Dr. Sabine Hartmann ist eine von über 2000 Medizinern, die sich gemeldet haben, um im Impfzentrum Dortmund Menschen zu impfen.

© Thomas Thiel

Ärztin aus Dortmund über Impfvordrängler: „Mag es nicht, betuppt zu werden“

rnImpfzentrum Dortmund

Dr. Sabine Hartmann impft jede Woche rund 250 Dortmunder gegen Corona - doch regelmäßig zweifelt die Ärztin im Impfzentrum, ob Impflinge tatsächlich impfberechtigt sind.

Dortmund

, 17.05.2021, 04:32 Uhr / Lesedauer: 2 min

Man kann nur schätzen, wie vielen Dortmunderinnen und Dortmundern Dr. Sabine Hartmann schon den ersten persönlichen Schritt aus der Pandemie ermöglicht hat - es sind aber bestimmt mehrere Tausend. Seit Mitte Februar impft die HNO-Ärztin im Ruhestand Menschen gegen Corona.

Die 66-jährige Brechtenerin ist eine von rund 2000 Medizinern, die sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) freiwillig für die Impfkampagne in Dortmund gemeldet haben. Maximal zweimal pro Woche ist sie eine von 22 Ärztinnen und Ärzten, die täglich in zwei Schichten im Impfzentrum auf Phoenix-West arbeiten.

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Es ist eine Arbeit im Akkord: „120 Impfungen am Tag schaffe ich mittlerweile locker, 150 sind machbar“, erzählt sie. „Man braucht eine gute Schwester, es muss auch ein bisschen Spaß machen, dann klappt das schon.“

Doch regelmäßig sitzen Menschen bei ihr in der Impfkabine, bei denen Hartmann zweifelt, dass sie wirklich schon das Recht auf eine Impfung haben: „Ich entdecke manchmal welche, die haben ein medizinisches Attest vorgelegt, das am Eingang vielleicht nicht gründlich genug gelesen wurde“, sagt sie. „Oder es gibt andere, die kommen mit der Oma, haben aber einen anderen Namen.“

Um die 2400 Menschen werden täglich im Dortmunder Impfzentrum geimpft - jedoch nur, wenn eine Berechtigung vorliegt.

Um die 2400 Menschen werden täglich im Dortmunder Impfzentrum geimpft - jedoch nur, wenn eine Berechtigung vorliegt. © Thomas Thiel


Es ist vielleicht eine Handvoll pro Woche, die ihr auf diese Weise auffällt, berichtet Hartmann. Nicht viele, aber doch Alltag: „Da hat man schonmal den Gedanken, das ist bestimmt ein Vordrängler gewesen.“

Impfvordrängler sind aktuell ein heikles Thema. Solange sich noch nicht jeder gegen Corona impfen lassen darf, der das möchte, leidet die Gesellschaft an latentem Impfneid: Hat dieser oder jene die Impfung schon verdient? Oder hat er oder sie getrickst?

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Belastbare Zahlen aus dem Dortmunder Impfzentrum zu Impfvordränglern gibt es nicht. Darüber führe man keine Statistik, so Anke Widow, Pressesprecherin der Stadt Dortmund, die das Impfzentrum zusammen mit der KVWL betreibt.

Zwar komme es immer wieder vor, dass sich Menschen für einen Termin anmelden, obwohl sie laut Prioritätenliste noch nicht dran seien, aber das seien längst nicht alles wissentliche Impfvordränger, betont Widow. Dazu sei die Rechtslage zu komplex und ändere sich zu oft. „Um eine nennenswerte Größenordnung der Fälle handelt es sich nicht“, schließt Widow.

Eine Impfkabine im Impfzentrum Dortmund, der umfunktionierten „Warsteiner Music Hall“ auf Phoenix-West: Hier arbeitet Sabine Hartmann zweimal die Woche.

Eine Impfkabine im Impfzentrum Dortmund, der umfunktionierten „Warsteiner Music Hall“ auf Phoenix-West: Hier arbeitet Sabine Hartmann zweimal die Woche. © Stephan Schütze


Für die Stadt Dortmund sind Impfvordrängler kein Problem. Eine Umfrage des ARD-Magazins „Report Mainz“ unter den großen deutschen Impfzentren hat jedoch jüngst gezeigt, dass es in anderen Städten durchaus nennenswerte Zahlen gibt.

In Saarbrücken zum Beispiel werden nach Angaben der Sendung bis zu 140 Vordrängler in der Woche erwischt, in München sind es bis zu 350. Das Hamburger Impfzentrum meldete zuletzt sogar 2000 Vordrängler in einer Woche.

Bei den Verdachtsfällen, die der Dortmunder Impfärztin Sabine Hartmann bisher auffielen, hielt sie nach eigener Aussage immer Rücksprache mit dem diensthabenden leitenden Arzt des Impfzentrums. „Meistens haben wir uns dann entschieden, doch zu impfen. Aber wir wollen das zumindest aufdecken. Ich mag es nicht, wenn ich betuppt werde.“

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Im Umgang mit Impfvordränglern schlagen „zwei Herzen in meiner Brust“, gibt Hartmann zu: „Einerseits bin ich der Meinung, dass jeder geimpft werden muss und wir jetzt ganz schnell in die Breite kommen müssen, damit Mutanten sich nicht weiterentwickeln.“ Andererseits sei sie aber auch dafür, die Priorisierung aufrechtzuerhalten, „weil wir diejenigen, die den Schutz am meisten brauchen, auch am meisten schützen müssen“.

Aus beiden Gründen wird Hartmann weiter im Impfzentrum arbeiten: „Was sollte ich Besseres tun? Reisen geht nicht, groß Feiern auch nicht. Wir brauchen jeden Arzt und jede Schwester, um da zügig durchzukommen.“


In eigener Sache: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass die Ärzte im Impfzentrum ehrenamtlich arbeiten. Tatsächlich haben sie sich bei der KVWL freiwillig gemeldet, werden aber für ihre Dienste bezahlt. Wir haben das entsprechend im Text korrigiert. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

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