Was bleibt nach drei Jahren Corona? Pandemie wirkt in Dortmund noch immer nach

Was bleibt von Covid-19: Corona war so teuer wie zwei Phoenix-Seen
Lesezeit

Es war einmal eine Pandemie. Seit März 2023 sind alle Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus Vergangenheit.

Seitdem wird abgeschaltet: Erst die Warn-App, dann das „Dashboard“ des Robert-Koch-Instituts, jene digitale Zahlentafel, auf die über Monate viele jeden Tag geschaut hatten.

Wie es aktuell um die Infektionslage in Dortmund steht, ist also gar nicht mehr seriös zu beantworten. Niemand findet das schlimm.

In Dortmund ist eines der nachhaltigsten Symbole für die Krise immer noch an vielen Hauswänden für jeden sichtbar. Ein Gang über die Kaiserstraße oder die Lindemannstraße führt vorbei an mehreren „Corona-Geistern“.

Im April 2020, mitten im ersten Lockdown, waren die wurmartigen Wesen mit Mundschutz erstmals aufgetaucht. Ihr anonymer Urheber verteilte rund 500 davon in der ganzen Stadt. Viele sind heute immer noch da.

Vergessene Schilder

Sie funktionieren weiterhin als starke Metapher. Denn auch das Virus hat mehr als drei Jahre nach den ersten Fällen in Dortmund etwas Geisterhaftes. Es ist nicht sichtbar. Aber doch schwebt es über vielen Dingen, weil die Krise in viele Bereiche der Gesellschaft hineingewirkt hat.

Was bleibt also von Corona, außer Graffiti an Fassaden und ein paar vergessene „Bitte Abstand halten“-Schildern in Geschäften?

Man sollte bei den Menschen beginnen, für die Covid nicht verschwunden ist. Geschätzt mehrere Hundert Dortmunderinnen und Dortmunder – genaue Zahlen gibt es nicht – leiden bis heute an den Folgen einer Infektion. Viele therapieren noch immer die sogenannte ME/CFS-Erkrankung als Nachwirkung des Virus, häufig mit sehr langsamem Fortschritt.

Viele bewegende Geschichten sind darunter. Die des einst topfitten Familienvaters, der mit Anfang 30 unter Dauerschöpfung leidet. Oder die einer jungen Musikerin, deren Bandprojekt auf einem hoffnungsvollen Weg war, die aber heute nicht mehr in der Lage ist, ihrer Leidenschaft nachzugehen.

Keine Long-Covid-Ambulanz

Es muss für diese Menschen wie ein Hohn wirken, dass in Dortmund eine äußerst stark nachgefragte Long-Covid-Ambulanz am Krankenhaus Lütgendortmund 2022 schließen musste. Nicht, weil es keinen Bedarf gegeben hätte. Sondern weil sich keine Ärztinnen und Ärzte für den Betrieb gefunden haben.Wer über das Bleibende spricht, muss über Geld sprechen. Mehr als 440 Millionen Euro Kosten hat die Stadt für die Corona-Krise veranschlagt. Auswirkungen auf den Haushalt wird das nach geltender Gesetzeslage ab 2024 haben, ab 2026 vermutlich mit voller Kraft.

Ein Corona-Geist an der Lindemannstraße: Mehrere Hundert dieser Graffiti sind in der Pandemie-Zeit in Dortmund entstanden. Viele sind im Juni 2023 immer noch zu sehen.
Ein Corona-Geist an der Lindemannstraße: Mehrere Hundert dieser Graffiti sind in der Pandemie-Zeit in Dortmund entstanden. Viele sind im Juni 2023 immer noch zu sehen. © Felix Guth

Es gibt „Aufholeffekte“, weil etwa Steuereinnahmen wieder steigen. Doch die gigantische Summe, die circa zweimal den Baukosten des Phoenix-Sees entspricht, wird noch auf Jahre den Handlungsspielraum der Kommune beeinflussen.

Wenn es um Corona-Folgen geht, geht es immer um „die Wirtschaft“. Dortmund hatte im Juni 2023 eine Arbeitslosenquote von 11,2 Prozent (36.221 Personen). Das ist rund ein Prozentpunkt mehr als 2019. „Stabil“ sei der Dortmunder Arbeitsmarkt, hatten die Verantwortlichen an mehreren Stellen immer wieder betont.

