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Zurück ins Büro? Wie es in Dortmund nach der Homeoffice-Pflicht weitergeht
Arbeitswelt
Es geht zurück ins Büro. Ab dem 20. März gilt die Homeoffice-Pflicht nicht mehr. Was wird dann aus der Heimarbeit? Dazu äußern sich einige der größten Arbeitgeber in Dortmund.
In den Nuller Jahren haben viele Berufstätige davon geträumt, von zuhause arbeiten zu können. Homeoffice war aber in den allermeisten Fällen aus technischen Gründen schwierig oder vom Arbeitgeber nicht gewünscht.
Dass es gut zehn Jahre später gar eine Homeoffice-Pflicht geben würde, war gar nicht vorstellbar. Diese zu Beginn der Omikron-Welle schon zum zweiten Mal während der Corona-Pandemie verhängte Homeoffice-Pflicht endet nun am 20. März. In der Umfrage unserer Redaktion zur Serie „Mensch, wie glücklich bist du?“ gaben 43 Prozent der Teilnehmenden an, ständig, manchmal oder häufig im Homeoffice zu arbeiten. Nun können Arbeitgeber ihre Angestellten wieder zurück ins Büro holen. Aber tun sie das auch?
„Dass komplett von zuhause gearbeitet wird, möchten wir nicht. Aber zwei bis drei Tage im Homeoffice möchten wir auch weiterhin zugestehen“, sagt Ulrich Leitermann, Vorstandsvorsitzender der Signal Iduna Gruppe. Das Versicherungsunternehmen ist mit 2200 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber in Dortmund. 85 Prozent davon arbeiten derzeit im Homeoffice. Vor Corona waren es etwa 20 Prozent.
In der Mittagspause fehlen die Kolleginnen und Kollegen
An eine komplette Arbeitswoche im Büro kann sich David Bläsing, Mitarbeiter für den Direktkanal bei Signal Iduna, kaum noch erinnern. „Mit Ausbruch der Pandemie ist Homeoffice zum Standard geworden. Ohne das und ohne die Flexibilisierung der Arbeitszeiten wäre die Betreuung unseres zweijährigen Sohnes oft gar nicht möglich gewesen“, sagt er.
Wie viele Arbeitnehmer hat auch er sich an das Arbeiten von zuhause gewöhnt und möchte den heimischen Schreibtisch nicht mehr missen. „Auf der anderen Seite“, sagt David Bläsing aber auch, „habe ich Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich früher regelmäßig den größten Teil der Woche verbracht habe, schon seit zwei Jahren nicht mehr gesehen.“
Sein Kollege Olaf Krieft ist nach zwei Monaten zum ersten Mal wieder in der Signal-Iduna-Zentrale am Westfalenpark. Der Mitarbeiter im Change-Management sieht Vor- und Nachteile. „Durch Homeoffice spart man Fahrzeiten und Spritkosten. Aber im Homeoffice die Grenze zu ziehen zwischen Arbeit und Freizeit, ist häufig gar nicht so einfach.“
Mal Homeoffice und mal Arbeit im Büro
Zukünftig können sich beide einen Mix aus Büroarbeit und Homeoffice gut vorstellen. Bei ihrem Chef finden sie da Verständnis. „Es hat sich doch gezeigt, dass auch im Homeoffice produktiv gearbeitet wird. Sonst hätten wir während der Pandemie nicht solche Geschäftszahlen erreicht, wie wir sie erreicht haben“, sagt Ulrich Leitermann. In einer digitalen Pressekonferenz stellte er erst vor wenigen Tagen dar, dass die Signal Iduna Gruppe 2021 „um das Dreifache des Marktes“ gewachsen sei. Verzeichne die Branche ein Wachstum von 1,1 Prozent, so habe man selbst ein Plus von 3,2 Prozent erzielt.

