Tödlicher Schuss auf 70-Jährigen in Dortmund-Scharnhorst Wann dürfen Polizisten schießen?

Tödlicher Schuss auf 70-Jährigen: Wann dürfen Polizisten schießen?
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Ein Polizist hat am Freitag (14.3.) in Dortmund-Scharnhorst auf einen 70-jährigen Mann geschossen. Wenig später erlag der Dortmunder seinen Verletzungen und starb. Er soll ein Messer in der Hand gehalten haben und soll nach ersten Erkenntnissen auf die Beamten zugelaufen sein.

Zuletzt erschoss ein Dortmunder Polizist im April 2024 einen Menschen in Dortmund. Nach der Schussabgabe durch einen Polizeibeamten auf dem Vorplatz an der Reinoldikirche am 3. April 2024 war ein 52-jähriger Mann ohne festen Wohnsitz gestorben. Ein Polizist hatte einen Schuss abgegeben, nachdem der Mann sich mit einer Eisenstange auf die Polizeibeamten zubewegt hatte.

Damals übernahmen die Ermittlungen, wie im Fall von Scharnhorst nun, die Staatsanwaltschaft Dortmund und das Polizeipräsidium Recklinghausen, als nicht beteiligte Polizeibehörde.

Nach solchen Vorfällen stellt sich die Frage: In welchen Situationen dürfen Polizisten schießen? Diese Frage hat unsere Redaktion dem NRW-Innenministerium zuletzt im August 2022 gestellt. Damals war der 16-jährige Geflüchtete Mouhamed Dramé bei einem Polizeieinsatz in der Dortmunder Nordstadt erschossen worden. Fünf beteiligte Polizisten mussten sich vor Gericht der Frage stellen, ob der Einsatz rechtmäßig war.

Wann Polizeibeamte im Einsatz schießen dürfen, ist in den jeweiligen Landespolizeigesetzen geregelt. Schusswaffen dürften gegen Menschen eingesetzt werden, um etwa eine Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren und wenn „andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges erfolglos angewendet wurden oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen“, hieß es im Sommer 2022 aus dem Ministerium.

Regeln im Polizeigesetz

Im NRW-Landespolizeigesetz wird darüber hinaus noch weiter konkretisiert, wann Polizisten schießen dürfen.

Schüsse sind erlaubt:

  • um ein unmittelbar bevorstehendes Verbrechen zu verhindern, bei dem „Schusswaffen oder Explosivmittel“ eingesetzt werden und

  • um eine Person anzuhalten, die vor einer Festnahme oder Identitätsfeststellung flüchtet, wenn sie dringend verdächtigt wird und „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Schusswaffen oder Explosivmittel mit sich führt“.

Auch um die Flucht von Personen zu verhindern oder sie zu ergreifen, dürfen Polizeibeamte ihre Schusswaffe einsetzen. Voraussetzung dafür ist eine richterliche Entscheidung wegen eines Verbrechens oder des dringenden Verdachts auf ein Verbrechen. Um die Befreiung einer solchen Person zu verhindern, dürfen Beamte ebenfalls ihre Waffe einsetzen. Besondere Regeln gelten außerdem für Menschenmassen. Dort müssen Beamte besonders achtsam agieren.

Ministerium betonte besondere Gefahr von Messern

Da Mouhamed Dramé am 8. August ein Messer in der Hand hielt, bezog sich die Antwort des Ministeriums auch auf ein mit einem Messer bewaffnetes Gegenüber. Auch der Mann in Scharnhorst habe nach Angaben der Staatsanwaltschaft Dortmund ein Messer in der Hand gehalten.

Vom Innenministerium hieß es damals zum Fall Mouhamed, dass gerade bei Messerangriffen der Einsatz einer Schusswaffe nötig sein könne. Da Messer mitunter die gefährlichsten Gegenstände seien, mit denen Personen angegriffen werden könnten. Auf kurze Distanzen sei die Gefahr lebensgefährlicher Verletzungen für Polizisten sehr wahrscheinlich.

„Daher ist der polizeiliche Schusswaffengebrauch oftmals das einzige Mittel, um den Angriff abzuwehren.“ Geschossen werde dann so lange, „bis eine erkennbare Wirkung eintritt und die Angriffsbewegung unterbrochen wird“. Das könne auch mehrere Treffer erfordern.

Der Einsatz „milderer Zwangsmittel“ wie Pfefferspray könne wertvolle Sekunden kosten, in denen ein Angreifer etliche Meter zurücklegen könne. Auch ein Taser sei bei „dynamischen Angriffen“ mit Stichwaffen grundsätzlich keine Alternative zur Schusswaffe. Es bestehe immer die Gefahr von Fehlschüssen.

Den Ablauf des Einsatzes in Scharnhorst soll nun die Polizei Recklinghausen, klären, die, wie in solchen Fällen üblich, die Ermittlungen übernommen hat. Sie hatte nach dem Schuss an der Reinoldikirche, nach den Schüssen auf Mouhamed Dramé und im Fall von Polizeischüssen auf ein Auto an Weihnachten 2022 in der Dortmunder Nordstadt ermittelt.

Anm. d. Red.: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 4. April 2024. Wir haben ihn aufgrund des aktuellen Falls in Dortmund-Scharnhorst aktualisiert und erneut veröffentlicht.

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