Trauermarsch für Siegfried Borchardt brachte Neonazi-Prominenz nach Dortmund

© Stephan Schütze

Trauermarsch für Siegfried Borchardt brachte Neonazi-Prominenz nach Dortmund

rnRechtsextremismus in Dortmund

Für den verstorbenen Siegfried Borchardt kamen viele bekannte Rechtsextremisten nach Dortmund. Ein Zeichen, dass die Dortmunder Szene noch durchaus gefährlich ist.

Dortmund

, 11.10.2021, 18:09 Uhr / Lesedauer: 2 min

500 Neonazis sind am Samstag (9. Oktober) durch Dortmund marschiert. Der selbst proklamierte Anlass der Neonazis war der Tod von Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt am Sonntag zuvor. Es sollte ein Trauermarsch werden.

Begleitet wurde die Ansammlung der Neonazis von einem großen Aufgebot der Polizei. Hunderte Einsatzkräfte waren am Samstag in Dortmund, sie brachten unter anderem auch zwei Wasserwerfer mit.

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Angemeldet worden waren 250 Teilnehmer; ein Sprecher der Polizei ließ aber am Samstag verlauten, dass man bis kurz vor Beginn des Neonazi-Aufmarschs von „einer vierstelligen Zahl“ von Menschen ausgegangen sei.

500 sind „wenig überraschend“

Dass es letztendlich dann „nur“ 500 Neonazis geworden sind, ist für den Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange ein Erfolg. Denn diese Teilnehmerzahl habe weit unter den Erwartungen der Polizei gelegen.

„Unsere intensive Vorbereitung auf diesen Großeinsatz war erfolgreich und zeigt, dass die rechte Szene in Dortmund geschwächt und überregional zu keiner größeren Mobilisierung mehr fähig ist“, wird Lange in einer Pressemitteilung zitiert.

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Vivianne Dörne von den Quartiersdemokraten – einer Fachstelle für Rechtsextremismusprävention und Demokratieförderung in Dorstfeld – findet es „wenig überraschend“, dass so viele Neonazis nach Dortmund gekommen sind. Siegfried Borchardt „hatte zwar keinen politischen Einfluss mehr, aber wurde weiterhin als Galionsfigur aus Dortmund beworben“, so Dörne.

Kontakte zur Rechtsterroristen

Unter den Teilnehmenden des Trauermarsches befanden sich auch Personen, die Kontakte in das rechtsterroristische Milieu pflegen, sagt Vivianne Dörne. So seien von „Combat 18“ der Europa-Chef William Browning aus Großbritannien und Stanley Röske, einer der führenden Köpfe aus Deutschland, in Dortmund gewesen.

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Die Polizei stellte eine Bauchtasche mit „Combat 18“-Schriftzug bei der Versammlung sicher und leitete ein Strafverfahren gegen den Träger ein. Die internationale Neonazi-Organisation ist im Januar 2020 in Deutschland verboten worden.

Zudem hielt der NPD-Bundesvorsitzende Thorsten Heise die Abschlusskundgebung der Neonazis und rezitierte dabei ein Lied der Hitlerjugend. Auch er wird mit „Combat 18“ in Verbindung gebracht, genauso wie mit dem Netzwerk „Blood and Honour“ und dem NSU.

Kim Schmidt von der Autonomen Antifa 170 (AFA 170) in Dortmund vermutet, „dass im Rahmen der Demonstration nicht nur über Borchardt gesprochen wurde“ – also auch weitere Kontakte nach Dortmund geknüpft oder gepflegt wurden.

Wegzüge und Haftstrafen lösen nicht das Problem

Die Liste bekannter Rechtsextremisten von Organisationen aus dem ganzen Bundesgebiet, die in Dortmund dabei waren, ist lang und wird immer länger. Antifaschistische Gruppierungen identifizieren nach und nach immer mehr Menschen.

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Die Versammlung am Samstag habe zudem gezeigt, wie sehr die Dortmunder Neonazis und auch Borchardt vernetzt sind beziehungsweise waren. Von einer schwächelnden, bröckelnden Szene zu sprechen, hält Vivianne Dörne für „schwierig“.

Es gebe derzeit zwar wenig parteipolitische Aktivitäten aus Dorstfeld, aber nach wie vor eine „hohe Radikalisierung“ – und das stelle eine Gefahr dar. Man könne höchstens davon sprechen, dass es „Mobilisierungsprobleme“ gebe. Vivianne Dörne: „Die Problematik ist trotz Wegzügen und Haftstrafen immer noch da.“

Weiteres Engagement ist wichtig

Für die AFA 170 ist es eindeutig: „Schwächeln bedeutet nicht Schwäche“. Und wie Kim Schmidt betont: „Wir haben in Dortmund weiterhin eine international stark vernetzte Szene mit rechtsterroristische Strukturen.“ Die Demo hätte eine „weiter bestehende Gefahr“ gezeigt.

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„Die strukturellen Probleme sind aber ein guter Zeitpunkt, sich weiter gegen Rechtsextremismus zu engagieren“, sagt Dörne. Und das hat Dortmund am Samstag getan.