Ukrainische Soldaten bei der Befreiung eines ehemals besetzten Dorfes. Die in Dortmund lebende Natalya Panasyuk organisiert weiterhin Hilfe für die Menschen in ihrer Heimat.

Ukrainische Soldaten bei der Befreiung eines ehemals besetzten Dorfes. Die in Dortmund lebende Natalya Panasyuk organisiert weiterhin Hilfe für die Menschen in ihrer Heimat. © dpa/privat

Ukrainerin zur aktuellen Lage: „Man gewöhnt sich nie an solche Nachrichten“

rnKrieg in der Ukraine

Seit fast sieben Monaten tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Nach Ankündigungen aus Russland könnte der Konflikt in eine neue Phase eintreten. Wie denken Ukrainer in Dortmund über die aktuelle Lage?

Dortmund

, 21.09.2022, 20:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Russlands Präsident Wladimir Putin hat eine Teilmobilmachung für 300.000 Reservisten angekündigt und möchte in besetzten Gebieten Scheinreferenden abhalten lassen. In den Wochen zuvor hatten militärische Erfolge ukrainischer Streitkräfte die Schlagzeilen bestimmt.

Wie fühlt sich die aktuelle Lage für die rund 6500 Menschen aus der Ukraine an, die in den vergangenen Monaten nach Dortmund geflüchtet sind oder die schon vorher hier gelebt haben?

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Natalya Panaysuk seufzt und überlegt kurz. Sie ist eine der Initiatorinnen der Gruppe „Blau Gelbes Herz“, die Aktivitäten der Stadt bündelt und nach wie vor Hilfslieferungen organisiert.

Stolz auf die Fortschritte „unserer Jungs“

Sie und viele andere seien „stolz auf die Fortschritte, die unsere Jungs gemacht haben“. Mit „Jungs“ meint sie die ukrainischen Soldaten und spricht die Rückeroberung von besetzten Städten an.

Zugleich reißen die Meldungen schrecklichen Inhalts aus der Heimat nicht ab. „Man kann sich an solche Nachrichten nicht gewöhnen“, sagt Natalya Panaysuk. Viele Menschen erhielten von Bekannten oder Verwandten Berichte und Dokumente über Luftangriffe. „Jeden Tag sterben Menschen, Kinder und Ältere“, sagt Panaysuk, die seit fast drei Jahrzehnten in Dortmund lebt.

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In den befreiten Städten würden Gräueltaten bekannt, die das Ausmaß der im April bekannt gewordenen Verbrechen in Butscha noch übertreffen würden. Es gebe Schilderungen von Vergewaltigungen, auch Männer und kleine Kinder seien betroffen.

Kontakte zu Bekannten im Kampfeinsatz

Die aktuell umkämpften Regionen gehörten zu den ersten, in denen der russische Angriff im Februar begonnen hatte. Entsprechend stammen viele der Geflüchteten, die auch in Dortmund angekommen sind, aus diesen Regionen.

Einige Menschen hätten Kontakte zu Menschen im Kampfeinsatz. Auch sie selbst habe einen Bekannten, der sie regelmäßig informiere, dass er noch lebt. Er sende Bilder aus Schützengräben oder Erdlöchern, ohne den genauen Standort zu verraten, um seine Truppe nicht in Gefahr zu bringen.

Kundgebung und Fest für die Ukraine am Samstag

Es bleibe die Hoffnung, „dass Europa und Welt konsequent bleiben“. Unterdessen läuft die aktive Hilfe für Menschen in den Kriegsregionen weiter. Am Samstag (24.9.) werden auf dem Platz der Deutschen Einheit vor dem Fußballmuseum am Hauptbahnhof zwischen 13 und 17 Uhr mehrere Hundert Ukrainerinnen und Ukrainer zusammenkommen.

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Unter dem Titel „Save Ukraine“ erwartet die Polizei Dortmund rund 400 Teilnehmende. Der Erlös von selbstgemachten Speisen und Spenden fließt in die nächste Hilfslieferung.

Aktuell werden laut Panasyuk besonders im Osten des Landes hauptsächlich warme Kleidung, Schlafsäcke und Decken benötigt. „Ältere Leute, die dageblieben sind, schlafen teilweise neben ihren zerstörten Häusern im Freien.“

Routine beim Kontakt in die Heimat

Veronika Kliutchko gibt seit Beginn des Krieges Deutschunterricht für geflüchtete Menschen. Die Wartelisten seien gefüllt. „Viele sind motiviert, die Zeit hier bestmöglich zu nutzen“, sagt Kliutchko.

Sie beobachtet, dass sich bei vielen Menschen mittlerweile eine Routine eingestellt habe. „Sie rufen morgens in der Heimat an und dann noch einmal abends“, sagt die Dortmunderin. Dies sei notwendig, um sicherzugehen, dass noch alles steht und alle wohlauf sind.

Die Situation sei immer noch angespannt. „Aber man sieht auch wieder den Himmel hinter den ganzen Wolken.“