Ältester Dortmunder Bioladen kämpft ums Überleben „Wir haben uns plötzlich gefragt: Wo bleiben die Kunden?“

Ältester Bioladen der Stadt ist in Not: „Wir versuchen uns zu halten“
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Die Corona-Krise hat das Kornhaus, Dortmunds ältester Bioladen an der Lindemannstraße 4 im Kreuzviertel, gut überstanden. Während der Pandemie waren Bio-Produkte gefragt. Da im Lockdown nur Lebensmittelgeschäfte geöffnet und die Restaurants geschlossen hatten, gönnten sich die Leute hochwertige Produkte und nahmen sich Zeit fürs Kochen.

„Mit Beginn des Krieges in der Ukraine hat sich das geändert. Wir haben uns plötzlich gefragt: Wo bleiben denn die Kunden? Zuerst haben wir gedacht, es läge an uns. Aber dann wurde klar, der Umsatzeinbruch betrifft die ganze Branche“, sagt Esther Brohl (34), die seit einem Jahr mit Stefan Schlepütz (59) das Kornhaus leitet, um es in die Zukunft zu führen.

Die ist allerdings unsicher wie nie. In seiner fast 40-jährigen Geschichte hat der Bioladen eine solche Krise nicht erlebt - auch nicht, als vor rund zehn Jahren die Bio-Kette Denn‘s direkt in der Nachbarschaft einen Supermarkt eröffnete. „Das haben wir gut überlebt, aber jetzt ist die Lage sehr ernst“, so Esther Brohl.

Aufruf an die Kunden

Die Situation ist so ernst, dass die beiden Inhaber einen Aufruf an die Kundinnen und Kunden gestartet haben und um Unterstützung und Spenden bitten. „Das Kornhaus möchte nächstes Jahr 40-jähriges Jubiläum feiern - doch dafür brauchen wir Euch!“, heißt es auf einem Flyer und bei Facebook. Und weiter: „Sprecht über die Krise der Biobranche, sprecht über uns - in euren Familien, eurem Freundeskreis, eurer Nachbarschaft, in der Schule, an der Uni. Macht uns den Laden voll! Ohne euch kein Kornhaus.“

Kostensteigerungen für Energie und Personal und die Kaufzurückhaltung aufgrund der Inflation treffen Bioläden besonders. Bioprodukte werden jetzt vermehrt beim Discounter gekauft, auch umweltbewusste Verbraucher haben ihr Einkaufsverhalten geändert. „Viele Kunden haben uns gesagt, sie müssen jetzt stärker auf die Preise achten. Dabei sind die Preise bei uns gar nicht so stark gestiegen wie im Lebensmittelhandel allgemein. Trotzdem fehlt den Leuten das Geld im Portemonnaie“, sagt Esther Brohl.

Der Deutsche Bauernverband vermeldete zum Jahresende 2022 erstmals einen Umsatz-Rückgang auf dem Öko-Markt. 2021 waren es noch knapp 16 Milliarden Euro, die mit Ökoprodukten umgesetzt wurden, im vergangenen Jahr nur noch 15 Milliarden. Gleichzeitig wurden immer mehr Insolvenzanmeldungen von Bio-Händlern bekannt. Die Bio-Kette Basic zum Beispiel verkündete, sich in einem Schutzschirmverfahren sanieren zu wollen.

30 Prozent aus der Region

Esther Brohl betont, dass im Kornhaus 30 Prozent der Produkte aus der Region, aus einem Umkreis von 75 Kilometern kommen. „Da kommt niemand so schnell dran. Wir haben seit vielen Jahren enge Kooperationen und Lieferketten. Die Biobranche ist gar nicht so stark von der Inflation betroffen, da hier ohne teure und energieintensive Kunstdünger gearbeitet wird. Darüber hinaus unterliegen die lokalen und langjährigen Vertriebspartnerschaften nicht den starken Preisschwankungen am Weltmarkt“, sagt sie.

Trotzdem sorgen vor allem die gestiegenen Energiekosten und ein deutlicher Umsatzrückgang für eine existenzbedrohende Situation. Kurz vor dem Sommerloch steht das Kornhaus auf der Kippe. In den Ferien werden daher die Öffnungszeiten auf 9 bis 18 Uhr, samstags auf 8 bis 16 Uhr (statt jeweils bis 20 Uhr) verkürzt.

„Am Strom können wir nicht weiter sparen, das machen wir aus Überzeugung sowieso schon. Wir versuchen einfach“, so Esther Brohl, „die Preissteigerungen nicht direkt an die Kunden weiterzugeben und so die Preise stabil zu halten.“ Dass der kleine Bioladen grundsätzlich teurer sei als Bio im normalen Supermarkt – das stimme einfach nicht: „Bei Obst und Gemüse sind wir oft billiger, auch weil wir eben regional kaufen“, erklärt die Co-Inhaberin.

30 Prozent der Produkte, die Esther Brohl im Kornhaus in Dortmund anbietet, stammen aus einem Umkreis von nur 75 Kilometern. „Wir stellen Nachhaltigkeit, Regionalität und Qualität an die erste Stelle“, sagt sie.
30 Prozent der Produkte, die Esther Brohl im Kornhaus anbietet, stammen aus einem Umkreis von nur 75 Kilometern. „Wir stellen Nachhaltigkeit, Regionalität und Qualität an die erste Stelle“, sagt sie. © Björn Althoff

Personal abzubauen ist für sie und Stefan Schlepütz das letzte Mittel. „Wir haben sieben Beschäftigte, die davon leben. Das sind keine Minijobber. Wir kämpfen und tun alles dafür, unseren Standard zu halten“, sagt Esther Brohl. Im nächsten Jahr will sie unbedingt das 40-jährige Bestehen des Kornhauses feiern: „Wir sehen uns als Stadtteilladen, als Dorfladen in der Stadt - hier trifft man sich, tauscht sich aus. Das muss einfach so bleiben.“

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