Das Dortmunder Schauspiel ist eben nicht nur ein Experimentallabor für die ganze Stadtgesellschaft, meint Redakteurin Gaby Kolle.

Das Dortmunder Schauspiel ist eben nicht nur ein Experimentallabor für die ganze Stadtgesellschaft, meint Redakteurin Gaby Kolle. © Menne/Schütze (A)

Hören Sie auf, das treue Schauspielpublikum zu verprellen!

rnMeinung

Julia Wissert hat die Intendanz beim Dortmunder Schauspiel in der Pandemie angetreten. Das war ein schwieriger Start, aber nicht nur Corona ist schuld an dem Zuschauerschwund, meint unsere Autorin.

Dortmund

, 30.05.2022, 05:55 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der Ruf des Dortmunder Schauspiels hat beim interessierten Publikum gelitten. Dort kursiert die abfällige Empfehlung: „Wenn du ein Wichtel-Geschenk brauchst, kauf eine Karte für das Dortmunder Schauspiel.“

Aus Kreisen des Theaters hört man, dass Vorstellungen wiederholt nicht, wie vorgeschoben, wegen Corona-Erkrankungen abgesagt werden mussten, sondern wegen mangelnden Interesses. Im Studio etwa habe man die Stühle zehn bis 15 Zentimeter auseinandergeschoben, damit es angesichts der Leere voller aussieht.

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Das ist zwar Geraune, aber auch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Mit 8315 verkauften Karten in den ersten neun Monaten der Spielzeit 2021/2022 kamen weniger als die Hälfte der erwarteten Zuschauer. Auch die Einnahmen von lediglich 92.447,57 Euro liegen 53 Prozent unter dem geplanten Soll und unter den Einnahmen des Kinder- und Jugendtheaters. Das ist sehr ungewöhnlich und gibt Anlass zur Sorge oder zumindest dazu, genauer auf das Malheur zu schauen.

Es liegt am Spielplan

Julia Wissert hat ihren Job mitten in der Pandemie angetreten. Das ist auch eine Wahrheit. Doch es liegt nicht allein an Corona, dass die Zuschauer kaum noch ins Theater kommen, es liegt auch an Julia Wissert und ihrem Spielplan. Sie möchte mit ihrem ambitionierten Programm die LGBTQ-Community, Persons of Color und Leute, die klassische Texte mögen, gleichermaßen ansprechen, das Publikum und auf der Bühne die heterogene Gesellschaft stärker einbeziehen.

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Das Theater, für das sie steht, verfolgt performative Ansätze mit Geschichten ohne roten Faden außer einem bestimmten Thema. Ihr Theater ist interdisziplinär, offen für verschiedene Genres und Diversität, mit der Perspektive von Menschen mit Migrationsgeschichte. Das ist für sich nichts Schlechtes. Doch Julia Wisserts Vision für das Dortmunder Schauspiel ist ein Experimentallabor für die ganze Stadtgesellschaft.

Auf die Inhalte kommen

Es ist okay, wenn man modernes Theater macht. Kay Voges hat es vorgemacht. Das hat auch nicht jedem gefallen, aber er war damit erfolgreich und fand über die Stadtgrenzen hinaus große Aufmerksamkeit und Anerkennung. Julia Wissert hat es bislang nicht geschafft, ihren ganz anderen Kurs den Zuschauern schmackhaft zu machen und mit Qualität und Leistung zu überzeugen. Das Schauspiel ist eben nicht nur Experimentallabor. Lediglich mit einem neuen Begriff von Stadtgesellschaft verprellt man das treue Schauspielpublikum.

Sollen die Besucherzahlen beim Schauspiel wieder deutlich steigen, muss man von den Zahlen auf die Inhalte kommen. Dafür hat Julia Wissert nun einen Anfang gemacht und auch klassische Stücke von Büchner und Shakespeare in den neuen Spielplan aufgenommen. Spätestens dann wird sich zeigen, was die Dortmunder auf der Bühne sehen wollen.