Die Dortmunder Punk-Größe Sir Hannes Smith bei einem Auftritt der Band The Idiots in Dortmund. © Nils Foltynowicz

Legendäre Bands

The Idiots und Sir Hannes: Punk-Pioniere und Motoren für Musik aus Dortmund

Ohne Dortmund, ohne Hannes Schmidt alias Sir Hannes Smith, gäbe es keine Punkmusik aus Deutschland. The Idiots begründeten vor 40 Jahren eine Szene. Das Punk-Gefühl lebt bis heute.

Dortmund

, 18.01.2020 / Lesedauer: 5 min

Eine der ersten deutschsprachigen Punkbands überhaupt kommt aus Dortmund.

The Idiots traten 1978 auf die Bildfläche – als junge Menschen mit gefärbter Irokesen-Frisur und bemalten oder behangenen Lederjacken noch ein echter Affront gegen den gesellschaftlichen Konsens.

Beinahe ein halbes Jahrhundert später sitzt Sir Hannes Schmidt an der Rheinischen Straße in seinem Büro. Hinter ihm hängt seine erste schwarze Lederjacke. Genau die, die 2006 schon im Haus der Geschichte in Bonn hing, als in einer großen Ausstellung um Jugendkultur und Musik in Deutschland ging. Dortmunder Punk-Relikte als Dokumente der Zeitgeschichte.

Punk-Frontmann ist heute auch Geschäftsmann

Der Punk-Frontmann von damals ist heute immer noch Musiker, aber auch ein anerkannter Geschäftsmann. Sir Hannes führt den ältesten Plattenladen Dortmunds, Idiots Records, ein Geschäft mit Schwerpunkt auf harte Musik.

Dieser Inhalt kann hier nicht dargestellt werden. Bitte besuchen Sie unsere Website um den vollständigen Artikel zu lesen.

„Ich habe den Laden als zweites Standbein aufgemacht. Hier muss ich mich nicht anpassen oder verkaufen“, sagt Sir Hannes.

„Ich wusste schon früh: Du willst Musik machen.“ Also macht er Musik. Auch mit Mitte 50 noch. Im November hat er mit The Idiots das FZW gefüllt, ein paar Wochen später am zweiten Weihnachtstag mit der Formation Honigdieb noch einmal. Wo Sir Hannes ist, da ist der Punk – auch, wenn die Musik, die er macht, sehr unterschiedlich klingt.

Man muss seine Lebensgeschichte kennen, um zu verstehen, was ihn antreibt. Schon als kleiner Junge ist er von Musik und Schallplatten fasziniert. Seine erste Single-Sammlung hat er in der dritten Klasse. „Ich war da ein Frühchen.“

Vom Hippie zum Punk: „Als hätte mir jemand etwas in meinen Körper geschüttet“

Sehr früh findet er die Treffpunkte der Hippie-Bewegung, sitzt mit Heftzwecken an der Samtjacke im Sacré Coeur in Husen.

„Ich hatte mein Ohr immer am englischen Radio. Als ich auf BBC zum ersten Mal The Damned oder The Stranglers gehört habe, war das, als hätte mir jemand etwas in meinen Körper geschüttet.“

Er hatte den Punk entdeckt, jene beschleunigte Vereinfachung des 60ies-Rock, die von England aus die Musikwelt in hohem Tempo veränderte. „Punk war aggressiv. Ich hatte das Gefühl, die Hippies labern nur, aber das sind Leute, die sich wehren.“

Am Anfang ist es kreativer, harmloser Protest. Aus den Heftzwecken werden Nadeln in der Wange. 1976 entstehen in Trinklaune erste Songs unter dem Namen „Kellergeister“. Eine der ersten Textzeilen lautet „Kellergeister, Kellergeister, Rüttgers Club, ach was sind wir heute wieder verrückt“ und besingt zwei Billiggetränke.

Ende der 70er-Jahre entsteht in Deutschland eine blühende Punk-Szene

The Idiots spielen 1978 erstmals zusammen. Es ist die Frühphase des deutschen Punkrock. Bereits 1977 hatte sich in Dortmund die Band Clox gegründet. In Berlin, Düsseldorf, Hamburg oder Frankfurt entstehen Bands und Live-Szenen.

Jetzt lesen

Dortmund macht mit. Läden wie das Che Coolala in Dorstfeld oder später auch die Live-Station am Hauptbahnhof bieten der neuen Musikszene eine Bühne. Manchmal grenzüberschreitend, wie bei der Straßenschlacht zwischen Polizei und Punks nach einem Konzert der Band Slime im Che Coolala. Aber meistens friedlich und kreativ.

Jetzt lesen
Ruhr Nachrichten Legenden des Dortmunder Nachtlebens

Das Che Coolala war eine der außergewöhnlichsten Live-Bühnen Dortmunds

Nahe dem Fredenbaumpark entsteht ein Proberaumzentrum, aus dem vieles in den 80er-Jahren entsteht. „Wir haben Dortmund zu einer Stadt gemacht, in der sich im kulturellen Bereich wieder etwas bewegt hat“, sagt Sir Hannes.

Punk wird kommerziell erfolgreich - Sir Hannes entwickelt sich weiter

In den 80er-Jahren kommerzialisiert sich die Punk-Kultur zunehmend. Populäre Bands Die Toten Hosen oder Die Ärzte, aber auch inhaltlich so unterschiedliche Gruppen wie die linksorientierten Feine Sahne Fischfilet oder Böhse Onkelz mit Rechtsrock-Vergangenheit berufen sich musikalisch auf Punk-Wurzeln.

