In Dortmunds Partnerstadt Rostow am Don leben 106 Ethnien, hier die Georgier beim Stadtfest. In der Dortmunder Politik gibt es unterschiedliche Auffassungen dazu, wie man jetzt mit dieser Städtepartnerschaft umgehen sollte. © Gaby Kolle (A)

Rostow am Don

Steht Dortmunds Freundschaft zur russischen Partnerstadt auf der Kippe?

Nach den russischen Angriffen auf die Ukraine hat sich die Dortmunder Politik zur Zukunft der Städtepartnerschaft mit der russischen Stadt Rostow am Don geäußert. Die Reaktionen sind unterschiedlich.

Dortmund

, 24.02.2022 / Lesedauer: 5 min

Die russischen Angriffe auf die Ukraine haben in Teilen der Dortmunder Politik die Haltung zur Städtepartnerschaft mit der südrussischen Stadt Rostow am Don verändert. Seit fast 45 Jahren sind sich Dortmund und Rostow in Freundschaft verbunden und in lebhaftem Austausch – kulturell, sportlich und mit vielen privaten Kontakten.

Diese Verbundenheit hielt auch in krisenhaften Zeiten wie 2014, als Russland die Krim annektierte. Doch für die Fraktion FDP/Bürgerliste im Dortmunder Rat sollte sich das mit dem Angriff auf die Ukraine ändern.

Jetzt lesen
Ruhr Nachrichten Städtepartnerschaft mit Dortmund

Russland-Ukraine-Konflikt: Viele Telefonate zwischen Dortmund und Rostow

„Es ist Krieg in Europa, und Dortmund kann nicht so tun, als gehe uns das nichts an“, erklärt Michael Kauch, Fraktionsvorsitzender von FDP/Bürgerliste; denn konkret sei nicht bekannt, dass die Stadtverwaltung von Rostow am Don sich politisch von der Kriegspolitik Putins abhebe.

Kauch: „Freies Schussfeld für Putin“

Im Gegenteil – Rostow am Don pflege Städtepartnerschaften mit den seit Jahren von pro-russischen Milizen beherrschten ukrainischen Städten Donezk und Luhansk, so Kauch. Rostows Aufnahme von Zivilisten aus den besetzten ukrainischen Gebieten habe Putin freies Schussfeld gegeben.

Die Fraktion FDP/Bürgerliste fordere daher, dass sich die Stadt Dortmund den Sanktionen der Bundesregierung und der EU anschließe und erwarte ein scharfes Protestschreiben des Oberbürgermeisters. Bis auf Weiteres dürfe es zudem keine offiziellen Kontakte der Stadtspitze und der Arbeitsebene der Stadtverwaltung mit Rostow geben.

Jede Zusammenarbeit der Städte in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Technologie müsse ausgeschlossen werden. Dortmund dürfe die Sanktionen von Bund und EU nicht hintertreiben. Kauch: „Auch in Rostow am Don muss klar werden, dass die rote Linie überschritten ist.“

Das sieht OB Thomas Westphal ganz anders. In einer Videobotschaft erklärte er, der Krieg sei mit nichts zu rechtfertigen. „Unsere Gedanken sind bei den Menschen, deren Leid ins Unermessliche gesteigert wird.“ Es müsse allen klar sein: „Krieg ist keine Lösung.“ Es gebe nur eine Lösung, wenn alle an den Verhandlungstisch zurückkehrten und nach einer Lösung suchten.

OB Westphal: Kommunikation offen halten

Deshalb sei es in diesen Tagen wichtig, alle Formen und Wege der Kommunikation miteinander offenzuhalten und nicht zu schließen. „Das gilt dann auch für unsere Freundschaft und Städtepartnerschaft mit Rostow am Don.“ Auch wenn die Freundschaft jetzt schwer belastet sei, wolle Dortmund die Kommunikation nicht ein- und abbrechen lassen, betonte Westphal.

Mit seiner Meinung steht der Oberbürgermeister nicht allein. Auch die anderen Ratsfraktionen wollen den Kontakt zur Partnerstadt nicht abreißen lassen. Die Solidarität der SPD-Fraktion gehört den Menschen in der Ukraine. „Der Angriff Russlands darf nicht folgenlos bleiben“, sagt Fraktionsvorsitzende Carla Neumann-Lieven. Dennoch sei es wichtig, „dass Gesprächskanäle offen bleiben und wir auf kommunaler Ebene unsere Städtepartnerschaften nutzen, um zur Deeskalation und Entspannung beizutragen.“

Ein Bild aus weniger konfliktbeladenen Zeiten: Beim Fest zum 40-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft im Jahr 2017 haben der damalige OB Ullrich Sierau und Zinaida Nejarokhina, Vorsitzende der Duma in Rostow, einen Kooperationsvertrag für die nächsten 10 Jahre bis zum 50. Bestehen der Städtepartnerschaft unterzeichnet. © Foto Gaby Kolle

