
Trotz Besuchermangel: Das Theater Dortmund macht vieles richtig
Meinung
Das Schauspiel Dortmund hat keine gute Zuschauerauslastung. Darüber muss man offen reden. Doch das Theater-Team macht vieles richtig, meint unser Autor.
Es war klar, dass dieser Tag kommen würde. Der, an dem im Schauspiel Dortmund die erste Spielzeit „nach“ Corona analysiert werden würde. Was auch immer dieses „nach“ bedeutet.
Die brachte ein Ergebnis, das für Diskussionen sorgt. Dem Schauspiel Dortmund fehlen die Zuschauer – insgesamt und im Vergleich zu den anderen Sparten.
Das sind keine guten, aber auch beileibe keine überraschenden Nachrichten. Kein Kulturveranstalter – ob Musikkneipe oder städtisches Theater – kann noch so planen wie vor 2020. Es gibt nach wie vor viele Hürden bei Personal, Organisation und Kostenfragen. Abgesehen davon, dass ein öffentliches Kulturangebot ohnehin immer ein Subventionsgeschäft bleiben wird.
Kulturmüdigkeit trifft Überangebot
Hinzu kommt eine gewisse „Kulturmüdigkeit“ der Menschen. Wer zwei Jahre nicht im Theater, Konzert oder Kino war, der merkt womöglich irgendwann, dass er ganz gut ohne auskam. Oder fühlt sich erschlagen vom Überangebot, das es plötzlich wieder gibt. Ich gehöre selbst zu denjenigen, die es nicht ins Theater schaffen, weil die Freizeit durch andere Kultur-Dinge ausgelastet ist.
Alle Kulturschaffenden suchen gerade nach einem Weg, wieder relevanter zu werden.
Die Ursache für das Problem meinen derweil manche in Dortmund schnell gefunden zu haben. „Das Neue“ muss es sein. Intendantin Julia Wissert und ihr Team bringen neue Perspektiven in die Dortmunder Theaterarbeit. Beim (Stamm-)Publikum eckt das bisweilen an.
Ein Theater muss anecken
Ich meine: Ein Theater sollte genau das tun. Es sollte nicht bequem sein und sich nach dem Geschmack der Masse richten. Es muss auch Laborarbeit betreiben, neue Ausdrucksformen finden.
Das Schauspiel Dortmund macht in dieser Hinsicht vieles richtig. Es setzt neue Themen. Es wirkt in andere Orte der Stadt hinein und verlässt damit den sprichwörtlichen kulturellen „Elfenbeinturm“.
Das alles sollte kein Selbstzweck sein. Es muss auch beim Publikum funktionieren, denn natürlich geht es am Ende um Zahlen. Aber eben auch um eine Reflexion der Gegenwart und darum, den Zuschauer auf etwas Neues zu stoßen. Das hat mit „verprellen“ aus meiner Sicht nichts zu tun.
Stammpublikum hat Ansprüche
Ein Stammpublikum besitzt berechtigte Ansprüche. Der auf das Wiederkäuen des „Kanons“ gehört nicht dazu.
Es sei an die Anfangszeiten der Intendanz von Kay Voges erinnert. Auch damals fremdelte das Dortmunder Publikum zunächst mit ungewohnten Darstellungsformen. Als dieses dann große Aufmerksamkeit von außerhalb erntete, war man auf einmal stolz aufs Dortmunder Theater.
Die aktuelle künstlerische Leitung des Schauspiels hat dieselbe Chance verdient, sich zu beweisen - und sollte nicht beim ersten Zahlen-Knick abgeschrieben werden.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
