In der Türkei blicken Millionen Menschen auf den 14. Mai (Sonntag). Gleichzeitig werden Ministerpräsident und Parlament gewählt. Das hat auch Auswirkungen auf Dortmund.
Nach bisherigen Umfragen könnte Amtsinhaber Recip Tayyip Erdogan die Mehrheit verlieren. Es käme zu einer Stichwahl um das Amt des Staatsoberhaupts mit dem stärksten Oppositionskandidaten Kemal Kilicdaroglu.
Der Ausgang besitzt Relevanz für die rund 20.000 Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft, die in Dortmund leben. Die über 18-Jährigen unter ihnen dürfen ihre Stimme abgeben.
Wahllokal Westfalenhalle?
Um die Wahlbeteiligung unter Türken im Ausland (zuletzt 46 Prozent) zu erhöhen, gibt es Neuerungen. So können die Menschen in „Außenbezirken“ auch außerhalb der Generalkonsulate wählen.
In Dortmund wird sich das Wahllokal voraussichtlich in den Westfalenhallen befinden. Dort können die Menschen bereits vier Wochen vor der Wahl abstimmen.
Polarisierter Wahlkampf
Der Wahlkampf in der Türkei verläuft nach Aussagen von Beobachtern stark polarisierend. Für viele gilt die Abstimmung als „Schicksalswahl“. Ein Bündnis von sechs zum Teil sehr unterschiedlichen Oppositionsparteien kratzt an der Macht von Erdogan und seinem Bündnis aus den Parteien AKP und MHP.
Es hatte im Vorfeld Bedenken gegeben, dass diese Stimmung auch auf Deutschland überschwappen könnte.
Es gab zudem Auseinandersetzungen am Rande einer pro-kurdischen Demonstration in der Nordstadt.
Keine Provokationen
In NRW und in Dortmund im Speziellen war es in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten zwischen liberal und konservativ-nationalistisch eingestellten türkischen Zuwanderern gekommen.
Bisher ist das im Umfeld der Wahl ausgeblieben. „Ich habe bisher keine Provokationen oder Aggressionen wahrgenommen“, sagt Caner Aver, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen.
Das sei auch eine Lehre aus vergangenen Wahlen, weil keine Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker mehr zugelassen sind.
AKP-Mehrheit im Ruhrgebiet
Der Dortmunder SPD-Landtagsabgeordnete Volkan Baran bestätigt diesen Eindruck. „Es ist extrem ruhig, auch von einschlägiger Seite“, sagt er. Und fügt hinzu: „Es ist ein bisschen zu ruhig.“
In NRW und im Ruhrgebiet hatte Erdogans AKP zuletzt eine deutliche Mehrheit der Stimmen erhalten.
„Es geht im Ausland eher um eine ideologische Nähe, um Zugehörigkeit für Menschen, die sich hier nicht zugehörig fühlen“, sagt Caner Aver.
Der Anteil politisch Verfolgter oder wegen der Wirtschaftslage als Fachkräfte aus der Türkei nach Deutschland ausgewanderter Personen ist gestiegen - das könnte sich auf das Wahlverhalten auswirken.
Basis-Wahlkampf
Die äußerliche Ruhe bedeutet nicht, dass es gar keinen Wahlkampf in Dortmund gibt. So dokumentieren etwa Ableger der AKP in sozialen Medien Veranstaltungen im Ruhrgebiet. Basis-Arbeit in kleinen Begegnungsstätten ist dort zu sehen.
Aktivitäten gibt es auch von Seiten der Opposition.
Je näher die Wahl rückt, desto häufiger ist eine andere Befürchtung zu hören. „Ich glaube nicht, dass die Erdogan-Seite eine Wahlniederlage einfach so hinnehmen würde“, sagt Volkan Baran.
2018 hatten AKP-Anhänger ihren Sieg lautstark gefeiert. Für den Abend des 14. Mai halten Baran und andere solche „Kraftdemonstrationen“ in der Türkei und auch außerhalb für möglich – dann aber womöglich aus anderem Grund.
Die türkischen Wahlberechtigen im Ausland machen rund 5 Prozent der Gesamtmasse aus. Auf die Wahlbeteiligung umgerechnet haben sie einen Anteil von rund 2,5 Prozent am Wahlergebnis. Das ist nicht viel, kann aber bei knappem Ausgang wie zuletzt 2018 eine Rolle spielen.
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