Signal-Iduna-Chef Ulrich Leitermann will seinen Beschäftigten auch nach der pandemie-bedingten Homeoffice-Pflicht die Arbeit von zu Hause ermöglichen. „Es hat sich doch gezeigt, dass auch im Homeoffice produktiv gearbeitet wird“, sagt er. An zwei bis drei Tagen pro Woche soll bei dem Versicherungsunternehmen auch weiterhin zuhause gearbeitet werden können. © Stephan Schütze
Die Heimarbeit wird auch nach der Corona-Pandemie weiter zur Arbeitswelt gehören. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert daher, die Weichen zu stellen für das Homeoffice der Zukunft. Es sollen klare Regeln her. „Bisher“, sagt der Dortmunder Gewerkschaftssekretär Roman Eberle von Verdi, „ist die Homeoffice-Welt ja eine bunte Welt. Da ist der Küchentisch ein Bürotisch und der Küchenstuhl ein Bürostuhl.“
Gewerkschaften fordern, dass Arbeitgeber sich mehr kümmern
Die Arbeitgeber müssten sich beteiligen und mehr kümmern, erklärt er. „In unseren Tarifverhandlungen mit der Postbank fordern wir gerade 1500 Euro Ausstattungspauschale und klare betriebliche Vereinbarungen“, so Eberle.
Gerade bei Pendlern gebe es ein starkes Bedürfnis, von zuhause zu arbeiten: „Deshalb sind wir dafür, Homeoffice weiter anzubieten. Aber es muss eine gesunde Mischung mit der Arbeit im Büro geben. Und es muss darauf geachtet werden, dass die Belastungsgrenzen nicht überschritten werden, weil im Homeoffice ganz oft eine Intensivierung der Arbeit stattfindet und eine Videokonferenz die nächste jagt.“
Bei Signal Iduna kann man die Gewerkschafts-Forderungen grundsätzlich nachvollziehen. „Die Rahmenbedingungen und Details müssten dann allerdings noch weiter ausgestaltet und in ein Gesamtpaket eingebettet werden“, sagt Unternehmenssprecher Edzard Bennmann.

Ernst-Peter Brasse ist Geschäftsführer der Unternehmensverbände Dortmund. „Der Arbeitgeber wird nicht zwei Arbeitsplätze ausstatten“, sagt er. © Unternehmensverbände
Beim Unternehmensverband Dortmund und Umgebung sieht man ebenfalls noch gesetzlichen Regelungsbedarf - vor allem, wenn es um eine Zerstückelung der täglichen Arbeitszeit im Homeoffice geht. Geschäftsführer Ernst-Peter Brasse verweist darauf, dass bisher zwischen dem Ende einer Arbeitszeit und dem Beginn einer neuen täglichen Arbeitszeit mindestens 11 Stunden Ruhezeit liegen müssen.
Dass der Arbeitgeber eine Pauschale für die Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes zahlen soll, lehnt Ernst-Peter Brasse strikt ab. „Es ist ja ein Arbeitsplatz im Unternehmen da. Der Arbeitgeber wird nicht zwei Arbeitsplätze ausstatten“, sagt er.
Adesso vertraut auf die Selbstmanagement-Kompetenz
Bei den Volkswohl-Bund-Versicherungen mit 700 Beschäftigten ist Homeoffice durch die Corona-Pandemie längst etabliert. „Nach dem Entfall der Heimarbeitspflicht werden wir – wie schon im Herbst 2021 – in ein modernes hybrides Arbeitszeitmodell gehen“, sagt Sprecherin Simone Szydlak. „Dazu“, so ergänzt sie, „kommen unser flexibles Gleitzeitmodell und unsere Arbeitsvertragsgestaltung, die viele individuelle Varianten zulässt.“

Der IT-Dienstleister Adesso beschäftigt in Dortmund rund 2000 Mitarbeiter. Die Arbeit im Homeoffice wird für sie auch unabhängig von der Corona-Pandemie weiter möglich bleiben. © (A) Oliver Schaper
Kristina Gerwert, Leiterin des Personalwesens beim IT-Dienstleister Adesso, sagt ebenfalls, dass man Homeoffice-Tätigkeit auch nach der Pandemie „in geeignetem Umfang integrieren“ werde. Dazu gehöre auch eine flexiblere Einteilung der Arbeitszeit, sofern sie mit den Aufgaben der Beschäftigten grundsätzlich vereinbar sei.