Das sei 1977 auch der Grund für die Aufnahme der Städtepartnerschaft mit Rostow am Don gewesen. Neumann-Lieven: „Bürgerschaftliches Engagement auf kommunaler Ebene ist für Annäherung und Entspannung wichtig und kann dazu führen, dass wir aus dieser Krise auch wieder herauskommen.“

Grüne: „Kein Instrument in der Konfliktspirale“

„Eine Städtepartnerschaft ist für uns kein Instrument in der Konfliktspirale“, halten die Fraktionssprecher der Grünen, Ulrich Langhorst und Ingrid Reuter, der Forderung von FPD/Bürgerliste entgegen. „Aus unserer Sicht kommt es insbesondere in Krisensituationen darauf an, den Kontakt zu den Menschen in diesen Städten nicht abreißen zu lassen. Deshalb sollte man gerade in diesen Zeiten vielmehr schauen, wie man die seit vielen Jahren bestehende Partnerschaft mit Rostow am Don für einen friedensorientierten Dialog nutzen kann. Ein Signal, jetzt diese Tür zu schließen, wäre das falsche.“

Jetzt lesen

Auch die CDU-Fraktion würde nicht die Kündigung der Städtepartnerschaft aussprechen, sagt Fraktionschef Dr. Jendrik Suck, doch der russische Angriff auf die Ukraine sei „eine Zäsur“ und „eine Belastung für diese Städtepartnerschaft.“

Der Blick der CDU auf die künftige Ausgestaltung des Miteinanders sei differenzierter, so Suck. Auch wenn in Rostow selbst niemand den Angriff auf die Ukraine beschlossen habe, sei das ein einmaliger Vorgang, der Folgen haben müsse. „Man kann nicht sagen, man macht einfach so weiter.“ Schließlich sei es Putin gewesen, der die diplomatischen Bemühungen ausgeschlagen habe. Suck: „Das bedroht ja vielleicht auch unsere Sicherheit.“

CDU: Einladung zum Stadtfestival ist die erste Nagelprobe

Die erste Nagelprobe der Städtepartnerschaft mit Rostow sieht Suck beim Dortmunder Stadtfestival „Dortbunt“ im Sommer, zu dem immer alle Partnerstädte eingeladen würden. „Die Stadt wird sich überlegen müssen, ob sie die Russen einlädt. Das ist eine schwierige Abwägung.“

Jetzt lesen

Für die Fraktion Die Linke+ wäre ein Abbruch der Beziehungen „eine völlig falsche Reaktion“, stellt Fraktionschef Utz Kowalewski fest: „Städtepartnerschaften haben den Sinn, gerade in angespannten Situationen eine Gesprächsebene offenzuhalten und sind Projekte der Völkerverständigung. Sie unterliegen nicht der Tagespolitik, sondern sind auf Jahrzehnte hinweg angelegt.

Die Linke+: Weiter auf Völkerverständigung setzen

Die Forderung der FDP sei blanker Populismus, der der Funktion von Städtepartnerschaften nicht gerecht werde, so Kowalewski. Dortmund habe in den 90er-Jahren auch die Städtepartnerschaft mit Novi Sad aufrechterhalten, als deutsche Kampfflugzeuge serbische Städte bombardierten. „Dortmund soll weiter auf Völkerverständigung setzen und seine Städtepartnerschaften nicht von der jeweiligen außenpolitischen Situation abhängig machen.“

Der Blick von „Die Fraktion“ der Satirepartei Die Partei auf die Städtepartnerschaft mit Rostow ist kritischer. „Der russische Krieg in der Ukraine bringt nichts als Leid und Zerstörung“, sagt Fraktionschef Olaf Schlösser. Darauf könne es als Kommune nur eine Antwort geben: „Die Städtepartnerschaft mit Rostow am Don auf Eis zu legen, ist obligatorisch und sicher ein wichtiges Zeichen an die russische Regierung. Insofern unterstützen wir als Die Fraktion den Vorschlag der FDP.“

Die Fraktion: Dortmund sollte als Vorbild vorangehen

Es sei aber ebenso wichtig, so Schlösser, „dass wir uns bereit erklären, die Geflüchteten aus der Ukraine aufzunehmen. Dass wir Räume, Material und Personal organisieren, um schnell helfen zu können. Die Stadt Dortmund sollte hier als Vorbild vorangehen und umgehend entsprechende Maßnahmen ergreifen.“

Die AfD-Fraktion ist dagegen, die Kontakte nach Rostow abzubrechen. Fraktionschef Heiner Garbe: „Dies ist keine Partnerschaft Dortmunds mit der Putin-Regierung, sondern mit Rostow und den dort lebenden Bürgern. Partner sollten auch in schlechten Zeiten zueinander stehen. Die Rostower werden uns das nach Ende der Krise danken.“

Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Artikel unseres Premium-Angebots. Bitte registrieren Sie sich kurz kostenfrei, um ihn vollständig lesen zu können.

Jetzt kostenfrei registrieren

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung durch Klick auf den Link in der E-Mail, um weiterlesen zu können.
Prüfen Sie ggf. auch Ihren Spam-Ordner.

E-Mail erneut senden

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Sie sind bereits RN+ Abonnent?
Jetzt einloggen