Sechs Jugendliche stehen vor der Schule.

© Anne Schiebener

„Härtet ab, aber was kommt noch?“ - Wie Jugendliche in ihre Zukunft blicken

rnInterview

Klimawandel, Corona-Pandemie und jetzt der Krieg in der Ukraine. „Alles kommt auf einmal“, sagt Luzie Zahn (17). Doch sie und ihre Mitschüler ziehen auch Positives aus der jetzigen Situation.

Haltern

, 12.04.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Sie sind die Generation Z: Louisa Balding (17 Jahre), Lea Fricke (16 Jahre), Jule Brinkert (16 Jahre), Henning Franz (18 Jahre), Luzie Zahn (17 Jahre) und Janne Hüwener (16 Jahre). Die Jugendlichen werden in einer Welt erwachsen, in der Internet und damit Informationen immer und überall verfügbar sind.

Für sie ist auch der Krieg in Europa schon in jungen Jahren ein Teil ihres Alltags. Genau wie der Klimawandel und die Corona-Pandemie. Die sechs Jugendlichen gehen in Haltern am See zur Schule. Und geben Einblick in ihre Gedanken und Sorgen um ihre Zukunft.

Als ihr die ersten Nachrichten über den Krieg in der Ukraine gehört habt, was ging euch da durch den Kopf?

Louisa Balding: „Ich war wirklich fassungslos und hatte Angst. Ich konnte meine Gefühle erst gar nicht in Worte fassen, weil es so unrealistisch war. Ich dachte immer, Europa ist so gut wie safe.“

Luzie Zahn: „Man kann sich gar nicht vorstellen, dass in der heutigen Zeit so etwas passiert. Der Krieg anderswo auf der Welt gerät sonst schnell in den Hintergrund, weil es so weit weg ist.“

Lea Fricke: „Es ist kein schönes Gefühl. Aber Europa hält zusammen. Das gibt einem ein bisschen Hoffnung.“

Janne Hüwener: „Ich konnte von Anfang an nicht verstehen, wieso dieser Krieg geführt wird.“

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Macht ihr euch Gedanken, dass der Krieg bis nach Deutschland kommen könnte?

Janne Hüwener: „Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland ist schon seit Jahren bekannt, aber keiner konnte glauben, dass es zum Krieg kommen wird. Deswegen kann sich jetzt glaube ich keiner vorstellen, wie weit es gehen könnte.“

Henning Franz: „Putin hat ja schon damit gedroht, dass er auf jeden Fall mit Atomwaffen agieren wird, wenn die NATO eingreift. Das ist eigentlich unvorstellbar. Wenn das passiert, dann kann man gar nichts mehr machen.“

Louisa Balding: „Putin ist einfach so unberechenbar, dass ich mir das schon vorstellen kann. Durch die NATO haben wir zwar einen gewissen Schutz, aber Gedanken und die leichte Angst sind trotzdem da.“

Schüler bilden ein riesiges Peace-Zeichen.

Rund 1000 Schülerinnen und Schüler des Josef-König-Gymnasiums bildeten anlässlich des Krieges in der Ukraine gemeinsam das Peace-Zeichen auf dem Sportplatz. © Bludau

Jetzt zieht sich der Krieg schon über mehrere Wochen. Haben sich eure Gedanken über die Zeit verändert?

Louisa Balding: „Bei mir ist Trauer dazu gekommen, weil ich mittlerweile schon Kontakt zu Flüchtlingen hatte. Dieses Ausmaß jetzt zu sehen, ist einfach unfassbar berührend und wirklich sehr traurig. Ich kann mich gar nicht in die Menschen hinein versetzen, die tagelang fliehen und alles in der Ukraine lassen mussten.“

„Für mich hat sich das Thema ziemlich normalisiert und dieser Gedankengang ist schon sehr beängstigend.“ - Jule Brinkert

Henning Franz: „In letzter Zeit ist ein Gefühl der Angst dazu gekommen. Gerade wenn man darüber nachdenkt, dass so was ja eigentlich nicht möglich sein dürfte, und man sich vorstellt, dass Putin unberechenbar ist, macht man sich dann halt auch die Gedanken, wie es in nächster Zeit weitergeht.“

Jule Brinkert: „Für mich hat sich das Thema ziemlich normalisiert und dieser Gedankengang ist schon sehr beängstigend. An dem Tag, an dem Russland wirklich angegriffen hat, war ich in einer richtigen Schockstarre. Ich wusste gar nicht, was ich machen soll. Jetzt habe ich eigentlich nur noch Angst, weil ich Putin alles zutrauen würde.“

Luzie Zahn: „Das Problem ist auch, dass man nicht wirklich was machen kann. Wir haben zwar in der Schule schon mehrere Friedensmahnwachen abgehalten. Ja, das ist schön und das zeigt der Ukraine: ‚Wir sind für euch da und wir denken an euch.‘ Aber so richtig was verändern können wir gerade gar nicht.“

Louisa Balding: „Ich finde es einfach nur wichtig, dass man die Menschen hier willkommen heißt und kleine Schritte macht.“

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Erst Klimawandel, dann Corona-Krise und jetzt der Krieg. Wie blickt ihr in eure Zukunft?

