
© Stephan Schütze
Neonazi-Demo: Knapp 500 Rechtsextremisten zogen durch Dortmund
Rechtsextremismus
Rechtsextremisten sind am Samstag über wichtige Straßen durch Dortmund gezogen – begleitet von viel Polizei und lautstarkem Gegenprotest. Auch der U-Turm zeigte eine eindeutige Botschaft.
Wie viele werden es nun? Das war im Vorfeld nicht ganz klar. Klar war aber, dass die wohl größte Neonazi-Demo des Jahres in Dortmund am Samstag (9.10.) stattfinden würde. Im Vorfeld waren 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Demonstration bei der Polizei angemeldet worden.
„Diese Zahl erschien uns von Anfang an als unrealistisch“, wird Polizeipräsident Gregor Lange im Nachgang in einer Mitteilung zitiert. Die Polizei habe sich auf wesentlich mehr Teilnehmer vorbereitet.
Am Ende waren es knapp 500 Rechtsextremisten, die ab dem Nachmittag vom Hauptbahnhof über den Wall und die Rheinische Straße nach Dorstfeld zu ihrem Zielort gezogen sind. Begleitet wurden sie von viel Polizei – inklusive bereitstehendem Wasserwerfer und laut Informationen dieser Redaktion mindestens sechs Hundertschaften – und lautstarkem Gegenprotest.
Teilnehmer werden stichprobenartig durchsucht
Anlass für die erste große Kundgebung dieser Art in Dortmund seit Längerem war der Tod des bekannten Dortmunder Rechtsextremisten Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt am 4. Oktober. Neonazis hatten in den sozialen Medien und in Chatgruppen zu einem „stillen Gedenkmarsch“ aufgerufen.
Schon bevor sich die Teilnehmer dieses „Gedenkmarsches“ ab 14 Uhr an der Katharinentreppe vor dem Hauptbahnhof sammelten, legten einige von ihnen Blumenkränze in Dorstfeld nieder – vor dem Haus, wo Borchardt zuletzt wohnte. Am Hauptbahnhof selbst hatte sich zur gleichen Zeit schon sehr viel Polizei versammelt.
Nach deren Ankunft durchsuchte sie hier stichprobenartig Teilnehmer der Neonazi-Ansammlung in einem Zelt.

Am Hauptbahnhof sammelten sich die Demo-Teilnehmer zunächst - das sorgte für viel Aufsehen. © Stephan Schütze
Dabei stellten Beamte recht zügig ein Paar Quarzhandschuhe und Sturmhaube sicher, ein Strafverfahren werde eingeleitet, heißt es. Da es besondere Gründe brauche, seien nur einzelne Versammlungsteilnehmende durchsucht worden.
Viele Passanten waren von dem Großaufgebot der Polizei irritiert, einige wirkten erschrocken, als sie sich plötzlich zwischen den Neonazis wiederfanden.
Gegen 15.30 Uhr zog der „Trauermarsch“ schließlich Richtung Dorstfeld los. Ursprünglich sollte es schon früher losgehen. Die Verspätung habe laut Polizei unter anderem mit den intensiven Kontrollen zu tun, da einzelne Teilnehmende und Ordner gegen Auflagen verstießen.
Der Aufzug führte über den Königswall, die Rheinischen Straße und den Dorstfelder Hellweg zur Thusneldastraße. Das führte zeitweise auch zu größeren Einschränkungen für den Straßen- und Stadtbahnverkehr. Die Bahnlinien U44 und U43 fuhren etwa ab dem Nachmittag im Westen der Stadt nur sehr eingeschränkt.
„Dagegen müssen wir uns stellen“
Gegenprotest formierte sich zunächst am Rande des Walls. Vor dem Unique-Hotel an der Kreuzung Westentor pfiffen Teilnehmer einer Grünen-Gegendemo den Nazis ihren Protest auf grünen Trillerpfeifen entgegen.
Auf der anderen Straßenseite hatte der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus zur Gegendemonstration aufgerufen unter dem Motto „Gedenkt der Opfer, nicht der Täter“.

Gegenprotest formierte sich unter anderem am Rande des Walls. © Stephan Schütze
Geschätzt knapp 200 Menschen trafen sich am Platz vom Buffalo gegenüber dem U-Turm, um weitgehend still mit Transparenten und Plakaten ihren Protest gegen den Nazi-Aufmarsch zu zeigen.
Denn es ging um das Gedenken an die toten Nazi-Opfer, unterstrich Arbeitskreis-Sprecher Friedrich Stiller in seiner Ansprache. Allein in Dortmund waren es von 2000 bis 2006 fünf Opfer. Fünf Särge erinnerten an Mehmet Kubaşik, Thomas Goretzky, Yvonne Hachtkemper, Thomas (Schmuddel) Schulz und Matthias von Woitowitz.

