Mineralwasser-Verkostung

Wasser-Sommelière: „Mit dem falschen Wasser kann man einen Wein ruinieren“

Mineralwasser wird als Lebensmittel noch zu oft unterschätzt, findet Annika Kosubek. Die 25-Jährige ist Wasser-Sommelière. Uns zeigt sie, worauf man bei der Wahl seines Wassers achten muss.

Dortmund

, 16.10.2022 / Lesedauer: 4 min

Es ist ziemlich leicht, Annika Kosubek auf 180 zu bringen: Man muss ihr nur erzählen, dass man einen Sodastream hat. Dann schießen die Augenbrauen der 25-Jährigen in die Höhe und die Argumente nur so aus ihrem Mund.

Kosubek käme nie in den Sinn, zuhause Leitungswasser mit Kohlensäure anzureichern, anstatt Mineralwasser zu kaufen: „Leitungswasser ist künstlich mit Chemikalien aufbereitet, um es trinkbar zu machen, es kommt nicht aus einer natürlichen Quelle“, sagt sie.

Außerdem sei die Unbedenklichkeit von Leitungswasser nur bis zu den heimischen Rohren gewährleistet - und man wisse nicht immer, was in denen alles an Kalk oder anderem stecke.

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Annika Kosubeks Abneigung kommt nicht von ungefähr. Die Duisburgerin arbeitet für den Mineralwasser-Produzenten Hövelmann, dem neben Marken wie Rheinfels oder Römerwall auch die Dortmunder Ardey-Quelle in Derne gehört.

Doch Kosubeks Leidenschaft für Wasser geht über den reinen Job hinaus: Seit 2021 führt sie nach einer Weiterbildung an einer Münchner „Genussakademie“ zudem den Titel einer „Wasser-Sommelière“.

In dieser Funktion sitzt sie an einem sonnigen Herbstnachmittag im ersten Stock des zweckmäßig-schmucklosen Firmensitzes der Ardey-Quelle am Rand von Derne. Während unten im Erdgeschoss die Abfüllanlage 36.000 Glasflaschen pro Stunde mit Quellwasser aus den 60 bis 100 Meter unter dem Firmengelände liegenden Brunnen befüllt, will Kosubek hier demonstrieren, dass Wasser nicht gleich Wasser ist.

36.000 Flaschen pro Stunde werden bei Ardey in Derne pro Stunde abgefüllt. © Oliver Schaper (Archivbild)

Das landläufige Wissen über Wasser als Lebensmittel ist - nun ja - eher rudimentär ausgeprägt. Während in Deutschland abertausende Hobby-Brauer mit Verve über die Geschmacksnuancen einzelner Hopfensorten fachsimpeln oder Wein-Kenner ihre Nasen in bauchige Rotwein-Gläser stecken, um den unterschiedlichen Bouquets der edlen Tropfen auf den Grund zu gehen, gilt Mineralwasser oft als austauschbar und gleichschmeckend.

Doch das ist falsch, sagt Kosubek: „Jedes Mineralwasser ist einzigartig.“ Denn über jeder Quelle liegen unterschiedliche Gesteinsschichten, die dem Wasser ihren individuellen Mineralien-Cocktail mitgeben, während es durch sie hindurchsickert.

Nimmt das Wasser auf dem Weg durch den Boden beispielsweise viel Natrium oder Hydrogencarbonid auf, ist es eher salzig. Ein Wasser aus Slowenien namens Rogaška ist Kosubek aus ihrer Ausbildungszeit besonders im (Zungen-)Gedächtnis geblieben: „Das war, als ob man einen Schluck Meerwasser trinkt.“

Hat das Wasser einen hohen Eisengehalt, könne es im Extremfall wie Blut schmecken, und „Magnesium wird je nach Person bitter oder süß wahrgenommen“, erklärt Kosubek weiter. Calcium hingegen „ist geschmacklos, macht aber den Mund etwas pappig-trocken“.