Louisa Balding: „Ich bin schon ein bisschen skeptisch. Ich habe weder mit einer Pandemie gerechnet, noch mit diesem Ausmaß des Klimawandels, noch mit dem Krieg in Europa. In gewisser Weise härtet uns das ab vor weiteren Problemen in unserem Leben. Aber ich frage mich, was noch kommt.“

„Der Klimawandel ist schon das größte Problem.“ - Henning Franz

Luzie Zahn: „Wir haben gar nicht die Möglichkeit, kurz mal durchzuatmen, weil alles auf einmal kommt. Ich glaube nicht, dass wir es viel schwerer haben als andere Generationen, aber trotzdem ist es für uns gar nicht mal so leicht.“

Henning Franz: „Der Klimawandel ist schon das größte Problem. Also klar, ein Krieg ist immer schlimm, aber man kann theoretisch davon ausgehen, dass ein Krieg in ein paar Jahren beendet ist. Der Klimawandel ist ein längerfristiges Problem. Unsere Kinder wird es noch viel härter treffen als uns jetzt.“

Janne Hüwener: „Wir sollten nicht zu pessimistisch sein. Es geht alles nach vorne.“

Lea Fricke: „Dadurch, dass jetzt so viel auf einmal kommt, kann ich mir gut vorstellen, dass sich unsere Generation mehr für Gerechtigkeit einsetzen wird. Und auch für den Klimawandel.“

Drei Jugendliche sammeln Müll im Westufer-Park.

Der Klimawandel ist das größte Problem ihrer Generation, denkt Henning Franz. Denn der wird nicht in ein paar Jahren vorbei sein. © Anne Schiebener (A)

Welche Chancen habt ihr in einer Zeit wie jetzt, erwachsen zu werden?

Luzie Zahn: „Wir haben mehr Möglichkeiten als jemals zuvor. Und das nicht nur in Bezug auf berufliche Möglichkeiten. Die Welt ist sehr viel offener geworden. Da können wir schon froh sein, in einer solchen Zeit geboren zu sein.“

Janne Hüwener: „Vielleicht werden durch den Krieg jetzt mehr Leute politisch aktiv und können dann die Welt ein bisschen besser machen.“

Louisa Balding: „Ich glaube, dass wir dadurch alle ein Stück weit mehr abgehärtet sind als vorher. Und dass wir weiteren Problemen in der Zukunft stärker gegenübertreten.“

Jule Brinkert: „Wir lernen, wenn man sich den Krieg anguckt, sehr früh Dankbarkeit, Hilfsbereitschaft und Verantwortung. Aber vor allem, dass es immer eine gute Idee ist, ein Zeichen zu setzen. Dass man die Stimme, die man hat, nutzt.“

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Was wollt ihr später mal beruflich machen? Hat sich euer Berufswunsch durch die Krisen verändert?

Louisa Balding: „Ich will Medizin studieren. Im Moment sieht man wirklich, dass professionelle Hilfe gebraucht wird. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass überall in Europa irgendwann Krieg ausbrechen wird, aber der Beruf ist wie vor Jahrzehnten immer noch sehr wichtig.“

Jule Brinkert: „Ich wollte als Kind immer Lehrerin werden. Mich interessiert aber auch die Politik. Ich habe mir als Ziel ausgemalt, später Bundeskanzlerin zu werden. Jetzt habe ich den Wunsch aber nicht mehr. Ich könnte mich erst im Jahr 2048 zur Bundeskanzlerin aufstellen lassen. Dann bin ich alt genug. Aber bis 2050 sollen die Klimaziele alle eingehalten werden. Zu diesem Zeitpunkt möchte ich wirklich nicht oben in der Politik stehen. Deshalb bleibe ich lieber bei Lehramt.“

Was zieht ihr Positives aus der jetzigen Situation?

Jule Brinkert: „Was mir positiv auffällt, ist der Zusammenhalt. Wir wirken wie ein richtig starkes Europa. Aber ansonsten ziehe ich da eigentlich nichts Positives raus, weil es ja nicht umsonst eine Krise ist, oder?“

Janne Hüwener: „Ich finde es wirklich beeindruckend, wie hier an der Schule alle zusammenhalten.“

Luzie Zahn: „Dass wir Glück haben, in Deutschland geboren zu sein.“

Henning Franz: „Man lernt, seine Freiheit zu schätzen. Was für ein hohes Gut die Freiheit eigentlich ist und dass man damit gut umgehen sollte.“

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Was wünscht ihr euch für eure Zukunft?

Louisa Balding: „Frieden und Sicherheit in der Welt.“

Luzie Zahn: „Dass mehr gegen den Klimawandel getan wird.“

Jule Brinkert: „Ich wünsche mir eine Zukunft. Punkt. Jetzt kann man gar nicht sagen, ob wir eine Zukunft haben werden oder nicht. Wenn wirklich ein dritter Weltkrieg ausbrechen sollte oder die Klimaprognosen alle eintreffen, dann weiß ich nicht, ob ich überhaupt eine Zukunft haben werde. Deshalb wünsche ich mir eine.“

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