Die destruktive Anti-Haltung, die dem Punk innewohnt, lebt Sir Hannes Schmidt in allen Extremen. Er lebt sie zu extrem.

Er ist in der Hochzeit der Hamburger Hafenstraße dabei, erlebt Straßenschlachten im Hamburger Karolinenviertel, kennt Leute im Rauchhaus in Berlin. Er landet auf der Straße und isst aus Mülltonnen. Er lernt dabei eine wichtige Lektion: „Die Menschen, die ganz unten sind, sind menschlicher als alle anderen.“

Der Alkohol hätte ihn fast zerstört. Doch Hannes schafft den Absprung. Auch, weil er für die Musik leben will. Und plötzlich kann er sogar von ihr leben.

Dieser Inhalt kann hier nicht dargestellt werden. Bitte besuchen Sie unsere Website um den vollständigen Artikel zu lesen.

1986 gründet er die Band Phantoms Of Future. Er wird wieder zum Pionier wider Willen. Denn der Mix aus Rock, New Wave, Elektro, Metal und Punk nimmt vorweg, was einige Jahre später populär werden wird.

Crossover ist damals noch ein neues Wort. Für die Phantoms ist es damals einfach nur ihr Weg, Musik zu machen. Sir Hannes singt als Clown geschminkt in Käfigen. Ein paar Jahre später verdient Marylin Manson damit Millionen.

Phantoms of Future gelten als innovativ und spielen auf großen Festivals

Die Phantoms Of Future produzieren fünf Alben für Sony Records. Die Band steht auf großen Festivals an oberster Stelle, als Rammstein noch ganz weit unten im Line-Up stehen.

Der Ruhm treibt bizarre Blüten. Beim BVB kommt gerade ein gewisser Lars Ricken zu ersten Profi-Ehren. Und prägt mit einer Rock- und Metal-Compilation namens „Lars Rickens Hot Shots“ sein Bild als musikaffiner Jungstar. Auf der Compilation sind auch die Phantoms Of Future.

Dieser Inhalt kann hier nicht dargestellt werden. Bitte besuchen Sie unsere Website um den vollständigen Artikel zu lesen.

So kommt es 1996 zu einer Begegnung von Sir Hannes und Lars Ricken im Tonstudio. Der 19-jährige Bundesliga-Profi besingt mit „Mary Jane“ keine Frau, sondern die weibliche Cannabis-Blüte und spricht in TV-Beiträgen darüber, wie vorbildhaft er den Weg von Hannes findet, der sich aus Obdachlosigkeit und Drogen herausgekämpft hat.

Die Rebellion geht weiter - das Phantoms-Kapital endet Mitte der 90er-Jahre

Das Sony-Kapitel endet Mitte der 90er-Jahre. „Für mich war das nie ein Beruf, sondern immer Rebellion. Wir haben den Vertrag mit Sony gekündigt, als sie uns Auflagen machen wollten.“ So bleibt er weiterhin Herr über sein eigenes musikalisches Schaffen. Heute ist er froh darüber. „Auch wenn ich sonst vielleicht jetzt 10 Millionen hätte.“

The Idiots sind seit 2012 wieder mit derbem Punk aktiv, mit Kompositionen in einer Bandbreite von provokant über aggressiv bis philosophisch und sampeln dabei Donald Trump.

Dazwischen ist Sir Hannes mit Honigdieb und folkig angehauchten Metal-Klängen unterwegs.

Der auf Bandfotos in Leder-Outfit und finsterem Blick oft furchteinflößende Sänger und der Mann, der im Büro des Plattenladens aufgeräumt und freundlich über 40 Jahre Punk-Historie redet, sind zwei unterschiedliche Menschen. „Ich bin gerne optisch provokant. Ich hänge mir Fleischwürste um, bin aber seit über 25 Jahren überzeugter Vegetarier.“

Iggy Pop und der Ritterschlag für den Dortmunder

Er hat sich gegen den erhobenen Zeigefinger und für das Vorleben entschieden. „Ich bin um die Welt gereist, habe barfuß am Strand von Hawaii geheiratet, viele Kulturen kennengelernt. Die Musik hat mir vieles ermöglicht.“

Jetzt lesen

Es gibt eine Anekdote, auf die ist der sonst so bescheidene Sir Hannes spürbar ein wenig stolzer als auf alle anderen.

Mit den Phantoms Of Future spielt er Anfang der 90er-Jahre in der Berliner Columbiahalle als Vorband von Iggy Pop. Der Punk-Altmeister schaut sich an einem Abend entgegen seiner sonstigen Gepflogenheiten den Auftritt der Dortmunder Band an.

Nach dem Konzert sagt er zu Hannes. „Man, you really got the punk inside“. Du hast WIRKLICH den Punk in dir.

Iggy bringt es auf den Punkt.

Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Artikel unseres Premium-Angebots. Bitte registrieren Sie sich kurz kostenfrei, um ihn vollständig lesen zu können.

Jetzt kostenfrei registrieren

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung durch Klick auf den Link in der E-Mail, um weiterlesen zu können.
Prüfen Sie ggf. auch Ihren Spam-Ordner.

E-Mail erneut senden

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Sie sind bereits RN+ Abonnent?
Jetzt einloggen