„Ich der Turm fand Nazis schon damals voll uncool“ – die fliegenden Bilder am U-Turm sendeten eine eindeutige Botschaft, als die Neonazis an ihm vorbei liefen. © Stephan Schütze
Die Würde von Verstorbenen sei zu achten, sagte Stiller. Doch die Nazis nutzten den Tod von Borchardt, „um einen Heldenmythos zu kreieren“. Das sei eine Provokation der demokratischen Stadtgesellschaft. Stiller: „Dagegen müssen wir uns stellen.“
Die Gegendemonstranten stünden „für das wehrhafte, das demokratische, das echte Dortmund“, betonte Oberbürgermeister Thomas Westphal.
Manfred Kossack, Chef der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Demokratie und Toleranz, sah in dem Neonazi-Aufmarsch den Versuch, den geschwächten Rechtsextremisten in Dortmund in der braunen Szene überregional wieder etwas Ansehen zu verschaffen.
U-Turm sendet eindeutige Botschaft
Auf dem Weg nach Dorstfeld stieß dieser Aufmarsch immer wieder auf Gegenprotest. Auch die Fliegenden Bilder am U-Turm zeigten eine eindeutige Botschaft. Durchlaufend war weiße Schrift zu lesen: „Ich der Turm fand Nazis schon damals voll uncool“.
Entlang der Rheinischen Straße blockierte die Polizei immer wieder kleinere Protestgruppen und hielt sie auf Abstand. Etwas näher kamen sich Neonazis und Gegendemonstranten nur dort, wo die Rheinische Straße enger wird. Aber auch hier trafen sie nicht direkt aufeinander.
In Dorstfeld stockte der Aufmarsch kurz, da die Polizei nur immer 100 Menschen durch die enge Emscherstraße lassen wollte. An dem „Neonazi-Haus“ an der Ecke Emscher- / Thusneldastraße angekommen sammelten sich die Rechtsextremisten.

Näher als hier auf der Rheinischen Straße kam der Gegenprotest am Samstag nicht. Die Polizei schirmte beide Gruppen voneinander ab. © Robin Albers
An dem Wohnhaus, an dem gelegentlich schwarz-weiß-rote Fahnen hängen, hingen an diesem Tag schwarze Flaggen. An einer Häuserecke ist eine Gedenkstätte aufgebaut worden, an der nochmals Kränze niedergelegt wurden.
Hier vor Ort fand die Demo ihr Ende, mit Ansprachen mit rechtsextremistischer Propaganda. Um kurz vor 18 Uhr war der offizielle Teil hier beendet.

An der Ecke Emscher- / Thusneldastraße fand die Abschlusskundgebung statt. © Kevin Kindel
Während einige Neonazis noch vor Ort blieben, verstreuten sich die meisten Teilnehmer rasch. Kurz darauf konnte auch der Straßen- und Stadtbahn-Verkehr wieder ungehindert fließen.
Die Polizei bilanziert am Abend „ein nahezu störungsfreies Demonstrationsgeschehen“ – zwei Strafverfahren seien eingeleitet worden.
Baujahr 1993, gebürtig aus Hamm. Nach dem Germanistik- und Geschichtsstudium in Düsseldorf und dem Volontariat bei Lensing Media in der Stadtredaktion Dortmund gelandet. Eine gesunde Portion Neugier und die Begeisterung zum Spiel mit Worten führten zum Journalismus.

Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.

Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).

1990 im Emsland geboren und dort aufgewachsen. Zum Studium nach Dortmund gezogen. Seit 2019 bei den Ruhr Nachrichten. Findet gerade in Zeiten von Fake News intensiv recherchierten Journalismus wichtig. Schreibt am liebsten über Soziales, Politik, Musik, Menschen und ihre Geschichten.

Geboren in Dortmund. Als Journalist gearbeitet in Köln, Hamburg und Brüssel - und jetzt wieder in Dortmund. Immer mit dem Ziel, Zusammenhänge verständlich zu machen, aus der Überzeugung heraus, dass die Welt nicht einfacher wird, wenn man sie einfacher darstellt.
