
In einem Nordstadt-Lokal steht ein uralter Kondomat. Das sorgt für Unmut bei Paul Brühl, Geschäftsführer des Verbands für Automaten-Fachaufsteller. © Benjamin Trilling/VAFA
Uralter Kondomautomat in Nordstadt-Kneipe - selbst der Experte ist erstaunt
Uralt-Kondomautomat
In einem Lokal in der Dortmunder Nordstadt findet sich ein Kondomautomat, der reif für das Museum ist. Unter Automaten-Aufstellern ist die Verärgerung groß über das vernachlässigte Gerät.
Wer das portugiesische Lokal Ti Zé in der Nordstadt betritt, bemerkt es recht schnell: Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Davon zeugen nicht nur die rustikalen Eckbänke oder die Retro-Fliesen an der Theke. Das kleine Bistro versprüht einen gemütlichen Charme, den Liebhaber klassischer Kneipen schätzen.
Ein paar Gäste sitzen am Dienstagmittag auf den Hockern mit abgenutzten Polstern. Zuweilen blickt wer auf den großen Flachbildschirm, auf dem ein portugiesischer Tele-Shopping-Kanal läuft. Die Stimmung ist ruhig. Manche schlürfen Kaffee, andere genehmigen sich bereits ein Bier. Wiederum andere versuchen ihr Glück an den Spielautomaten.
Auf dem WC befindet sich ein echtes Museumsfundstück
Doch das Ti Zé beherbergt auch einen Automaten, der sich als echtes Museumsfundstück entpuppt: An der Wand des Herren-WCs befindet sich ein Kondomat, der offenbar lange nicht mehr bedient wurde. Wer hier mal spontan ein Präservativ kaufen will, kommt nämlich mit Euro nicht weit.
Denn der stählerne Klotz frisst nur D-Mark – genau genommen „Westgeld“, wie eine Gravur über dem Einwurfschlitz nahelegt. Ich will wissen, ob der Automat noch funktioniert. Und frage den Wirt. „Der ist kaputt“, antwortet er. Wie lange, hake ich nach. „Schon lange“, antwortet er.

Präservative nur gegen „Westgeld“: Hier muss man für Kondome noch nach D-Mark-Münzen kramen © Benjamin Trilling
Doch wie alt ist dieser Automat? „Keine Ahnung“, gesteht der Wirt. Aber hinter der Theke verraten sie, dass das Gerät schon immer im WC hing – bereits vor dreißig Jahren, bevor das Ti Zé eröffnete. Immerhin: Am Rand des Automaten befindet sich ein nikotinbeige Etikett des Herstellers „LuGó Warenautomaten“.
Unbekannter Automaten-Aufsteller: „Mir sagt das nichts“.
Darunter befindet sich eine Nummer. Und wer diese eingibt, erfährt, dass die Nummer nicht mehr vergeben ist. Deutlich aufschlussreicher ist dagegen ein Anruf beim Verband Automaten-Fachaufsteller e.V. (VAFA). Zwar sagt auch Paul Brühl vom VAFA über den wohl spanischen oder portugiesischen Herstellernamen: „Mir sagt das nichts“.
Aber Brühl ist bereits seit 1985 in der Branche tätig, entsprechend kennt sich der 72-Jährige aus. Ihm scheint es unwahrscheinlich, dass der Automat aus den 80ern stammt – also jenen Jahren, bevor das Ti Zé hier als Nachmieter einzog. „Viel, viel älter“, sagt er über den Automaten. „Der muss eher aus den 60er, vielleicht sogar aus den 50er-Jahren sein.“
Betriebsbereit? „Es ist eher ein Fall für das Museum.“
Seine Einschätzung zur Betriebsfähigkeit: „Es ist eher ein Fall für das Museum und kann nicht mehr in den Betrieb genommen werden.“ Heute verzichten Automaten-Fachaufsteller teilweise sogar auf den Münzeinwurf, stattdessen gebe es bereits die Möglichkeit, kontaktlos am Automaten zu bezahlen.
Wie viele Kondomautomaten sich in einer Stadt wie Dortmund befinden, könne er jedoch nicht sagen: „Es ist ganz schwer, das einzuschätzen“, so Brühl. „Es gibt ja kein Verzeichnis zu solchen Automaten.“
Ärger über vergessene Geräte: „Es bringt eine Branche in Verruf.“
Dass sich aber solche alten Automaten in Lokalem finden, überrasche ihn nicht. „Es kommt schon mal vor.“ Und es ärgert ihn: „Es bringt eine Branche in Verruf.“
Denn unter Automaten-Aufstellern sei es ein Selbstverständnis, sich regelmäßig um die Wartung und das Sortiment zu kümmern. Oft verursache das einen zwölfstündigen Arbeitstag der Aufsteller, da sie von einem zum nächsten Automaten eilten. Das sei auch wichtig, so Brühl: „Der Aufsteller muss da regelmäßig hin, da legen wir Wert drauf.“
Ähnliches hört man von Dominik Bögershausen, einem Automaten-Aufsteller für das Unternehmen Euro-Mat-West-Automaten Bögershausen. Auch er weiß er um die Wichtigkeit, die Automaten regelmäßig nachzufüllen: „Bei uns wird es so gehandhabt, dass die Automaten jeden Monat neu aufgefüllt werden“, verrät er auf Nachfrage dieser Redaktion.
Beispiel Hövels Hausbrauerei: Ältere Geräte können gewartet werden
Dass alte Kondomate erneuert werden können, weiß Bögershausen aus eigener Erfahrung: Er selbst war für die Installation und Wartung eines Automaten zuständig, der im Untergeschoss der Hövels Hausbrauerei hängt.
Von den Gästen wird dieser Automat rege genutzt. Was viele nicht auf Anhieb erkennen: Auch dieser Kondomat hat ein paar Jahre auf dem Buckel. So ist auf dem Automaten der Preis von fünf D-Mark eingebrannt. Darüber befinde sich jedoch mittlerweile ein Aufkleber, sodass es nicht mehr erkennbar ist.
Doch warum finden Gäste wie im Fall des Restaurants Ti Zé noch so veraltete Automaten? „Es liegt dann einfach an den Aufstellern, die sich nicht mehr darum kümmern“, erklärt Bögershausen, dem die "LuGó Warenautomaten“ ebenso kein Begriff sind: „Noch nie gehört und ich kenne alle Aufsteller, die in Deutschland tätig sind.“
Auch ihm missfällt, dass sich zuweilen verwahrloste Automaten in Lokalen finden. Ihm gehe es daher auch darum, ein „öffentliches Bild zu bereinigen“. Denn solche veralteten Automaten sorgten für ein schlechtes Image, so Bögershausen: „Es ist mir natürlich ein Dorn im Auge, wenn man sieht, wie viele Geräte verkommen.“ Gerade im Ruhrgebiet sei das oft der Fall.
Dabei bedienten sich Gäste regelmäßig an Kondomaten, wie der Aufsteller klarstellt: „Die Nachfrage ist da. Deswegen ist es wichtig, dass es sauber ist und funktioniert.“ Für ihn sei es auch „eine Vertrauensfrage“, dass die Menschen Automaten mit einem frischen Sortiment vorfinden. Im Ti Zé war das lange nicht mehr der Fall – vermutlich seit den 50er-Jahren.
Geboren und aufgewachsen in Essen zog es mich zunächst nach Bochum, wo ich Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaft studierte, bevor ich in Dortmund strandete. Als Kind des Ruhrgebiets schreibe ich nicht nur über die Kultur, sondern auch über die Menschen in der Region.
