
Unsere Kolumnistin und ihr Freund haben einen sehr unterschiedlichen Musikgeschmack, das ist nicht immer leicht. © Montage: Nora Varga
J.S. Bach vs. Kings of Leon: Nora Varga (21) über das Zusammenziehen
Kolumne
Oft haben Paare den gleichen Musikgeschmack oder gehen zusammen auf Konzerte. Unsere Kolumnistin und ihr Freund hören Musik, die unterschiedlicher nicht sein könnte.
Viele Paare in unserem Bekanntenkreis haben sich auf Konzerten kennengelernt. Bei meinem Freund und mir wäre das ziemlich unmöglich. Während er bei seinen Lieblingsbands Kings of Leon oder Arctic Monkeys stehen würde, müsste ich eine Zeitreise ins Jahr 1710 machen, um Johann Sebastian Bach zu sehen.
Als wir letzte Woche in den Urlaub gefahren sind, hatten wir komplett unterschiedliche Vorstellungen zum Thema Reisemusik. Zwar kann man auf einer vierstündigen Autofahrt auch einfach quatschen, aber zwischendurch Musik hören gehört ja einfach dazu.
Wir hören zu Hause nie zusammen Musik, da können wir aber auch beide Kopfhörer aufsetzen, wenn wir Bock auf Musik haben. Im Auto geht das nicht. Auf der Fahrt in den Holland-Urlaub ist es dann ein bisschen eskaliert. Mein Freund redet sich nach meinem Vorschlag, vielleicht etwas aus der h-Moll-Messe von Bach zu hören, mal wieder in Rage: „Dein Geschmack ist echt eine Katastrophe. Du kennst wirklich keine gute Musik, das ist einfach traurig.“
Bei deiner Musik klingt doch immer alles gleich
Das kann ich weder auf mir noch auf dem guten Bach sitzen lassen: „Immerhin höre ich nicht nur traurigen Garagenrock von irgendwelchen weißen Typen, die Anfang der 2000er mal cool waren.“ „Na und? Die sind halt immer noch geil.“ Da bin ich anderer Meinung: „Nee, sind sie nicht und außerdem klingt bei deiner Musik alles gleich. Immer hat einer der Typen Depression, Liebeskummer oder beides untermalt von den gleichen vier Akkorden.“
Mein Freund legt richtig los: „Aber bei dir singt noch nicht mal jemand. Immer nur irgendein Klassik-Bach-Scheiß, von dem man Kopfschmerzen bekommt.“ „Bach ist nicht Klassik, sondern Barock“, verteidige ich den Großmeister der Epoche. „Und außerdem braucht es nicht immer Text, schließlich geht es um die Musik.“
Die Beatles sind nicht modern
So geht das noch eine ganze Weile weiter. Ich biete an, dass wir auch modernere Sachen hören könnten wie Tschaikowski, der immerhin 1840 geboren wurde. Das scheint für ihn aber kein Kompromiss zu sein. „Wie kann man immer nur Klassik hören?“, fragt er verzweifelt. Ich erkläre, dass auch Tschaikowski nicht Klassik, sondern Romantik ist, und außerdem höre ich ja sogar moderne Musik: „Ich mag zum Beispiel die Beatles.“ „Nora, das ist 50 Jahre her“ „Ist das nicht modern?“ „Nein, das ist verdammt alt.“
Am Ende sind wir uns einig darin, uneinig zu sein und starren beide mehr oder weniger beleidigt auf die Straße. „Gut dann eben kein Bach, aber wir können ja jetzt nicht nichts hören.“ „Podcast?“ „Podcast!“ Am Ende haben wir die ersten fünf Minuten unseren Lieblingspolitikpodcast gehört. Dann wollte einer von uns beiden eine Anmerkung zum Gehörten machen und zack: Wir haben eine Stunde angeregt debattiert.
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