Antrag sorgt für Eklat in Dortmunder Lokalparlament Grüne werfen SPD „Tabubruch“ vor

Antrag sorgt für Eklat in Huckarder BV: Grüne werfen SPD „Tabubruch“ vor
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Es war ziemlich sicher, dass dieser 19. Oktober eine Zäsur sein wird, dass Althergebrachtes sich neu ordnet: Mitten in der Wahlperiode hatte die Huckarder Bezirksvertretung einen neuen Bezirksbürgermeister wählen müssen. Harald Hudy war so schwer erkrankt, dass er zu Ende September von seinem Amt zurückgetreten war. Mittlerweile ist er verstorben.

Die Wahl endete mit einer faustdicken Überraschung. Hudy war Mitglied der SPD. Seine Fraktion, die der Grünen und der CDU hatten sich nach der letzten Kommunalwahl 2020 auf ihn als Bürgermeister im Vorfeld schon verständigt. Ganz im Sinne des sogenannten „Huckarder Modells“, einem nach Kompromissen suchenden Politik-Stil, den die Bezirksvertretung jahrelang pflegte: Im Vorfeld einigten sich meist die großen Parteien auf die großen Linien, damit man sich in den Abstimmungen nicht im Klein-Klein verliert.

Bezirksbürgermeister Peter Spineux (CDU) und sein Stellvertreter in der BV Huckarde im Oktober 2022
Peter Spineux (CDU) ist seit der Neuwahl im Oktober Bezirksbürgermeister in Huckarde, sein Stellvertreter ist Stefan Keller (SPD). © Natascha Jaschinski

SPD stellt sich neu auf

Am 19. Oktober dann ein böses Erwachen für die SPD: Nicht ihr Kandidat, sondern der CDU-Politiker Peter Spineux wurde mit 9 zu 7 Stimmen zum neuen Bezirksbürgermeister gewählt. Er hob noch am selben Abend hervor, wie wichtig es sei, weiterhin am „Huckarder Modell“ festzuhalten. Doch gleich in der anschließenden Sitzung wurde der Ton rauer.

Und kurz vor der nächsten Sitzung am Mittwoch (30.11.) ließ die SPD-Fraktion per Pressemitteilung auch wissen, das sich künftig etwas ändern werde in ihrer Politik. Zum einen stellt sich die Fraktion neu auf. Neuer Fraktionsvorsitzender ist Eckard Knaebe. Er folgt auf Stefan Keller, der nun stellvertretender Bezirksbürgermeister ist. Zum anderen kündigten die Sozialdemokraten die Zusammenarbeit „im Rahmen der Kooperation mit den Grünen und der CDU“ auf. Mit der Wahl Spineux‘ hätten CDU und Grüne diese Kooperationsvereinbarung ohnehin schon gebrochen, so die SPD.

Hinzu komme, dass mit der Kandidatur des Grünen-Politikers Kaan Eker für das Amt des ersten stellvertretenden Bürgermeisters die SPD komplett aus der Bezirksbürgermeisterebene hätte herausgekegelt werden sollen. Ein Verhalten, das die SPD zu dem Schluss kommen lasse: „Das Vertrauen ist nicht mehr vorhanden“, so SPD-Mann Ali Echargui. Man wolle zwar gerade bei großen Themen wie dem Bezirkshaushalt möglichst zusammenarbeiten. Doch nicht um „jeden Preis“.

Eckhard Knaebe, SPD-Fraktionsvorsitzender in Huckarde, mit seinen Parteigenossen Gerhard Hendler (l.) und Ali Echargui am Rande der BV in Huckarde
Neuer Fraktionsvorsitzender der SPD in Huckarde ist Eckhard Knaebe (M.), er wird unterstützt von Gerhard Hendler (l.) und Ali Echargui. Zum neuen Team gehört außerdem Petra Stüker. © Natascha Jaschinski

Antrag sorgte für Wirbel

Dass die Harmonie-Zeiten vorbei sind, merkte man auch in der jüngsten Bezirksvertretung am Mittwoch (30.11.) wieder deutlich: Die Politiker gingen sich ungewohnt häufig an. Meist ging es um Kleinigkeiten – wie fehlende Begründungen in Anträgen oder die genaue Wortwahl mancher Schriftstücke. Ein Antrag sorgte dann für richtig großen Wirbel und hitzige Wortwechsel.

Aufgeführt ist er unter Tagesordnungspunkt 11.2.1 und sein Inhalt ist ganz typisch für Bezirksvertretungen: Die Stadt wird aufgefordert, einen kleinen Spazierweg in Kirchlinde wieder herzurichten, ihn begehbar zu machen und mit Streuobstbäumen aufzuwerten. Soweit, so harmlos. Es war auch nicht der Inhalt, der für Aufregung sorgte, sondern die Antragsteller: Eingereicht hatte diesen Antrag die SPD gemeinsam mit dem einzigen Vertreter vom „Bündnis für Vielfalt und Toleranz“ (BVT) in der BV: Erol Bagci.

Claudie Brückel, Vorsitzende der CDU-Fraktion, in der Bezirksvertretung in Huckarde
Kann ebenfalls nicht verstehen, wie die SPD einen Antrag gemeinsam mit dem Bündnis für Vielfalt und Toleranz stellen kann: Claudia Brückel, Vorsitzende der CDU-Fraktion. © Natascha Jaschinski

Kritik an BVT-Politiker

Damit hatten die Grünen, aber auch CDU wie Linke große Probleme. Eker warf Bagci „antidemokratische Tendenzen“ vor und forderte von ihm „ein Bekenntnis zu westlich-demokratischen Wertvorstellungen“. Diese sprach der Grünen-Politiker dem BVT-Mann ab. Die BVT sei eine Initiative, die sich mehrheitlich aus erdogan-treuen Türken zusammensetze, die in der Türkei mitunter „islamistische und zum Teil radikale Ansichten“ verträten.

Auch Bagci sei „bekennender Erdogan-Anhänger“, so Eker. Er bezieht sich dabei auch auf das Facebook-Profil des Politikers, auf dem ein Foto Bagcis mit einem Erdogan-Banner zu sehen ist. Dass die SPD mit Bagci zusammenarbeite sei ein „Tabubruch“, so Eker. Erdogans Politik unterdrücke Minderheiten. CDU-Fraktionsvorsitzende Claudia Brückel sprang Eker während der BV bei: „Ich würde auch keinen Antrag von jemandem unterstützen, der sich mit Herrn Höcke (AfD) auf Instagram zeigt“, sagte sie.

Bagci: An den Pranger gestellt

Erol Bagci zeigte sich völlig überrascht von den politischen Angriffen gegen ihn: „Ich verstehe überhaupt nicht, warum ich jetzt hier am Pranger stehe“, sagte der Politiker. Auch Frank Führer, Geschäftsführer der Bezirksvertretung, machte noch mal deutlich, dass alle BV-Mitglieder nach ihrer Wahl auf das Grundgesetz und die deutsche Rechtsordnung verpflichtet werden.

„Da stehe ich auch zu“, sagte Bagci. Und fügte hinzu: Er sei „mulitkulti“. „Rechtstendenzen habe ich nicht.“ Das könne er nur unterstreichen, sagte auch der neue SPD-Fraktionsvorsitzende Eckhard Knaebe. Jahrelang sei Bagci Mitglied der SPD gewesen. Dass er nun so angegriffen werde, sei eine „Verunglimpfung“.

Der Antrag für die Aufwertung des Kirchlinder Spazierwegs wurde letztlich angenommen mit den Stimmen der SPD und der des BVT.

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