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Stellen Dortmunder Arztpraxen das Impfen schon wieder ein?
Impf-Priorisierung
Die angekündigte Aufhebung der Impf-Priorisierung ab 7. Juni sorgt für Wirbel. Hausärzte befürchten noch größere Belastung. In der Stadtverwaltung gibt es Zweifel am Termin.
Die Priorisierung bei der Corona-Schutzimpfung soll nach Wunsch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ab dem 7. Juni fallen. Was viele bisher nicht berechtigte Bürger freut, treibt Hausärzten, die jetzt schon im „Impfstress“ sind, die Schweißperlen auf die Stirn.
Diese Woche kamen die Alarmsignale aus mehreren Richtungen. Der Hausärzteverband warnt vor „aggressiver Stimmung“ und dem Gefühl „innerer Kündigung“ bei überlasteten Mitarbeitern. Erste Praxen seien bereits aus dem Impfsystem ausgestiegen.
Die meiste Arbeit bleibt an den Hausarztpraxen hängen
Solche Fälle gibt es in Dortmund noch nicht. Doch der Frust ist auch hier an mehreren Stellen schon formuliert worden. Der Dortmunder Hausärztesprecher Dr. Prosper Rodewyk sagt: „Ich denke, wer jetzt angefangen hat, und weiß wie es geht, der bleibt auch dabei“, sagt Rodewyk.
Das Impfgeschäft wird bisher fast ausschließlich von Internisten betrieben, Facharztpraxen sind mit wenigen Ausnahmen (Gynäkologen, Neurologen) weitgehend außen vor. Allgemeinmediziner machen in Dortmund einen Anteil von 40 Prozent aller niedergelassenen Ärzte aus.
Fachärztliche Beratung ist finanziell lukrativer als das Impfen
„Ich glaube nicht, dass noch viel kommt. Wenn man jetzt in einer Praxis anfängt, ist das ein großer organisatorischer Aufwand und man benötigt zwei bis drei Mitarbeiter, die zuarbeiten. Die hat nicht jeder“, sagt Prosper Rodewyk. Ein weiteres Argument aus seiner Sicht: „An einem Nachmittag mit einer fachärztlichen Sprechstunde lässt sich mehr Geld verdienen als mit dem Impfen.“
Die Vorstände der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) - Dr. Dirk Spelmeyer, Dr. Volker Schrage und Thomas Müller - berichten in einer gemeinsamen Erklärung, dass die niedergelassenen Ärzte zwischen Münster und Gelsenkirchen bereits eine Million Impfdosen verabreicht haben. Dies sei „ein beachtlicher Impf-Marathon“.
Bei Impfstoffknappheit haben Ältere und Vorerkrankte weiter Vorrang
Die Vertragsärzte würden aber immer wieder mit veränderten oder gekürzten Impfstoffbestellungen konfrontiert, auf die sie keinen Einfluss haben. „In der Konsequenz heißt das, dass nicht alle Impfwünsche unmittelbar erfüllt werden können und die Bürger weiterhin geduldig sein müssen“, so Spelmeyer, Schrage und Müller.
Sie weisen darauf hin: Solange nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht, werden die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte aus ethischen Gesichtspunkten auch bei einer allgemeinen Aufhebung der Impf-Priorisierung weiterhin vorrangig die älteren und vorerkrankten Patienten impfen.
Hebt NRW die Priorisierung erst nach dem 7. Juni auf?
Eine weitere zentrale Frage kam nach dem bisher nur medial transportierten Vorschlag von Jens Spahn auf: Wie wahrscheinlich ist es, dass in Nordrhein-Westfalen die Priorisierung wirklich ab schon dem 7. Juni fällt?
Dortmunds Gesundheitsdezernentin Birgit Zoerner äußerte sich dazu am Dienstag (18.5.) in der Pressekonferenz des Verwaltungsvorstands sehr zurückhaltend. „Wir werden uns einstellen, auf das, was kommt, aber es muss verbindlich sein. Uns hat noch nichts erreicht“, sagte Zoerner.
Es sei abzuwarten, ob der Vorschlag in NRW wirklich so umgesetzt werden könne. Denn: Das NRW-Gesundheitsministerium hatte sich Anfang Mai für einen „Sonderweg“ entschieden, die Prio-Gruppe 3 zunächst nur für einen Teil der Berechtigten zu öffnen.
„Wenn man jetzt für alle öffnet, würde man diejenigen aus dieser Gruppe, die noch nicht dabei waren, komplett überspringen“, so Birgit Zoerners Überlegung. Das NRW-Gesundheitsministerium hat angekündigt, den Vorschlag aus Berlin nun sorgfältig zu prüfen.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
