
© Uwe von Schirp
Waltroper Industriegebiet: Fehde unter SPD-Genossen auf einem Acker
Im Dicken Dören
Ende September entscheidet der Regionalverband über das geplante Industriegebiet Im Dicken Dören. Derweil sorgt ein Gerüst für Aufsehen. An der Stadtgrenze kommt es zu einer offenen Fehde.
Die Situation hat geradezu historischen Charakter: Auf einem Acker an der Stadtgrenze von Dortmund zu Waltrop stehen sich am Dienstagabend (25.8.) ein Dortmunder und zwei Waltroper Ratsherren gegenüber und diskutieren vehement. Anwohner aus Groppenbruch stehen im Halbkreis und erleben eine offene Fehde.
Die Szene erinnert ein wenig an Grenzstreitigkeiten aus früheren Jahrhunderten vor den Toren der Stadt. Hier, zwischen Groppenbach und Dortmund-Ems-Kanal, stehen sich drei SPD Politiker unversöhnlich gegenüber.

Der Mengeder Ratsvertreter Torsten Heymann (SPD, r.) und seine Parteigenossen aus Waltrop, die Ratsherren Frank Kwiatkowski (l.) und Detlev Dick (2.v.l.), lieferten sich ein intensives Wortgefecht. © Uwe von Schirp
In Zeiten des Kommunalwahlkampfes entbehrt das nicht einer gewissen Pikanterie. Drei Männer, eine Partei – und doch ist es auch Wahlkampf. Und ein Sinnbild. Aber der Reihe nach.
Grund des Streits ist einmal mehr das von der Stadt Waltrop geplante Industriegebiet „Im Dicken Dören“. Der heutige Acker auf einer ehemaligen Bergehalde soll in absehbarer Zeit Standort für den Spezial-LKW-Hersteller Langendorf werden. Das Waltroper Traditionsunternehmen benötigt mehr Platz. Sein Standort nahe der Innenstadt reicht nicht mehr aus.
Regionalverband entscheidet im September
An diesem Dienstagabend hat das „Aktionsbündnis gegen das Industriegebiet Im Dicken Dören“ zu einer Information für die nur 200 Meter entfernt lebenden Groppenbrucher eingeladen.
Sie wehren sich seit dem Sommer 2018 gegen die Ansiedlung und befürchten einen Verlust an Lebensqualität: durch Licht vom Betriebsgelände, durch noch mehr Lärm und Verkehr. Ihr Protest richtet sich nicht gegen Langendorf, sondern die Stadt Waltrop.

Nur knapp 200 Meter vom Grünzug Im Dicken Dören entfernt liegen die Häuser der Groppenbrucher. Hinter ihren Grundstücken fließt der Groppenbach – die Stadtgrenze von Dortmund und Waltrop. © Uwe von Schirp
Für das Treffen gibt es zwei Anlässe. Am 25. September entscheidet die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr (RVR) über den Waltroper Antrag auf Änderung des Regionalplans. Zuvor wird der Planungsausschuss des RVR am 2. September die Weichen für den Entscheid stellen.
Die Beschlussempfehlung läuft wohl darauf hinaus, dem Waltroper Antrag zu entsprechen. Das lässt Michael Bongartz im Gespräch mit dieser Redaktion durchblicken. „Ich weiß allerdings nicht, wie die Politik votieren wird“, betont der Leiter Regionalplanung beim RVR.
Gerüst soll für die Pläne werben
Der zweite Anlass ist ein gut sieben Meter hohes Gerüst. Seit einigen Tagen steht es auf dem umstrittenen Acker. Große Planen zeigen, was die Stadt Waltrop und Langendorf hier vorhaben. Produktionshallen sind zu sehen, nach Groppenbruch hin eine begrünte Wallanlage.
Waltrops Bürgermeisterin Nicole Moenikes (CDU) hatte das Gerüst bereits im Sommer 2019 gegenüber dieser Redaktion angekündigt. Anlass war der vehemente Widerstand der Groppenbrucher bei einer Bürgerversammlung, an der Moenikes teilnahm.
Die Anwohner sollen mit der Landmarke von der Ansiedlung überzeugt werden. Sie solle „so hoch wie die künftigen Produktionshallen“ ausfallen, sagte Moenikes vor einem Jahr. „Wir sehen das hier als Auftakt der Bürgerbeteiligung“, erklärt nun Waltrops Stadtplaner Andreas Scheiba gegenüber der Waltroper Zeitung.

