Christian Krahl leitet als Nachfolger von Ulrich Wessel seit dem 1. August 2024 das Joseph-König-Gymnasium. Er wusste, er kommt nicht nur dorthin zurück, wo er selbst Abitur gemacht hat und sein Großvater Chemie, Physik und Mathe gelehrt hat. Er kam zurück zu einer Schule mit einer besonderen Geschichte. „Das war am 24. März 2015 eine einzigartige Tragik, ein fürchterliches Ereignis für die Familien, für die Mitschülerinnen und Mitschüler und das Kollegium“, sagt Christian Krahl im Rückblick.
Er war damals noch Schulleiter am Heriburg-Gymnasium in Coesfeld, wohnt aber mit seiner Frau in Haltern. So konnte er vor zehn Jahren beobachten, dass es viele Menschen gab, die geholfen und unterstützt haben. „Denen müssen wir unendlich dankbar sein. Allen voran möchte ich Herrn Wessel nennen, er hat Übermenschliches geleistet, nach dem Absturz und auch in den Jahren danach“, findet Christian Krahl. In diesem Sinne habe er im August 2024 ein Vermächtnis übernommen.

Täglich geht er an dem Erinnerungsort mit der Gedenktafel und dem Kerzenlicht vorbei. „Wir als Schulgemeinschaft halten die Erinnerung an die Opfer der fürchterlichen Katastrophe natürlich aufrecht“, versichert Christian Krahl. Wie genau, das werde die Zukunft zeigen müssen. „Denn Schulen ändern sich sehr, sehr schnell. Aber ich kann versprechen, dass die Jugendlichen und die beiden Lehrerinnen in unseren Herzen sind und bleiben.“
Etliche Lehrkräfte, aber auch die heutigen Schülerinnen und Schüler haben die Jugendlichen und Lehrerinnen, die aus dem Leben gerissen wurden, am Joseph-König-Gymnasium nicht mehr erlebt. Dennoch ist es allen, vor allem auch jenen Kolleginnen und Kollegen, die die Opfer kannten, ein Bedürfnis, sich jedes Jahr zu einer Gedenkfeier zu versammeln – wie jetzt am 24. März zum 10. Jahrestag. Ihnen geht das Geschehene heute noch sehr nahe. „Sie werden betroffen bleiben bis zum Ende ihres Schullebens“, ist Christian Krahl überzeugt.
Treffen mit den Eltern
Bei den heutigen Schülerinnen und Schülern mag das anders sein, so der Schulleiter, weil sie damals noch nicht an der Schule waren. Es gibt aber noch enge Bindungen zu den Opfern auch bei den Schülerinnen und Schülern. Die Lehrkräfte besprechen auch mit allen neuen Schülern das, was geschehen ist und gehen mit ihnen zu den Gedenkorten. So entsteht ein Bewusstsein für die Tragödie. „Wie wir das Gedenken fortsetzen, wissen wir noch nicht. Dass wir es weiterhin tun, ist auf jeden Fall klar“, versichert Christian Krahl.
Im Februar hat sich der 52-Jährige mit den Eltern der Opfer getroffen. „Wir hatten das Anliegen, uns gegenseitig kennenzulernen.“ Er sei sehr angespannt gewesen, „das war für mich ein schwieriger Termin.“ Das Gespräch habe ihm noch einmal das ungeheure Ausmaß des Unglücks vor Augen geführt und sein Bewusstsein für die Tragödie geschärft. Dieses traurige Ereignis mit Menschen verbinden zu können, mache es ihm nun leichter, damit umzugehen. Christian Krahl fühlte sich sehr betroffen, gleichzeitig aber auch dankbar für die Möglichkeit eines Zusammentreffens.

Auf dem Schulhof gibt es die Gedenktafel, in der Schule einen Gedenkraum. Dort sind viele Dinge aufbewahrt, die im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz stehen: Beileidsbekundungen, Trauerbriefe, Bilder von den Opfern, Kerzen, Kondolenzbücher und vieles mehr. Dieser offene Raum mit einem Türschild, auf dem alle Namen genannt sind, ist für Trauernde wichtig. Es gibt für Christian Krahl keinen Grund, ihn zu räumen. „Wenn er genutzt wird, dann ist er eine große Hilfe. Das ist Sinn genug für diesen Raum.“
Zuversicht vermitteln
Nun, zum 10. Jahrestag, wird es am 24. März (Montag) eine etwa 20-minütige schulische Gedenk-Veranstaltung geben, und zwar zum Zeitpunkt des Absturzes. Die ganze Schulgemeinschaft versammelt sich, auch die Eltern, die nicht mit zur Trauerfeier nach Le Vernet fliegen, sind eingeladen. „Gerade in diesen Tagen, zu diesem denkwürdigen Tag, macht sich wieder eine große Betroffenheit breit“, gibt Christian Krahl die Atmosphäre wieder. Aber er sagt auch, Aufgabe der Schule sei, Zuversicht für die Zukunft zu vermitteln. „Das Gedenken ist ein wichtiger Teil der Schule, was in diesen Tagen besonders deutlich wird. Das Schulleben soll dadurch aber auch nicht überlagert werden.“