Mit Sidy und Lassana Dramé nahmen am Mittwoch erstmals Angehörige des getöteten Mouhamed Dramé am Prozess gegen fünf Polizeibeamte am Landgericht Dortmund teil. Am Mittwoch beantworten die Brüder keine Fragen von Pressevertretern, aber ihre Gesichter sprachen eine deutliche Sprache.
Sichtlich bewegt, saßen sie den fünf Polizeibeamten gegenüber, die wegen des Polizeieinsatzes angeklagt sind, bei dem ihr damals 16-jähriger Bruder getötet worden war. Der wegen Totschlags angeklagte Schütze Fabian S. saß den beiden Männern aus dem Senegal im Saal direkt gegenüber, wich den Blicken der Angehörigen aber aus.
„Ich habe Tränen gesehen“
„Ich habe Tränen gesehen, ich habe geneigte Köpfe gesehen und ich habe ein ebenso betroffenes Gesicht meines Mandanten gesehen“, sagte später auch Christoph Krekeler, der Verteidiger des mutmaßlichen Todesschützen. Dieser besondere Verhandlungstag sei auch nicht spurlos an seinem Mandanten vorbeigegangen.
„Er hat mir gesagt, dass ihn diese Situation auch selbst sehr belastet“, so Krekeler. „Mein Mandant stand heute unter einem erheblichen Druck, er musste den Angehörigen der Familie Dramé in die Augen schauen, die ihren Bruder verloren haben. Auf beiden Seiten habe ich Traurigkeit gesehen.“
Lisa Grüter, Anwältin der Familie, teilte nach dem Prozesstag einen anderen Eindruck. „Man hat ihm nicht angesehen, dass er betroffen war.“ Mit Blick auf die fünf Beamten und ihre Gefühlsregungen, sagte sie: „Das sind Fassaden, die an uns vorbeischauen.“ Grüter ging davon aus, dass bei den beiden Brüdern kurz nach dem Prozess, die Erleichterung überwiege, dass sie es hinter sich haben. „Das wird die beiden mächtig mitgenommen haben“, glaubt die Anwältin.
Aufregung zu Beginn
Während des Prozesses hatte Grüter immer wieder mitfühlend in Richtung der beiden Brüder geschaut. Sie sah den 37-jährigen Sidy Dramé, der Fabian S. zunächst mit festem Blick musterte, seinen Kopf aber senkte, als ihm Tränen in die Augen liefen. Der 24-jährige Lassana Dramé atmete immer wieder tief ein, beugte sich mit dem Blick zu Boden und den Armen auf den Beinen nach vorne.
Sidy und Lassana Dramé standen im Mittelpunkt eines Verhandlungstages, der mit etwas Aufregung begann. Ein Zuschauer zog sich den Unmut von Staatsanwaltschaft und Gericht zu, weil er ein gelbes T-Shirt mit einem Foto des Getöteten und der Aufschrift „Justice for Mouhamed“ trug.
Zunächst weigerte sich der Mann, das Shirt auszuziehen, tat es dann aber auch. Als wenig später die Richter in den Saal kamen, blieb der Zuschauer jedoch als einzige Person im Gerichtssaal sitzen. Es wirkte wie ein stiller Protest gegen die seiner Meinung nach ungerechte Behandlung.

Teile der Akte wurden verlesen
Zeugen wurden am vierten Verhandlungstag nicht vernommen. Der Vorsitzende Richter Thomas Kelm verlas lediglich Teile der Akte. Daraus wurde auch deutlich, dass nach dem tödlichen Einsatz im August 2022 nicht nur die Maschinenpistole und die eingesetzten Taser beschlagnahmt wurden.
Auch die Kleidung des Getöteten, ein Ring und eine Kette befinden sich seit diesem Tag bei der Polizei. In dem Protokoll ist außerdem festgehalten, dass an der Leiche auch die beiden Fäden des Elektro-Tasers gesichert wurden. Mouhamed Dramé sei „der letzte Gewahrsamsinhaber“ gewesen, heißt es in dem Dokument.
Mouhameds Brüder würden die Habseligkeiten des 16-Jährigen natürlich gerne wiederhaben. Auf die Frage von Nebenklage-Anwältin Lisa Grüter, ob sie diese Bitte persönlich vortragen dürften, verwies das Gericht jedoch an die Staatsanwaltschaft und die wiederum zurück ans Gericht.
Nächster Termin am 21. Februar
„Die Kette ist das Letzte, was Mouhamed an seinem Hals trug“, sagte Grüter später. „Sie würden das Schmuckstück gerne mit nach Hause in den Senegal nehmen.“ Dass der Richter nicht zuließ, dass Mouhameds Brüder selbst im Prozess sprechen durften, empfand Grüter als „unglücklich“.
Dass die Kleidung des Toten als Beweismittel jedoch bis zum Abschluss des Strafverfahrens nicht herausgegeben werden soll, kann die Anwältin „natürlich nachvollziehen“.
Beim nächsten Termin am 21. Februar sollen weitere Zeugen der Tat vernommen werden. Richter Thomas Kelm deutete an, dass der Prozess, anders als zunächst angesetzt, länger als bis in den April hinein gehen dürfte.
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