
© Peter Wulle
Deutschlands jüngster Unternehmer: Amir (16) hat noch kein Abi, aber zwei Firmen
Start-up in Dortmund
Amir Gdamsi ist 16, geht in die 11. Klasse und hat schon zwei Firmen gegründet. In den Medien wird er als Deutschlands jüngster Unternehmer gefeiert. Büffeln und Business - wie macht der Dortmunder das?
Er sagt Sätze wie „Schule ist ein totaler Zeitfresser“. Er sagt nicht „Schule ist doof“. Amir Gdamsi ist ein guter Schüler. Aber die Schule stiehlt ihm Zeit, weil er sie einfach gerne schon hinter sich hätte. Dann könnte er sich voll auf seine Unternehmen konzentrieren. Amir Gdamsi ist erst 16 Jahre alt - und Deutschlands jüngster Jungunternehmer.
Unsere Redaktion hat ihn schon 2020 vorgestellt. An seiner Schule, dem Immanuel-Kant-Gymnasium in Asseln, wussten danach alle Bescheid. Seither stürzen sich die Medien auf ihn - und man kennt ihn jetzt quer durch die Republik: „Tatsächlich werde ich auf der Straße und in der S-Bahn erkannt.“
Aber es stört ihn nicht. „Der Presserummel macht Spaß“, sagt Amir Gdamsi, „ich muss nur aufpassen, was ich sage.“ Schließlich will er als Unternehmer ernst genommen werden. Auch, wenn er immer noch erst 16 ist, soll die Zeit vorbei sein, als Skeptiker sagten: „Was will mir das Kind erzählen?“
„Mit 24 ist man bei uns schon alt“
Klar, er war 14, als er seine Marketing-Agentur AGM gründete. Inzwischen ist er aber mit der Firma aus dem Jugendzimmer bei seinen Eltern aus und in ein 20-Quadratmeter-Büro im 12. Stock des Ellipson an der Ruhrallee eingezogen. „Das macht einen anderen Eindruck. Kundentermine sind hier etwas anderes als zuhause“, sagt Amir Gdamsi.
Und als jüngster unternehmerischer Vertreter der „Digital natives“ - also der Generation, die total digital aufwächst - weckt sein Social-Media-Marketing das Interesse vieler Kunden. „Meine Generation“, sagt er, „guckt vier bis fünf Stunden am Tag aufs Handy. Ich will zeigen, wie man sie auf diesem Weg mit seiner Botschaft am besten erreicht.“
Gdamsi hilft mit seinen inzwischen vier Mitarbeitern Unternehmen auch, Personal zu gewinnen, vor allem junges Personal – in Zeiten zunehmender Knappheit an Fachkräften. Die vier Minijobber sind dabei kaum älter als der 16-jährige Chef. „Mit 24 ist man bei uns schon alt“, sagt Gdamsi lachend.
Start-up-Börse war vor 2 Jahren der Schlüsselmoment
Zwei Jahre ist es her, dass Amir Gdamsi unbedingt eine eigene Firma gründen wollte. Er bekam damals eine Einladung für eine Start-up-Börse, bei der sich junge Gründer Schülern vorstellten. Er fuhr da ohne große Erwartungen hin, aber es wurde ein Schlüsselmoment: „Der Karriereweg eines Unternehmers, das selbstständige und freie Handeln, die Aufmerksamkeit – das hat mich sofort gereizt.“
Bis zum Handelsregister-Eintrag brauchte er allerdings Geduld. „Es mussten erst das Familiengericht, das Jugendamt, die Schule und meine Eltern zustimmen. Das hat gut sechs Monate gedauert. Das Ja meiner Eltern hatte ich am schnellsten, die sind auch beide selbstständig.“
Inzwischen bringt Gdamsi schon seine zweite Geschäftsidee voran. „Mit meinem Kompagnon Noah vermarkte ich fahrende Werbeflächen auf Plakat-Fahrrädern“, sagt er. Der Digital-Freak lässt also nach alter Väter Sitte Werbebotschaften über den Westenhellweg rollen.
