ein Problem mit den jüngeren Wählern hat: „Wir haben ein Durchschnittsalter von über 60 Jahren. Uns geht es da übrigens nicht anders als Gewerkschaften und kirchlichen Vereinen.“
Er führt das auf ein anderes Verständnis in der Generation zurück: „Ich stelle mit einer gewissen Ernüchterung fest, dass viele junge Menschen, egal in welchen Bereichen, aber ein direktes, verbindliches Engagement als nicht zwingend notwendig erachten, sondern so dieses Schweben in der Community als ausreichend ansehen.“ Er fürchtet, dass diese Entwicklung die Politik in Haltern eines Tages einholen wird.

Josef Hovenjürgen hat für das Interview den Erlebnisbiergarten "Jupp unner de böcken" in Haltern am See ausgesucht. Für ihn ist der Biergarten ein ideales Beispiel für modernen Tourismus in der Seestadt. © Nora Varga
Josef Hovenjürgen bemühe sich gegenzusteuern: „Ich habe mich auch im Zuge der jetzigen Listenaufstellung darum bemüht, jüngere Kandidaten noch mit nach vorne zu nehmen.“ Auch auf lokaler Ebene fördere er junge Talente. Hendrik Griesbach sei eines dieser jungen Gesichter. Auch der Bundestagsabgeordnete Michael Breilmann stehe für eine neue Generation der CDU.
Ein Blick auf seine Website verrät, dass Josef Hovenjürgen weder Instagram noch TikTok hat. Eigentlich sind es Plattformen, auf denen man jüngere Wähler erreichen könnte. „TikTok ist nicht meine Welt“, gibt er offen zu. Er habe sogar darüber nachgedacht, sich einen Account zuzulegen: „Ich weiß gar nicht, ob die Leute das ernst nehmen, wenn ich da auflaufe. Die nächste Generation wird das auf jeden Fall machen. Ich sehe mich da noch nicht überall.“ Über seine Kinder habe er viel Kontakt zu jungen Menschen in Haltern. Noch reiche ihm das.
Politik mit Menschenverstand und christlichen Überzeugungen
Auch wenn die CDU bei jüngeren Menschen Probleme hat und die Bundestagswahl und die Wahl im Saarland ernüchternd waren, glaubt er an die Notwendigkeit der Christdemokratie. „Politik mit Realismus und gesundem Menschenverstand zu machen, hat immer und muss immer noch eine Zukunft haben.“
In Hovenjürgens Wahlkampfspot, der ihn mit dramatischer Musik und markigen Sätzen vorstellt, geht es in 2 Minuten und 33 Sekunden kein einziges Mal um Gott und Religion. Dabei hat die CDU das Christliche ja schon im Namen.
Trotzdem sei es für den Landtagsabgeordneten ein wichtiger Grundsatz seiner Politik: „Ich glaube an Gott. Christlich ist für mich erst mal eine Grundeinstellung, den Menschen wertzuschätzen.“ Der faire Umgang mit allen Menschen ist für ihn der Ansatz der christlich bürgerlichen Politik.
Auf Augenhöhe mit Akademikern und Nicht-Akademikern
Neben seinen christlichen Wurzeln hat ihn auch sein persönlicher Werdegang geprägt. Mit 15 Jahren muss er 1978 den Hof seiner Eltern übernehmen. Er macht seinen Hauptschulabschluss und eine Ausbildung zum Landwirt, später wird er Gesundheitsaufseher. Die wenigsten Berufspolitiker haben einen Hauptschulabschluss. Im aktuellen Bundestag sind es beispielsweise nur 1,6 Prozent.

Josef Hovenjürgen ist gerne in seinem Wahlkreis. Hier ist er beim Schützenfest in Lavesum 2011 zu sehen. Er ist immer noch Vorsitzender des Schützenvereins Lavesum. © Foto: Elisabeth Schrief
Für den Halterner ist das kein Nachteil: „Ich glaube, dass ich keinen Nachholbedarf gegenüber anderen schulischen Karrieren habe.“ Er habe oft mit Akademiker und Nicht-Akademikern in den gleichen Vorständen und Vereinen gesessen: „Es gab nie irgendwo dieses Gefühl oben und unten, das war immer auf Augenhöhe.“ Die relevante Frage sei für ihn nicht, welchen Schulabschluss jemand hat: „Die Frage ist: Welche Lebenserfahrung habe ich gemacht? Verstehen die Leute meinen Ansatz von Politik? Kriege ich den übermittelt? Ich glaube, das gelingt mir einigermaßen gut.“
An Eltern hat er eine eindeutige Botschaft: „Die Abiturfrage ist nicht das Maß aller Dinge. Die Menschwerdung muss nicht mit dem Abitur beginnen.“ Er kenne viele Kinder, bei denen die Eltern das Gymnasium unbedingt durchdrücken wollten, auch wenn es nicht zu den Bedürfnissen des Kindes gepasst hätte.
Auch bei seinen Kindern habe er lieber auf das geschaut, was seine Kinder glücklich gemacht hat: „Meine Frau und ich haben vier Kinder. Keines hat das Gymnasium besucht. Drei waren auf der Realschule, eins auf der Hauptschule. Aber die haben alle ihren Weg gemacht.“ Er sei als Vater stolz und zufrieden, dass seine Kinder ihren Weg gegangen sind.
Die Wunschkoalition von Josef Hovenjürgen ist schwarz-gelb
Josef Hovenjürgen würde am liebsten die aktuelle Koalition aus CDU und FDP fortsetzten. Hendrik Wüst hält er für den „richtigen Ministerpräsidenten zur richtigen Zeit“.
Mit schwarz-grün hadert der Generalsekretär. In einem Porträt beschrieb er die Grünen vor einigen Jahren als Klientelpartei der Versorgten und Zufriedenen. Auch heute hadert er mit der Klimapartei: „Bei manchen Äußerungen der Grünen hat man das Gefühl, dass die Grünen sich dem Leben derer, die wirklich kämpfen müssen, die mit dem Geld auskommen müssen, nicht wirklich auseinandergesetzt haben.“ Er würde sich ein Stück mehr Realismus wünschen.
Vor allem in Dorsten oder Haltern gebe es eben Menschen, die auf das Auto angewiesen sind. In den Dörfern werde der ÖPNV einfach nicht ausreichend angeboten. Die CDU wolle die Menschen nicht zum Klimaschutz zwingen, sondern setzte auf Freiwilligkeit. Gängeln, wie Hovenjürgen es sagt, sei der falsche Ansatz: „Insofern muss man da einen vernünftigen Mittelweg finden, der das eine tut und das andere nicht lässt.“
In seinem Wahlkreis aus Ahsen/Ostleven, Dorsten, Haltern am See und Polsum hält er das Thema Arbeit für das drängendste Problem: „Wir müssen eine höhere Akzeptanz für regenerative Energien erreichen, ohne die Menschen dabei zu verschrecken.“ Und er will sich dafür einsetzten, dass junge Menschen in den Städten bleiben, statt wegzuziehen. Im Großen und Ganzen sei die Sicherheit von Arbeitsplätzen immer die Grundlage für ein gutes Leben und Einkommen.
Jahrgang 2000. Ist freiwillig nach Castrop-Rauxel gezogen und verteidigt ihre Wahlheimat gegen jeden, der Witze über den Stadtnamen macht. Überzeugte Europäerin mit einem Faible für Barockmusik, Politik und spannende Geschichten.
