Polizist schießt in Dortmund auf Auto „Mein Mandant hat Glück, dass er überlebt hat“, sagt der Opfer-Anwalt

Nach Polizei-Schüssen auf Auto: Opfer-Anwalt bestätigt Anklage gegen Beamten
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Derzeit müssen sich fünf Dortmunder Polizeibeamte vor dem Landgericht wegen des tödlichen Einsatzes im Fall Mouhamed Dramé verantworten. Ein weiterer Beamter könnte bald in einem anderen Fall vor Gericht stehen: Der damals 33-jährige Polizist hatte im Jahr 2022 in der Nacht zum 1. Weihnachtstag mehrmals auf ein Fahrzeug geschossen.

Wie zuerst die „Bild“ am Samstag (10.2.) berichtete, habe die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Dortmunder Polizisten erhoben. Auf Anfrage dieser Redaktion am selben Tag hatte die Dortmunder Staatsanwaltschaft die Anklageerhebung weder bestätigt noch dementiert.

„Nach meinem Kenntnisstand gibt es eine Anklage“, sagt aber Burkhard Benecken am Sonntag (11.2.). Wie der Strafverteidiger mitteilt, werde der Polizist sei der Beamte wegen „versuchter gefährlicher Körperverletzung im Amt und Nötigung“ angeklagt.

Sechs Schüsse auf Fahrzeug

Burkhard Benecken vertritt in der Nebenklage den damals 17-Jährigen, der ohne Führerschein am Steuer eines Mercedes saß. Der Fahrer hatte angeben, aus diesem Grund die Halteaufforderungen der Polizei missachtet zu haben, als diese das Fahrzeug kontrollieren wollte. Neben dem damals 17-Jährigen saß sein damals 18-jähriger Freund, der auch von Benecken vertreten wird.

Als der Streifenwagen nach der missachteten Halteaufforderung die Verfolgung aufnahm und die 17- und 18-jährigen jungen Männer ausgebremst hatte, soll einer der Beamten ausgestiegen sein und auf das Fahrzeug geschossen haben.

Laut Benecken sind mindestens sechs Schüsse abgegeben worden. Wie im Mai bekannt geworden war, waren sie alle aus der Waffe eines Polizisten abgegeben worden. Gegen den zweiten am Einsatz beteiligten Beamten waren die Ermittlungen deshalb eingestellt worden.

Polizei Recklinghausen ermittelt

Die Polizei Recklinghausen, die in dem Fall ermittelt, hatte nach den Schüssen die Situation auf der Leopoldstraße aufwändig nachgestellt und 3D-Modelle von der Position der Fahrzeuge angefertigt.

Für Benecken sei es wegen dieses Aufwands deshalb nicht verwunderlich, dass erst über ein Jahr nach dem Vorfall Anklage durch die Staatsanwaltschaft erhoben wurde. Das Gericht muss nun noch entscheiden, ob es das Hauptverfahren zulässt. Benecken schätzt, dass der Fall dann im Herbst 2024 vor dem Landgericht verhandelt werden könnte. Das sei auch immer abhängig von anderen Verfahren, die bearbeitet werden müssten.

Der Strafverteidiger hatte in der Vergangenheit auch Kritik an der Praxis geübt, dass Polizeidienststellen gegen andere Polizeibeamte ermitteln. In diesem Fall aber sagt er auch mit Blick auf die Staatsanwaltschaft: „Ich habe den Eindruck, dass man in Dortmund sehr fair in beide Richtungen ermittelt hat.“ Im Gericht werde aber die Frage zu stellen sein, ob es sich in diesem Fall um mehr als versuchte Körperverletzung handle.

„Wie ein Horror-Film“

Auch versuchter Totschlag oder Mord seien nach Auffassung des 48-Jährigen denkbar. Benecken macht das an einem Projektil fest, das im Lenkrad des Fahrzeugs stecken geblieben sei. „Mein Mandant hatte Glück, dass er das überlebt hat. Der Polizist hat regelrecht in Wild-West-Manier gehandelt.“

Erst am Sonntagmorgen habe er noch mit dem Vater des damals 17-Jährigen gesprochen, dem das Fahrzeug, auf das geschossen wurde, eigentlich gehört. Dieser wolle wie sein Mandant auch, dass der Fall aufgeklärt werde. „Der Vater war bei der Rekonstruktion durch die Polizei Recklinghausen dabei. Als er gesehen hat, wo die Schüsse eingetreten sind, wurde ihm schwummrig“, erzählt Benecken.

Über seinen Mandanten selbst sagt der 48-Jährige: „Für ihn ist das wie ein Horror-Film, der immer wieder abläuft.“ Der heute 18-Jährige befinde sich wegen des Vorfalls in psychotherapeutischer Behandlung. Gegen ihn läuft ein Strafverfahren wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis. „Das ist noch nicht eingestellt“, sagt Benecken. Er könne sich aber vorstellen, dass es aufgrund der Umstände fallen gelassen werde.

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