
© Maximilian Christ
Die Blauen Engel aus Haltern: „Hotelbetrieb“ im Katastrophengebiet
Technisches Hilfswerk
Ein Halterner betreibt „so etwas wie ein Hotelbetrieb mit Werkstatt und Versorgung“ in einem Hochwassergebiet. Er stellt fest: Die Bevölkerung weiß zu wenig über den Katastrophenschutz.
Seit Tief „Bernd“ Mitte Juli in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz für schreckliche Verwüstungen sorgte, ist der Halterner Frank Herrmann-Sandkühler (48) in den Krisengebieten im Einsatz. „Ich habe das Glück, dass mein Arbeitgeber die Notwendigkeit erkennt und mich frei stellt“. In den letzten sechs Wochen war der 48-Jährige an 29 Tagen im Einsatz.
Bereits seit 21 Jahren ist der Tischlermeister, der sich mittlerweile im öffentlichen Dienst um ein Museum kümmert, ehrenamtlich beim Technischen Hilfswerk (THW) in Haltern beschäftigt. Ein Großteil der Arbeitgeber der THW-Einsatzkräfte unterstütze die ehrenamtliche Arbeit in hervorragender Weise. In einigen Einzelfällen habe es jedoch Herausforderungen gegeben.
„Wir hatten kürzlich noch den Fall, da wurde einem Jungen nach einem Einsatz im Betrieb richtig die Hölle heißgemacht. So etwas geht gar nicht“, ärgert sich der 48-Jährige. Tatsächlich sind die freiwilligen Helfer auf die Gunst ihrer Arbeitgeber angewiesen. Menschen zu helfen ist ihr Hobby – und das geht an die Substanz.
„Bevölkerung hat wenig Ahnung, wie das System funktioniert“
Ein Altenheim in Wuppertal von Wassermassen befreien, die Überreste einer Maschinen-Fabrik in Bad Münstereifel bergen oder ein ganzes Wohnhaus aus der Erft befreien. Teilweise die ganze Nacht hindurch bis morgens um sechs Uhr. „Was wir erlebt haben, dass vergessen wir im Leben nicht“, sagt der Halterner deswegen auch.

Frank Herrmann-Sandkühler (ganz links im Bild) hier in Wuppertal bei einem Rettungseinsatz im Juli. © Janis Czymoch
Aktuell leitet er gemeinsam mit anderen Kollegen und Kolleginnen vom THW einen Bereitstellungsraum. „Das ist so etwas wie ein Hotelbetrieb mit Werkstatt und Versorgung für die Einsatzkräfte aller Hilfsorganisationen“, erklärt Frank Herrmann-Sandkühler.
Welche Aufgaben das THW grundsätzlich übernimmt, sei vielen Menschen, mit denen er in den betroffenen Gebieten in Kontakt kommt, gar nicht bewusst. „Unsere Bevölkerung hat wenig bis gar keine Ahnung, wie das System überhaupt funktioniert. Ganz häufig kommt zum Beispiel die Frage: ‚ Warum werden aus den roten Autos jetzt die Blauen‘“.
THW nicht für den Katastrophenschutz gegründet
„Werden durch Unwetter großflächig Schäden verursacht, bedroht Hochwasser Städte und Gemeinden oder fällt die Stromversorgung länger aus, dann leisten die THW-Einsatzkräfte schnell und effizient technische Hilfe“, erklärt Klaus Wohlfarth, stellvertretender Ortsbeauftragter des THW in Haltern.

Auch nach zwei Monaten müssen die Kräfte vom THW in Wuppertal noch Katastrophenhilfe leisten. © THW Wuppertal / to
„Das THW Haltern am See ist mit einer Bergungsgruppe und den beiden Fachgruppen Räumen sowie Notversorgung und Notinstandsetzung sowie zum Führen der Einheiten mit einem Zugtrupp ausgestattet“, so Klaus Wohlfart, über die Struktur in der Seestadt.
Im Bundesgebiet sind die „Blauen Engel“ – so wurden die Helferinnen und Helfer des THW 1999 von der französischen Bevölkerung getauft, als sie nach Orkan „Lothar“ bei der Beseitigung der Schäden in Frankreich halfen – seit 71 Jahren im Einsatz.
1950 gegründet, sollte das THW nach dem Zweiten Weltkrieg als „ziviler Ordnungsdienst“ eingesetzt werden. Vorrangig um Streiks zu bekämpfen. Doch schnell geriet die Rolle als eine Art „Streikbrecher“ ins Hintertreffen: Schon zu Beginn der 50er-Jahre wurde der Katastrophenschutz zur Hauptaufgabe des THW.
Unterschied zur Feuerwehr: der lange Atem im Einsatz
Der konkrete Unterschied zu den roten Autos der Feuerwehren: Das THW wird in der Regel angefordert, wenn andere Organisationen wie die Feuerwehr oder die Polizei bereits im Einsatz sind. Wegen seiner weitaus geringeren Einsatzhäufigkeit muss es aber auch nicht so schnell wieder für den nächsten Notfall bereitstehen.
Genau deswegen kann das THW über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden. Erfahrungsgemäß übertragen Gefahrenabwehrbehörden oder andere Stellen den Blauen Engeln oft fachlich oder räumlich abgeschlossene Aufgaben, die es eigenständig löst.
Damit auch in Zukunft genug Einsatzkräfte im Katastrophenschutz zur Verfügung stünden, sei ein hohes ehrenamtliches Engagement von vielen Menschen weiterhin wichtig, findet deswegen auch Klaus Wohlfarth. „Alle Organisationen benötigen viele fleißige Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren und mitmachen“.
Ist passionierter und aktiver Sportler aus dem schönen Bergischen Land und seit 2011, ursprünglich wegen des Studiums, im Ruhrgebiet unterwegs. Liebt die Kommunikation mit Menschen im Allgemeinen und das Aufschreiben ihrer Geschichten im Speziellen.