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Wie ihre Wein- und Bier-Kolleginnen und -Kollegen hat die Wasser-Sommelière Kosubek viele schöne Worte auf Lager, um die unterschiedlichen Charakteristiken von Mineralwassern zu beschreiben: Ist der Geschmack salzig, bitter oder süß? Hat der Duft eine schwefelige oder gar eine fruchtige Note? Und wie verhält sich die Kohlensäure im Wasser: moussierend, spritzig oder lebendig?

In der gehobenen Gastronomie sei es gang und gäbe, sich gründliche Gedanken zu machen, welches Wasser man serviert, sagt Kosubek - was auch eine Aufgabe von Wasser-Sommerliers sei.

Annika Kosubek präsentiert eine Flasche Ardey-Mineralwasser in der großen Lagerhalle der Dortmunder Ardey-Quelle. Kosubek arbeitet für das Mutter-Unternehmen des Dortmunder Brunnens. © Thomas Thiel

„Als Aperitif würde ich zum Beispiel immer ein Mineralwasser mit möglichst viel Kohlensäure empfehlen“, erklärt sie. „Die Kohlensäure-Perlen öffnen die Geschmacksknospen auf der Zunge und bereiten sie auf den ersten Gang vor.“ Nach dem Essen biete sich als Digestif hingegen ein Wasser mit viel Hydrogencarbonat an. „Das regelt den Säure-Basen-Haushalt im Körper.“ Der wiederum ist wichtig, damit der Stoffwechsel gut funktioniert.

Wie stark ein Mineralwasser das Geschmackserlebnis beeinflussen kann, demonstriert Kosubek bei einer kleinen Verkostung. Sie macht ein Glas Rhabarbersaft-Schorle und benutzt dafür ein kohlesäurehaltiges Ardey-Classic. Die Schorle behält ihre Rhabarbersaft-Farbe, auch der Rhabarber-Geschmack ist deutlich zu schmecken.

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Dann macht die Wasser-Sommelière ein zweites Glas, diesmal mit dem Mineralwasser eines Konkurrenten (welches, dazu schweigt Kosubek - man wolle weder Werbung für den Mitbewerber noch sein Wasser schlecht machen, sagt sie). Und tatsächlich, ein anderes Ergebnis: Je länger die Schorle steht, desto milchiger wird es. Auch schmeckt sie flacher, weniger nach Rhabarber.

Das, erklärt Kosubek, liegt an dem unterschiedlichen Mineraliengehalt: Je mehr Mineralien ein Wasser habe, desto schlechter sei es für Schorlen geeignet, desto mehr überlagere es den Geschmack des Saftes. Das Ardey-Wasser mit seiner etwas niedrigeren oder „ausgewogenen“ Mineralisierung, wie Kosubek es nennt, unterstütze die Frucht besser.

Der Schorlen-Test: Die Rhabarbersaft-Schorle links ist ein bisschen milchiger als die rechte. Verantwortlich dafür ist die höhere Mineralisierung des benutzten Mineralwassers links. © Thomas Thiel

Der gleiche Effekt stellt sich bei Wein ein. Während ein „ausgewogenes“ Mineralwasser, das bei der Verkostung abwechselnd mit einem Wein getrunken wird, den probierten Rotweins nicht verfälscht, legt sich das stärker mineralisierte Wasser wie ein Film über den Wein-Geschmack: Es „graut“ den Rotwein gewissermaßen aus. „Mit dem falschen Wasser kann man einen Wein ruinieren“, urteilt die Wasser-Sommelière.

Was generell ein richtig gutes Mineralwasser ausmacht, kann aber auch die Wasser-Sommelière nicht sagen: „Das kommt auf die einzelnen Geschmäcker an. Ich persönlich mag eine ausgewogene Mineralisierung.“ Es lohne sich aber, auf die Suche nach „seinem“ Wasser zu gehen. Sie schmeckten schließlich nicht alle gleich.

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