„Wenn sie strahlte, lachte die ganze Welt“
Gedenken an getötete 15-Jährige
Am Anfang war es Schulhof, am Ende eine Liebeserklärung. Mit einer Trauerfeier in Hörde gedachten rund 200 junge Menschen der getöteten 15-Jährigen, die eine Woche zuvor in einem Parkhaus tödlich verletzt wurde.

Jason, der die Trauerfeier organisiert hat, umarmt auf dem Parkdeck ein Mädchen. © Stephan Schütze
Es herrscht eine merkwürdige Art von Schulhof-Atmosphäre auf dem Parkdeck. Junge Menschen, Schüler, laufen hin und her, die Jungs betont hart, die Mädchen aufgeregt. Sicherheitsmitarbeiter sind da, Polizisten, und die Kerzen, die da zuhauf in der Ecke stehen, sind aus. Sicherheitsbedenken des Betreibers, heißt es, was heute, bei einer Trauerfeier für eine tote 15-Jährige, die hier vor einer Woche starb, merkwürdig anmutet. Dass geraucht wird, stört aber keinen.
Es wuselt hin und her, fast alle, die da sind, sind jung. Und die, die nicht jung sind, haben eine Aufgabe. Seelsorger in lila Jacken, die Jugenddezernentin Daniela Schneckenburger, Menschen vom Jugendamt. Um 17.50 Uhr kommt einer der Jungs, der letzte Woche Augenzeuge der Tat war, durch die Tür, hinter der die 15-Jährige zusammengebrochen war, nachdem ihr ein Messer ins Herz gerammt worden war. Er öffnet also eine Woche später die Tür, sieht die 150 bis 200 Menschen, die sich versammelt haben und sagt „Ach, du Scheiße“. Was es ganz gut trifft. Was sonst soll es sein, wenn eine 15-Jährige ihr Leben verliert wegen einer Nichtigkeit?
„Ich freue mich, dass ihr alle da seid...“
Jason ist 18, er hat die Gedenkveranstaltung hier organisiert, sein Vater hat sie dann für ihn angemeldet und es ist nicht viel Zeit, zu lange, so die Absprache, soll das hier nicht dauern. Ein Pfarrer, auch er ein Notfallseelsorger, spricht in ein Megafon, bittet die Menschen zu sich, dann spricht Jason ein paar Worte. Erst oben auf dem Parkdeck, dann unten, vor dem Burger-King. „Ich freue mich, dass ihr alle da seid...“, beginnt er dort und trotz des Megafons schallt ihm ein „Lauter, lauter“ entgegen. Nach einigen Worten geht es weiter in Richtung Lutherkirche, zwischen ihr und dem Parkhaus liegen wenige hundert Meter.
Ein Bild der verwundeten Jugend
Hier endlich ist es so, wie es sein soll, wie man sich das vorstellt, eine Trauerfeier für einen Menschen. Der notfallseelsorgende Pfarrer, der schon im Parkhaus half, sagt: „Ich führe euch jetzt ein bisschen dadurch“, und genau das tut er dann auch. Vorne, vor dem Altar, werden Kerzen abgestellt und Blumen abgelegt, sie sollen später an der Schlanken Mathilde ihren Platz finden.
Jason steht vorne am Pult, die Arme liegen darauf. Junge Menschen vor dem Altar, die Dinge ablegen, und dann ist da ein Mädchen. Eine junge Frau. Hübsch ist sie, macht ein Foto von den Dingen, die sich da um den Altar sammeln, und hat im Gesicht unter einem Auge ein Veilchen. Vielleicht ist das das Bild, was die Szenerie an diesem Freitagabend in dieser Kirche in Hörde am treffendsten einfängt: eine verwundete Jugend.
Ein Abend für das Opfer
Die gerade eben 15-Jährige, wegen der alle hier sind, starb eine Woche zuvor einen sinnlosen Tod, die Täterin, ein Jahr älter, sitzt in Untersuchungshaft und sie, so viel ist inzwischen klar, hat mehr als einmal zugeschlagen. Wie oft, ist unklar, die Staatsanwaltschaft schweigt, weil sie muss. Jugendliche sprechen, wahrscheinlich, weil sie auch müssen, und sie sagen, längst nicht alles, was die Täterin getan habe, sei auch angezeigt worden. Aus Angst.
Doch dieser Freitagabend gehört nicht ihr, er gehört dem Opfer. Jason steht vorne und spricht: „Wenn sie strahlte, lachte die ganze Welt.“ Hier ist er gut zu verstehen und das, was er, was andere sagen, ist eine einzige Liebeserklärung an ein Mädchen, das jetzt fehlt.
Lehrer würden sich vermutlich eine solche Ruhe wünschen
Während vorne die Texte verlesen werden, ist es in der Kirche sehr ruhig. Lehrer würden sich vermutlich eine solche Ruhe wünschen. Und Pfarrer und Pastöre so volle Kirchen mit so vielen jungen Menschen. 200 werden es sein, die sich hier versammelt haben.
Ein selbstkomponiertes Lied wird vorgetragen und wenn der alte Spruch stimmt, dass ein Mensch erst dann tot ist, wenn niemand mehr an ihn denkt, dann wird die 15-Jährige, die genau vor einer Woche in Hörde starb, noch lange leben.