Ein unscheinbarer Aushang des neuen Betriebsratschefs Moritz Engels hat bei Thyssenkrupp am Standort Dortmund für Aufsehen gesorgt. Am Donnerstag (16.1.) teilte er den 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der Westfalenhütte mit, dass die Betriebsratsvorsitzende Kirstin Zeidler abgewählt wurde und er zum Betriebsratschef gewählt wurde. Zeidler war seit 2019 Betriebsratschefin.
Die Abwahl ist ein ungewöhnlicher Vorgang, besonders in der gewerkschaftlich stark organisierten Stahlindustrie. Betriebsratschef Engels, der das Gremium seit Ende 2024 als Stellvertreter von Zeidler führt, erklärte in einer Mitteilung an die Belegschaft: „In der Vergangenheit hat es innerhalb des Gremiums starke interne Differenzen gegeben, was das Gremium zu diesem schweren Schritt bewogen hat.“
Auf die Gründe geht er in dem Schreiben nicht näher ein: „Aufgrund der Integrität können wir die Gründe nicht weit ausführen. [...] Wir möchten jedoch nicht in die Vergangenheit schauen, sondern mit Stärke in die Zukunft blicken.“ Bei Thyssenkrupp gibt es seit Monaten Unruhe, weil die Stahlsparte hoch verlustreich ist und ein Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen droht. In Dortmund könnten 600 Jobs wegfallen.
Differenzen im Thyssenkrupp-Betriebsrat
Recherchen unserer Redaktion zeigen, dass es offenbar Streit im Gremium gab. Als Hauptgrund heißt es aus Unternehmenskreisen, dass es demnach „Differenzen über die unterschiedlichen Führungsstile“ gegeben haben soll.
Zeidler wurde mit einer großen Mehrheit abgewählt. Der Wechsel hatte sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet. Betriebsratschef Engels organisierte zuletzt bereits Proteste der Belegschaft in Dortmund gegen die Konzernführung.
Bis November war Zeidler in ihrer Führungsrolle tätig. Sie gab unserer Redaktion Ende Oktober ein Interview, in dem sie zur Situation beim Stahlhersteller sagte: „Ich kenne viele Familien, die hier seit Generationen arbeiten. Das belastet mich und macht mir schlaflose Nächte. Viele fragen mich, wie es jetzt weitergeht. Ich habe da auch oft keine Antworten und das ist sehr unbefriedigend.“ Sie warnte vor einem Kahlschlag auf der Westfalenhütte.
Zeidler ist weiterhin Aufsichtsratsmitglied bei der Stahltochter von Thyssenkrupp. Sie ist seit 1988 bei Thyssenkrupp Steel Europe tätig (damals noch Hoesch Stahl AG) und erlebte den Niedergang der Stahlindustrie in Dortmund mit. Sie begleitete diesen seit 2002 als Betriebsrätin und seit Januar 2019 als Chefin des Gremiums.
Kein Kursstreit in Thyssenkrupp-Betriebsrat
Betriebsratschef Moritz Engels erklärt zu den Vorgängen: „Wir haben den Betriebsrat anders aufgestellt.“ Die Differenzen im Gremium hätten laut Unternehmenskreisen eine rein persönliche Ebene in Bezug auf die „unterschiedlichen Führungsstile“. Dafür spricht, dass Zeidler nicht als Betriebsratschefin zurückgetreten ist, sondern von den Betriebsräten abgewählt wurde.

Aus ihrem direkten Umfeld heißt es, sie sei eine Interessensvertreterin, die die Sorgen der Mitarbeiter jeden Tag gespürt habe. Der Druck aus der Konzernführung und die über Jahrzehnte andauernden Kämpfe um die vielen Arbeitsplätze bei Thyssenkrupp sei schädlich für die Menschen, die in solchen Gremien Verantwortung tragen.
Über den Kurs gegen den Thyssenkrupp-Mutterkonzern gibt es hingegen offenbar keine Uneinigkeit: Der neue Betriebsratschef erhofft sich von der neuen Aufstellung, eine transparentere und beteiligungsorientierte Kommunikation, um eine stärkere Mobilisierung für den Kampf um die 1400 Arbeitsplätze am Standort Dortmund zu erzielen. Engels sagte: „Es bleibt bei unseren roten Linien: Wir brauchen Geld für die Transformation, kein Werk darf geschlossen werden und es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 22. Januar 2025.