Stahlarbeiter in Dortmund und an weiteren Standorten haben am Donnerstagvormittag ihre Arbeit niedergelegt. Die Betriebsräte informieren die Mitarbeiter stattdessen heute an den Standorten über die Situation und ihre Rechte. Die Stahlarbeiter protestieren gegen den Kurs des Konzern-CEO Miguel López.
Interview mit der Betriebsratsvorsitzenden Kirstin Zeidler:
Dieser will die Stahlproduktion stärker reduzieren als Bernhard Osburg, Vorstand der Stahlsparte Thyssenkrupp Steel Europe und die 27.000 Mitarbeiter der Stahltochter. Außerdem will er deutlich weniger Geld investieren als die Stahlsparte fordert. In Dortmund arbeiten 1200 Menschen bei Thyssenkrupp Steel Europe. Sie arbeiten in fünf Schichten. Mehrere Hundert Menschen haben die Arbeit niedergelegt.
Kirstin Zeidler, Betriebsratsvorsitzende am Standort Dortmund sagt: „Es sind 10.000 Arbeitsplätze und mehrere Standorte in Gefahr. Und das lassen wir uns nicht gefallen. Deshalb stehen die Produktionsanlagen heute an mehreren Standorten still und die Belegschaft nimmt ihr Recht auf Information wahr.“
Thyssen-Krupp: Streit um 1,5 Milliarden Euro
Die Gewerkschaft IG Metall warnte am Mittwoch vor einem drastischen Personalabbau. Konkret könnte es um eine Halbierung der Produktionskapazitäten gehen. Derzeit werden jährlich 11,5 Millionen Tonnen Stahl produziert. Im Raum stehen fünf bis sechs Millionen Tonnen statt wie bislang im Business-Plan der Stahlsparte 9,5 Millionen Tonnen. Das könnte bis zu 10.000 Arbeitsplätze betreffen.

Der Gesamtkonzern will die Stahlsparte eigenständig aufstellen. 20 Prozent hatte der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky kürzlich erworben. In einem zweiten Schritt könnte er weitere 30 Prozent mit den 27.000 Mitarbeiterin erwerben, so dass er auf 50 Prozent kommt. Sein Einstieg führt aber dazu, dass der Gewinn- und Beherrschungsvertrag zwischen Thyssen-Krupp und der Tochter zum 30. September endet. Dann muss die Sparte selbst für ihre erheblichen Verluste bezahlen.
Bei dem Streit zwischen López und Osburg geht es um eine Mitgift. Das ist Geld, dass Thyssen-Krupp der Stahltochter gibt, damit sich das Geschäft transformieren kann. López bietet dafür 2,5 Milliarden Euro an, doch im Business-Plan der Stahlsparte, den López mit einem Veto abgelehnt hatte, stehen vier Milliarden Euro. Um die Lücke von 1,5 Milliarden verhandeln die Vorstände nun.
Arbeitsplätze in Dortmund sind in Gefahr
Thyssen-Krupp will die Stahlsparte möglichst teuer verkaufen und möglichst wenig Geld in die Restrukturierung investieren. Doch für die Mitarbeiter an den Standorten wie Dortmund heißt das: Jede Million weniger kostet mehr tariflich bezahlte Arbeitsplätze. Außerdem könnte auch der weitere Teilverkauf an Milliardär Kretinsky in Gefahr geraten. Sollte Thyssen-Krupp Steel zu wenig Geld bekommen, könnte sich der tschechische Milliardär zurückziehen, berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf Konzernkreise.
Der Streit ums Geld und die Restrukturierung spaltet seit Wochen die Konzernspitze und die Stahl-Tochter. Zuletzt hatte Thyssen-Krupp Chef López ein Gutachten in Auftrag gegeben, das bewerten soll, ob die Sparte überhaupt saniert werden kann. Ende des Jahres wird das Ergebnis erwartet. Ende August kommt der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel zusammen, um weiter über die Mitgift zu verhandeln.

Zuletzt gab es bei Verhandlungen keine Einigung darüber, wie viel Geld der Gesamtkonzern dazu geben wird, damit das Stahlgeschäft eigenständig transformiert werden kann. Zwei Milliarden Euro geben Bund und Land dazu, doch die Subventionen reichen nur um einen einzigen Hochofen am Standort Duisburg umzustellen und sind daran gekoppelt, dass der Stahl weiter in Deutschland produziert wird.
Streit um Stahlsparte „versinkt im Chaos“
Am Mittwoch hatte die Belegschaft sich in einem offenen Brief hinter Stahlvorstand Osburg gestellt: „Auch wenn Sie im Hochhaus Ihr Büro ganz oben haben, sind Sie gefühlt einer von uns und sprechen unsere Sprache. […] Wir sind froh, Sie ‚Vorne drin‘ zu haben, um das ‚Spiel‘ gegen den Abstieg zu gewinnen.“ Die Stahlarbeiter versuchen mit dem Brief und den Arbeitsniederlegungen den Druck auf den Konzern zu erhöhen.

Konzernchef López hatte Osburg zuletzt persönlich kritisiert: „Uns als Thyssen-Krupp AG und verantwortlicher Eigentümerin geht es darum, dass der Vorstand von Steel Europe endlich einen langfristig tragfähigen, soliden und finanzierbaren Businessplan für die Neuausrichtung des Stahlbereichs vorlegt“, erklärte Lopez und warf Osburg „Schönfärberei“ vor.
Seit Jahren ringt der Konzern darum, wie er das Stahlgeschäft klimaneutral umstellt. Der Stahl soll in Zukunft mit grünem Wasserstoff produziert werden, doch die Umstellung auf neue Technologien kostet viel Geld. Um diese Summe und die Arbeitsplätze ringen die Konzernspitze Lopez, Stahlchef Osburg, die IG Metall und die 27.000 Mitarbeiter. Das Handelsblatt hatte Anfang August berichtet, dass der weitere Verkaufsprozess und die Verhandlungen über die Mitgift „im Chaos versinken.“