Halterner Tafel und Altersarmut: „Keinen Grund für Scham, wenn die Rente nicht reicht“

© Eva-Maria Spiller

Halterner Tafel und Altersarmut: „Keinen Grund für Scham, wenn die Rente nicht reicht“

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Die Spitze der Tafeln in Deutschland warnt vor zunehmender Altersarmut. Immer mehr seien auf die Tafel angewiesen. Auch in Haltern? Wir haben mit dem Vorstand in Haltern gesprochen.

Haltern

, 25.09.2019, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Vorsitzende der Tafeln in Deutschland Jochen Brühl hat Alarm geschlagen: Heute seien in Deutschland 1,65 Millionen Menschen auf die Tafeln in deutschen Städten angewiesen. Das sind nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (dpa) rund 1 Million mehr Menschen als noch im Jahr 2007. Besonders die Zahl der bedürftigen Senioren und Kinder sei gestiegen.

Eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung geht davon aus, dass in 20 Jahren mehr als jeder fünfte Rentner von Altersarmut bedroht sein wird. Kritische Zustände auch in Haltern? Eher nicht. „In Haltern haben wir ein gegenteiliges Bild“, sagt Andreas Heitfeld, Vorsitzender der Tafel in Haltern.

Zahl der bedürftigen Kinder hat sich prozentual erhöht

Im Dezember 2015 - zur Hochzeit der nach Deutschland kommenden Geflüchteten - hat es in Haltern 1301 Personen gegeben, die auf die Tafel in Haltern angewiesen waren. Zwei Drittel der Tafel-Kunden waren Erwachsene, ein Drittel Kinder.

Dem gegenüber stehen im August 2019 658 Tafel-Kunden - 383 davon sind Erwachsene, von denen 45 über 65 Jahre alt sind. 275 sind Kinder. Prozentual gesehen hat sich also zumindest die Zahl der bedürftigen Kinder (45 Prozent) erhöht. Dennoch: „Die Zahlen sind weder bei den Rentnern noch bei den Kindern exorbitant gestiegen“, sagt Heitfeld.

Aus diesen Ländern stammen die Haushalte, die Kunden der Halterner Tafel sind (Vergleich August 2019 mit August 2018):

Und wie sieht es mit den Senioren in Haltern im Detail aus? Wegen der Datenschutzgrundverordnung könne man hier keine verlässliche Aussagen über die Altersstruktur der zurückliegenden Jahre treffen, sagt Andreas Heitfeld. Die Tafeln seien gezwungen, alle personenbezogenen Daten zu löschen, wenn Kunden nicht mehr auf die Tafel angewiesen sind. Nichtsdestotrotz bleibt bei den Mitarbeitern, von denen viele schon seit Jahren bei der Tafel arbeiten, die Überzeugung, dass sich viele Senioren in Haltern einfach nicht trauten, zu kommen.

„Es wird mit Sicherheit mehr Rentner geben, die berechtigt sind“

„Es wird mit Sicherheit mehr Rentner geben, die berechtigt sind, bei uns einzukaufen“, sagt Kassenwartin Margit Bandy-Drewello. Viele der älteren Kunden kämen schon seit Jahren zur Tafel. Neben dem günstigen Einkauf sei es vor allem das Soziale, das die Kunden schätzten - und auch die Mitarbeiter.

„Da entwickeln sich Gespräche, wenn die Hemmschwelle erst einmal überwunden ist“, sagt Bandy-Drewello. Mit der Zeit kenne man sich. „Viele ältere Menschen nutzen den Kontakt zu Tafel auch, um mal herauszukommen“, sagt Andreas Heitfeld. „Für Scham gibt es keinen Grund. Wenn die Rente so niedrig ist, dürfen Sie selbstverständlich zu uns kommen.“

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Um bei der Tafel einkaufen zu können, müssen Kunden einen Rentenbescheid, einen Bescheid vom Jobcenter oder des Sozialamtes mitbringen. Als Regel gilt: Wer als Einzelperson nicht mehr als ein Hartz-IV-Empfänger an Lebenshaltungskosten bekommt, kann Kunde bei der Tafel werden. „Wenn es 50 Euro mehr sind, dann gucken wir da auch nicht drauf“, sagt Margit Bandy-Drewello.

Zwei Mal in der Woche - immer dienstags und donnerstags von 14.30 bis 16.30 Uhr - werden die Waren an die Tafelkunden in den Räumen der Tafel an der Recklinghäuser Straße ausgegeben. Bei einem wichtigen Grund können Kunden alternativ nach Absprache am Nachmittag um 16 Uhr ihre Waren abholen. Neukunden können sich an diesen Tagen zwischen 13.30 und 14 Uhr bei der Tafel melden.

Haltbare Lebensmittel sind bei der Tafel gern gesehen

In Sachen Lebensmitteln ist die Tafel dank der Zusammenarbeit mit Bäckereien und Supermärkten im Umkreis gut versorgt. „Wir haben hinreichend Waren, sodass niemand mit leeren Tüten nach Hause gehen muss“, sagt Andreas Heitfeld. Dennoch seien Lebensmittel, die gut lagerfähig sind wie Gemüse-Konserven, Marmeladen, Kaffee, Zucker, Speiseöl, Seifen, Nudeln und Reis, eher selten. Halterner haben die Möglichkeit, diese und andere Waren in den Boxen der Tafel im Rewe an der Weseler Straße, im K&K am Münsterknapp oder im Edeka in Sythen zu spenden.

Zur Zeit sucht die Halterner Tafel jemanden, der dem Verein mit der Gestaltung der Webseite helfen kann. Auch Schüler, sagt Andreas Heitfeld, dürfen sich gern melden. Interessierte seien generell gern gesehen, auch wenn es derzeit schon ein Warteliste für neue Mitarbeiter gibt. Denn aktuell sei es schwer, jemand Neues über die bestehende Belegschaft hinaus sinnvoll zu beschäftigen.

Kontakt

So erreichen Sie die Halterner Tafel

  • Wer sich mit der Tafel in Haltern in Verbindung setzen möchte, kann dies wie folgt tun: Halterner Tafel, Recklinghäuser Straße 44, Tel. (02364) 606185, www.halterner-tafel.de, info@halterner-tafel.de
Wer spenden möchte: Volksbank Südmünsterland-Mitte eG IBAN: DE33 4016 4528 0125 0327 00 BIC: GENODEM1LHN Sparkasse Haltern IBAN: DE90426513150000061531 BIC: WELADED1HAT
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