Ein Zettel hängt am Zaun vor dem Regenrückhaltebecken an der Somborner Straße in Dortmund. Er stammt von den Haltern der Schafe, die hinter dem Zaun auf dem Gelände des Regenrückhaltebeckens grasen. Der Zettel soll einen Zweck erfüllen: Er soll die „besorgten Bürger“ besänftigen.
„Die Schafe sind bestens versorgt“, steht dort geschrieben, „auch wenn es für sie nicht so offensichtlich ist.“ Dass der Zustand der Schafe unbedenklich ist, sehen in der Tat nicht alle so. Denise Ewers etwa. „Für mich sehen die oft verwahrlost aus“, sagt die Dortmunderin. Um die Tiere werde sich ja kaum gekümmert.
Ewers Tochter besucht die zweite Klasse der unweit entfernten Mörike-Grundschule. „Ich gehe hier also zweimal am Tag entlang“, sagt die Mutter. „Und auch meine Tochter sagt oft: ‚Mama, guck mal, die armen Schafe.‘“ Auch sie habe die Telefonnummer für Notfälle, die auf einem am Zaun angebrachten Zettel zu finden ist, schon einmal gewählt, sagt Denise Ewers.
Wer ist der Halter der Schafe?

Auch wir rufen die Telefonnummer auf dem Zettel an. Es meldet sich Jennifer Jalink. Gemeinsam mit einem guten Freund sorgt sie für die sieben Schafe in Somborn. Sie ist Anrufe von Passanten gewohnt, die sich um den Zustand der Tiere sorgen. „Wir bekommen ständig Anrufe, fahren hin und stellen dann meistens fest: Den Tieren geht es bestens“, sagt Jennifer Jalink.
Erst vor ein paar Wochen hätte jemand beispielsweise behauptet, eines der Schafe läge „halb tot“ auf der Wiese. Daraufhin seien sogar Mitarbeiter vom Dortmunder Veterinäramt ausgerückt, erzählt Jennifer Jalink. „Aber auch die haben gesagt, dass mit den Tieren alles in Ordnung ist.“ Auf dem Zettel am Regenrückhaltebecken steht außerdem, dass die Kontrollen des Veterinäramts regelmäßig stattfinden.
Den Eindruck hat Denise Ewers nicht: „Die Tiere sahen vor ein paar Wochen noch schlimmer aus.“ Außerdem hat sie beobachtet, dass die Schafe kaum beschäftigt werden. „Es macht ja keiner mal etwas mit denen. Die Halter geben denen bloß Futter und fahren dann direkt wieder“, meint sie. Dieser Vorwurf empört Jennifer Jalink geradezu: „Wir sind jeden Tag morgens und abends vor Ort. Wir füttern die Tiere, wir schauen nach dem Rechten.“
Besser als auf dem Schlachthof
Schafe seien gemütliche Tiere, so Jennifer Jalink. „Die wollen ihre Ruhe haben.“ Statt die Halter mit übertriebenen Sorgen in Alarmbereitschaft zu versetzen, sollten die Somborner sich doch freuen, dass die Tiere dort bis an ihr Lebensende grasen könnten. „Also mal ehrlich: Denen geht es da zehnmal besser als auf dem Schlachthof“, sagt Jennifer Jalink.
Sie und ihr Freund, die die Schafe halten, hätten keinen landwirtschaftlichen Berufshintergrund. „Wir hatten früher privat Schafe und das sind dann immer mehr geworden“, sagt Jalink. Dann hätten sie sich bei der Autobahn GmbH Westfalen beworben, zu der das Regenrückhaltebecken in Somborn gehört.
„Die hatten explizit Schafe gesucht, die dort grasen“, erzählt Jennifer Jalink. „Das ist für die Schafe schön, weil sie an der frischen Luft sind und ihre Ruhe haben. Und für die Autobahn GmbH auch.“ Die Schafe seien ja schließlich ein kostenloser Rasenmäher. Diese Funktion erfüllen die mittlerweile sieben Tiere an der Somborner Straße nun seit etwa einem Jahr.
Auf anderen Wiesen hätten sie noch 16 weitere Schafe, erzählt Jennifer Jalink. Ihr ist es wichtig zu betonen, dass sie mit den Tieren kein Geld verdient. „Die Schafe kosten mich im Monat knapp 500 Euro. Also wir machen das sicherlich nicht, um Geld zu verdienen.“
Wir sind doch nicht bei Heidi
Auch auf Facebook war der Zustand der Tiere bereits mehrfach Thema. In Dortmunder Gruppen diskutierten Anwohner teils hitzig über die Schafe. Die einen regten sich über die vermeintliche Verwahrlosung der Tiere auf, die anderen über die vermeintlich übertriebenen Sorgen.

Auch Jennifer Jalink diskutierte mit. „Das hat mich wirklich aufgeregt. Manchen ist offensichtlich so langweilig, dass sie ständig solche Diskussionen anzetteln“, meint sie. Die Vorwürfe, die von den besorgten Passanten kommen, seien völlig haltlos. „Da wird dann gesagt, dass die Tiere verwahrlost sind, weil das Fell dreckig ist“, sagt Jennifer Jalink. „Wir sind doch hier nicht bei Heidi. Ich glaube, die Leute stellen sich das wirklich so vor.“
Dabei sei es ganz normal, dass die Tiere schmutzig würden, da sie draußen auf einer Wiese leben. „Wir können unsere Schafe auch nicht kämmen, wie manche dann gefordert haben, nur damit das Fell schick aussieht“, sagt Jennifer Jalink. Die Tiere wären ohnehin ganz schnell wieder schmutzig und kämen auch so gut klar.
Zu jeder Jahreszeit draußen
Auch die Tatsache, dass die sieben Schafe das ganze Jahr über auf der Fläche draußen sind, hat Kritik hervorgerufen. Das sei aber kein Problem, versichert die Halterin. Außerdem gebe es einen Unterstand für schlechtes Wetter. „Man darf die Schafe halt nicht scheren, bevor es ungefähr 15 Grad warm ist“, sagt Jalink. „Aber das verstehen die Leute ja auch nicht: Wenn das Fell zu lang ist im Winter, sehen die Schafe angeblich verwahrlost aus.“
Sie habe schon alles Mögliche von besorgten Anrufern der Notfallnummer gehört, sagt Jennifer Jalink: „Jetzt, wo die Schafe frisch geschoren sind, rufen die Leute an und meinen, die Tiere seien unterernährt.“ Ob der Zettel die „besorgten Bürger“ tatsächlich aufklärt, bleibt abzuwarten. Bis auf Weiteres wird Jalink wohl erstmal noch den ein oder anderen Anruf bekommen.

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