Neue Jobs und Leerstände

Zuletzt vermeldete die Wirtschaftsförderung Dortmund, dass so viele Menschen wie noch nie in Dortmund sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind (260.680). Jeder Fünfte arbeitet in der Gesundheitsbranche. Hier entstanden 2022 allein über 1300 zusätzliche Jobs.

Die Zahlen sind die eine Seite der Wahrheit. Die andere sind auffällige Leerstände in der Innenstadt.

Den Schock mit plötzlichen Umsatzausfällen und Verlust ihrer Grundlage haben viele Unternehmerinnen und Unternehmer noch überstanden. Aber das Aus kommt trotz aller Corona-Anstrengungen mit Verzögerung.

Die Industrie- und Handelskammer Dortmund (IHK) folgert im „Handelsreport Ruhr“: „Massenhafte Schließungen nach den Lockdowns sind offenbar ausgeblieben, allerdings zeigen sich inzwischen die Folgen des stark gewachsenen Onlinehandels immer deutlicher.“

Zwar entstand neue Verkaufsfläche – allerdings deutlich weniger als in den Jahren vor Corona. Vor allem große Märkte in den Bereichen Mode und Unterhaltungselektronik haben Probleme. Die Schließung von „Conrad“ (2021), „Lütgenau“ (2021) oder Appelrath & Cüpper (Ende 2023) sind prominente Beispiele aus Dortmund.

Kneipen verschwinden

Gastronomie und Veranstaltungsbranche stehen ebenfalls auf der Liste der „Verlierer“. In Dortmund lässt sich das unter anderem an dieser Zahl ablesen: Zwischen 2019 und 2021 hat die Stadt mehr als 100 Kneipen, Discos oder Bars verloren.

Etwas mehr als 300 solcher Einrichtungen gibt es noch. In der jüngeren Vergangenheit sind weitere Schließungen hinzugekommen – auch weil sich nach Ende der Pandemie eben nicht alle Probleme von allein aufgelöst haben. Sondern mit Energiekrise oder Personalmangel neue hinzu gekommen sind.

Mund auf, Stäbchen rein, auf das Ergebnis waren: Mehr als zwei Jahre lang war das der Alltag in Teststationen wie hier am oberen Westenhellweg. Das Ladenlokal steht leer.
Mund auf, Stäbchen rein, auf das Ergebnis waren: Mehr als zwei Jahre lang war das der Alltag in Teststationen wie hier am oberen Westenhellweg. Das Ladenlokal steht leer. © Felix Guth

Die Pandemie hat viele auch ein „neues Arbeiten“ im Homeoffice ausrufen lassen. Was ist daraus geworden? Gut ein Viertel der Betriebe bietet immer noch regelmäßige Tage außerhalb des Büros an. Vielerorts ist die Rückkehr an den Arbeitsplatz aber spätestens seit dem Ende der Schutzmaßnahmen wieder verpflichtend.

Büromarkt in Bewegung

Das deckt sich mit der Entwicklung auf dem Dortmunder Büromarkt. Die Summe der vermieteten Flächen liegt laut Erhebungen der Bank BNP Paribas auf einem stabilen Niveau. Einen großen Anteil daran haben Neuvermietungen an die Dortmunder Stadtverwaltung.

Von Corona bleibt noch mehr, was eigentlich niemand haben möchte. Mehrere hundert offene Bußgeld-Verfahren etwa, wegen Verstößen gegen die jeweils gültigen Schutzverordnungen. Oder leerstehende ehemalige Testzentren, die nur noch eine Erinnerung an die gar nicht so gute alte Zeit sind.

Inflation im Freibad?: So viel kosten die Freibad-Pommes dieses Jahr in Dortmund

Großes Modehaus in Dortmund soll schließen: Am Westenhellweg ist Ende 2023 Schluss

Ältester Dortmunder Bioladen kämpft ums Überleben: „Wir haben uns plötzlich gefragt: Wo bleiben die