Thyssenkrupp Steel Aufsichtsratschef Gabriel schmeißt hin Stahlarbeiter in Aufregung

Thyssenkrupp Steel Aufsichtsratschef Gabriel schmeißt hin
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Der Aufsichtsratsvorsitzende von Thyssenkrupp Steel Europe, Sigmar Gabriel, legt sein Mandat fristgerecht nieder. Als Grund dafür nennt er am Donnerstag (29.8.) eine „beispiellose Kampagne, die insbesondere der Vorstandsvorsitzende der Thyssenkrupp AG in den letzten Wochen gegen den Vorstand der thyssenkrupp Steel Europe AG öffentlich in Gang gesetzt und betrieben hat.“

Gabriel kritisiert damit Miguel López, den Chef des Mutterkonzerns der Stahltochter Thyssen-Krupp. López „beschädigt nicht nur die Handlungsfähigkeit des Stahlvorstands“, sagte Gabriel. Er beklagte einen schweren Vertrauensbruch. Am Mittwoch (28.8.) hatte das Handelsblatt über López berichtet, dass der drei Vorständen der Stahltochter, darunter auch Chef Bernhard Osburg, Vertragsaufhebungen vorgelegt habe. Gabriel hat nun bestätigt, dass die Vorstände, das Unternehmen verlassen und sprach von einer „öffentlichen Demütigung“.

Vier Aufsichtsräte treten zurück

Es ist die zweite schwere Nachricht für die 1300 Arbeitnehmer im Werk in Dortmund und insgesamt 27.000 Beschäftigten der Stahltochter. Sie hatten Osburg und damit auch Gabriel zuletzt gegen Thyssen-Krupp Chef Miguel López unterstützt. Neben Gabriel legt auch Aufsichtsrätin Elke Eller ihr Mandat nieder, die sich dem Statement angeschlossen hat. Zwei weitere Aufsichtsräte Wilfried und der stellvertretende Aufsichtsratschef Detlef Wetzel (IG Metall) haben zudem ihr Mandat aus denselben Gründen niedergelegt. Wetzel bleibt noch bis Mitte September im Aufsichtsrats, die IG Metall benennt einen Nachfolger.

Sigmar Gabriel und andere Aufsichtsräte nach der Sitzung.
Sigmar Gabriel und andere Aufsichtsräte nach der Sitzung. © Dennis Pesch

In Duisburg war die Stimmung unter den Stahlarbeitern bereits sehr angespannt. „López raus“, skandierten die Mitarbeiter lautstark als der Aufsichtsrat die Sitzung verließ. Vor dem Gebäude, in dem die Aufsichtsratssitzung stand fand, versammelten sich hunderte Mitarbeiter, um auf die Ergebnisse der Sitzung zu warten. Wetzel sagte zudem, dass Thyssen-Krupp einen nie dagewesen Imageschaden erlitten habe.

Thyssen-Krupp: Streit um Mitgift

Was das für die Stahlstandorte und den Verkaufsprozess der Stahltochter an den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky bedeutet, ist unklar. Denn auf der Aufsichtsratssitzung wurde nicht über finanzielle Fragen gesprochen. Hinter dem Abgang von Gabriel steckt ein seit Wochen andauernder Machtkampf zwischen der Stahltochter und dem Mutterkonzern. López will bei der Abspaltung kein Geld dazugeben.

Hätte Osburg sich durchgesetzt, wäre ein Betrag von rund zwei Milliarden Euro an die Stahltochter fällig geworden. Diese Summe braucht die Stahltochter, um sie in milliardenschweren Pensionskassen und überfällige Investitionen in die Maschinen zu investieren. Die Anteilseigner des Konzerns sehen eine Mitgift allerdings als „Enteignung“ an und sind demnach nur bereit, einen Bruchteil der Summe zu zahlen.

Gabriel geht nun hart mit dem Mutterkonzern ins Gericht: „Offenbar war es das Ziel, den Vorstand zur Aufgabe zu bewegen. Und dies, obwohl der Vorstand der thyssenkrupp steel Europe AG die Interessen des Stahlunternehmens engagiert wahrgenommen und sich gegen, aus seiner Sicht, nicht vertretbare Einflüsse auf seine Arbeit mit Erfolg gewehrt hat.“

Aufsichtsrat gespalten

Der Konzernchef López steht nun selbst enorm stark unter Druck. Er verhandelt im Sinne der Anteilseigner und will die Stahlproduktion von über elf Millionen Tonnen im Jahr auf etwa fünf Millionen Tonnen drücken. Betriebsräte allerdings weisen darauf hin, dass so eine Reduktion nicht möglich ist, weil manche Stahlkochanlagen nicht ausgelastet wären.

Die Stahlarbeiter protestieren vor allem gegen den Vorstand des Mutterkonzerns Thyssen-Krupp AG.
Die Stahlarbeiter protestieren vor allem gegen den Vorstand des Mutterkonzerns Thyssen-Krupp AG. © Dennis Pesch

Stahlchef Osburg wollte eine Reduktion um zwei Millionen Tonnen im Jahr auf 9,5 Millionen Tonnen, was bereits tausende Arbeitsplätze kosten würde. Die Arbeitnehmer die Gewerkschaft IG Metall unterstützten Osburgs Pläne aber, weil sie sie als sozialverträglich und realistisch wahrnehmen. Damit würde die Stahltochter auch wettbewerbsfähig bleiben.

Konzernchef López hingegen gingen die Pläne nicht weit genug. Er will eine deutlich größere Reduktion. Im Streit um die Stahltochter hat auch der Aufsichtsrat deshalb zuletzt beschlossen, von einem Wirtschaftsprüfer die Sanierungsfähigkeit von Thyssenkrupp Steel Europe überprüfen zu lassen.

Stahlarbeiter fürchten um Arbeitsplätze

In der vergangenen Woche protestierten bereits tausende Stahlarbeiter gegen López‘ Pläne. Sie legten spontan die Arbeit nieder, die Produktion stand still. Die Lage im Konzern und bei der Stahltochter ist so angespannt, dass die Situation immer neue Eskalationsspiralen annimmt, wie nun mit der möglichen Entlassung der drei Stahlvorstände.

Die IG Metall fürchtet um 10.000 Arbeitsplätze bei thyssenkrupp Steel, wenn sich López durchsetzt. Währenddessen stützen die Anteilseigner wie die Krupp-Stiftung, die größten Aktionärin der Thyssen-Krupp AG, López Kurs und sprechen bei einer zwei Milliarden Euro schweren Mitgift von „Enteignung“. Auch der Aufsichtsratschef der Muttergesellschaft Siegfried Russwurm stützt López. Russwurm ist gleichzeitig auch Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.

Der Konzernchef hat an der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag nicht persönlich teilgenommen. Er ließ sich per Video zuschalten, weil er Sorge um seine Sicherheit hatte. Aus dem Aufsichtsrat hört man, dass die Angst nicht nachvollziehbar sei. Auch andere Konzernchefs hätten sich in den vielen krisenhaften Situationen der Stahltochter in der Vergangenheit den Arbeitern persönlich gestellt.