Digital-Agentur hier und Plakat-Fahrräder da
„Der Vorteil gegenüber normalen Plakatwänden ist, dass unsere sprechen können. Die Fahrer werden von uns gebrieft, wissen also in Gesprächen, worum es geht, und verteilen Flyer und Goodies. An einem Samstag erreicht die Werbung in der Dortmunder Innenstadt rund 40.000 Menschen“, so Amir Gdamsi. Die Nachfrage werde immer größer. Was als totaler Kontrast zu seiner Digital-Agentur erscheint, ist für ihn keiner: „Das Cross-Marketing muss stimmen.“

So sah das während des Weihnachtsmarktes aus: Amir Gdamsis jüngste Idee ist es, Werbeplakate mit Fahrrädern durch die City zu rollen. Wie er sagt, läuft das Geschäft ziemlich gut. © AGM
Auf die Idee mit den rollenden Werbetafeln ist Amir Gdamsi im Wahlkampf 2021 gekommen. Als Noah Trojanowski (19) als Einzelbewerber für die Bundestagswahl kandidierte, suchte dieser Hilfe bei AGM Marketing. Dort kamen die beiden auf die Idee, Werbeplakate nicht einfach nur aufzuhängen, sondern mit dem Fahrrad durch die Stadt zu transportieren. Jeder habe sich nach dem Plakat umgedreht, erzählt Gdamsi. Von da an war klar: „Die Idee muss vermarktet werden.“
Expertin für Unternehmensgründung sieht Erfolgschancen
Das Manager Magazin hat Christine Volkmann, Professorin für Unternehmensgründung und Wirtschaftsentwicklung an der Bergischen Universität Wuppertal, nach den Chancen seiner beiden Start-ups gefragt. Ihre Antwort: „Beide Unternehmensgründungen haben Erfolgschancen.“
Zwar gebe es bereits sehr viele Agenturen für digitales Marketing – aber kaum welche, die von Personen geleitet werden, die so intensiv mit den sozialen Medien aufgewachsen sind, beziehungsweise noch damit aufwachsen. Und auch die rollenden Werbeflächen seien eine innovative, kreative Geschäftsidee. Fraglich sei allerdings, ob sich damit langfristig Geld verdienen lasse, wenn das Geschäftsmodell nicht noch weiter ausgebaut werde.
Schon jetzt hastet Amir Gdamsi aber jeden Tag nach der Schule ins Büro oder zu Kunden. Vor 15 Uhr kann er keine Termine machen. Es wird dann oft 23 Uhr, bis er Feierabend machen kann. Und um 6 Uhr steht er wieder auf. Seine Woche hat 90 Stunden. „Die Schule hat da schon gelitten. Aber mit einem Notenschnitt von 2,7 bin ich immer noch im guten Mittelfeld“, sagt er.
Mathe und Erdkunde statt Internationales Management
Wie will er den Stress durchhalten? Vor allem während der Abi-Phase im nächsten Jahr? „Stress“, antwortet er, „fühle ich gar nicht. Stress ist, wenn man nicht zufrieden ist und unglücklich mit dem, was man tut. Bei mir ist es aber Leidenschaft.“
Das Business hat ihn gepackt. Er kann von seiner Selbstständigkeit sogar schon „gut leben“. „Und Partymachen“, sagt er, „ist nicht so mein Ding. Ich will mit erfolgreichen Unternehmern an einem Tisch sitzen und reden.“ Ab 2023 möchte er Internationales Management studieren. Bis dahin muss er sich allerdings noch mit Deutsch, Mathe oder auch Erdkunde befassen. Schule ist eben ein echter Zeitfresser.
Nach mehreren Stationen in Redaktionen rund um Dortmund bin ich seit dem 1. Juni 2015 in der Stadtredaktion Dortmund tätig. Als gebürtigem Dortmunder liegt mir die Stadt am Herzen. Hier interessieren mich nicht nur der Fußball, sondern auch die Kultur und die Wirtschaft. Seit dem 1. April 2020 arbeite ich in der Stadtredaktion als Wirtschaftsredakteur. In meiner Freizeit treibe ich gern Sport: Laufen, Mountainbike-Fahren, Tischtennis, Badminton. Außerdem bin ich Jazz-Fan, höre aber gerne auch Rockmusik (Springsteen, Clapton, Santana etc.).