„Hier“, so Kristina Gerwert, „vertrauen wir auf die Selbstmanagement-Kompetenz unserer Mitarbeitenden und bieten ihnen dauerhaft die Option, an bis zu drei Tagen pro Woche mobil zu arbeiten.“ Adesso beschäftigt in Dortmund rund 2000 Mitarbeiter.
Stadt Dortmund erlaubt bis zu 50 Prozent mobiles Arbeiten
Auch die Stadt Dortmund mit rund 10.000 Beschäftigten setzt auf flexible Arbeitsformen, da diese „in Zeiten des demografischen Wandels und auch des Fachkräftemangels ein sehr wichtiges personalpolitisches Handlungsfeld“ seien. „Liegen die dienstlichen und persönlichen Voraussetzungen vor, können Mitarbeitende bis zu 50 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit mobil beziehungsweise im Homeoffice arbeiten. Unter Beachtung der dienstlichen Belange und der Sollarbeitszeit ist es an Tagen der mobilen Arbeit möglich, zwischen 6 und 20 Uhr die Tätigkeit auszuüben“, erklärt Stadtsprecher Michael Meinders.
Beim Pumpenhersteller Wilo, für den in Dortmund knapp 2000 Menschen arbeiten, will man auch nach dem Ende der Homeoffice-Pflicht den Büro-Beschäftigten weiterhin die Arbeit im Homeoffice anbieten. „Beim Bau unseres Verwaltungsgebäudes ‚Pioneer Cube‘ hatten wir deshalb auch bei der Belegungsquote bereits berücksichtigt, dass ein Teil der Beschäftigten in mobiler Arbeit sein wird“, sagt Unternehmenssprecherin Monica Giazzi.
Für mehr Flexibilität in der Woche: Auch samstags arbeiten?
David Bläsing würde bei Signal Iduna gerne auch die Möglichkeit haben, samstags zu arbeiten. „Es würde mir helfen, Familie, Freizeit und Beruf besser zu vereinbaren“, sagt er. Und er ist damit nicht allein. „Diesen Wunsch“, sagt Konzernchef Ulrich Leitermann, „hören wir von vielen Mitarbeitern. Und ich würde diesem Wunsch auch nachkommen. Wir reden aber nur über einen Austausch von Dienstzeiten, nicht über Zuschläge. Grundsätzlich muss man sich vor dem Hintergrund, dass alle Unternehmen um die besten Nachwuchskräfte kämpfen, mit flexiblen Arbeitszeitmodellen auseinandersetzen.“
So weit, dass Mitarbeiter mit Laptop und Smartphone auch aus dem Ausland arbeiten - von Mallorca oder aus den Niederlanden etwa - möchte es Ulrich Leitermann allerdings nicht kommen lassen. „Das ist dann doch eher eine Urlaubssituation“, sagt er. - Aber wer weiß: in den Nuller-Jahren war Homeoffice für viele auch nur ein schöner Traum.
Mensch, wie glücklich bist du?
Was haben zwei Jahre Corona mit uns gemacht? Empfinden wir noch Glück? Wie hat sich unser Leben verändert? Das fragten wir in unserer Umfrage „Mensch, wie glücklich bist du?“ Und wir haben Menschen getroffen, die uns erzählen, wie sie die vergangenen zwei Jahre erlebt haben. Nach mehreren Stationen in Redaktionen rund um Dortmund bin ich seit dem 1. Juni 2015 in der Stadtredaktion Dortmund tätig. Als gebürtigem Dortmunder liegt mir die Stadt am Herzen. Hier interessieren mich nicht nur der Fußball, sondern auch die Kultur und die Wirtschaft. Seit dem 1. April 2020 arbeite ich in der Stadtredaktion als Wirtschaftsredakteur. In meiner Freizeit treibe ich gern Sport: Laufen, Mountainbike-Fahren, Tischtennis, Badminton. Außerdem bin ich Jazz-Fan, höre aber gerne auch Rockmusik (Springsteen, Clapton, Santana etc.).