Nicht der Kanal, sondern erst der Groppenbach bildet die Stadtgrenze zwischen Dortmund und Waltrop. In diesem äußersten Zipfel ihres Stadtgebiets möchte die Stadt Waltrop in 200 Metern Entfernung zur Groppenbrucher Straße Industrie ansiedeln. © Hasken
Am Dienstagabend war von beginnender Überzeugung rein gar nichts zu hören – auch weil das Gerüst nur zwei Drittel so hoch ist wie die geplante elf Meter hohe Produktionshalle. „Für weitere Gespräche hat bis jetzt noch niemand aus Waltrop mit uns Kontakt aufgenommen“, sagt Stefanie Hugot.
Klage vor Gericht zeichnet sich ab
Sie ist Sprecherin des Aktionsbündnisses. Im Änderungsverfahren beim Regionalverband sieht sie die Interessen der Groppenbrucher nicht berücksichtigt. Das Bündnis hatte 1000 Unterschriften gegen das Industriegebiet gesammelt. Auch die Dortmunder Stadtspitze hat sich in einer 50-seitigen Stellungnahme an den RVR gegen die Ansiedlung ausgesprochen.
Unter den 45 Teilnehmern am Dienstagabend befinden sich Mengeder Bezirksvertreter von SPD und Grünen. Jürgen Utecht (Grüne) kündigt für die Bezirksvertretung am 9. September einen weiteren Antrag seiner Fraktion an. Sie bittet die Stadt um Auskunft über deren weiteres Vorgehen – eine mehrfach angekündigte Option auf Klage eingeschlossen.

45 Anwohner aus dem nahen Groppenbruch sowie Mengeder und Waltroper Lokalpolitiker nahmen am Treffen auf dem geplanten Industriegebiet teil. © Uwe von Schirp
Und diese Option werde die Stadt auch ziehen, erklärt SPD-Ratsvertreter Torsten Heymann. Die Stadt werde wohl aber erst gegen einen Bebauungsplan für den Dicken Dören klagen – mit aufschiebender Wirkung. Ein Schachzug: Denn Zeit hat die Firma Langendorf und damit die Stadt Waltrop nicht.
Heymann wiederholt den Dortmunder Standpunkt: Neben dem Schutz der Anwohner gehe es um den Erhalt des Grünzugs an der Stadtgrenze – und damit auch um Naturschutz sowie klimatische Aspekte wie Kaltluftversorgung im dicht besiedelten Ruhrgebiet.
Die Positionen scheinen unvereinbar
Waltrops SPD-Fraktionschef Detlev Dick und Ratsvertreter Frank Kwiatkowski argumentieren mit dem Erhalt von 200 Arbeitsplätzen bei Langendorf. Aggressiv in Ton und Gestik wirft Kwiatkowski den Groppenbruchern „Kirchturmdenken“ vor. „Wollen Sie sich prügeln?“, ruft eine erschrockene Teilnehmerin dazwischen.

Der Waltroper SPD-Ratsvertreter Frank Kwiatkowski und sein Fraktionsvorsitzender Detlev Dick argumentieren vehement für die Umsiedlung der Firma Langendorf. © Uwe von Schirp
Die zeitweilig hitzige Fehde auf dem Acker zeigt, wie unvereinbar die Positionen dies- und jenseits der Stadtgrenze scheinen – und das über Parteigrenzen hinweg. Auch die Waltroper Grünen stimmten für die Umsiedlung von Langendorf in den Dicken Dören. Wie zu hören ist, gab das Halten des größten Industriearbeitgebers den Ausschlag für das Votum.
Im Waltroper Rathaus, auch das ist am Dienstag zu hören, hofft man indes, dass in Dortmund Andreas Hollstein (CDU) Oberbürgermeister wird. Mit ihm wäre es einfacher. „Die Frage einer Klage wäre dann in der Tat offen“, sagt auch Stefanie Hugot vom Aktionsbündnis.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
