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Ukrainer in Dortmund: „Erstmal mussten die Emotionen raus“
Krieg in der Ukraine
In der Nacht hat Russland einen militärischen Angriff auf die Ukraine begonnen. Ein Ukrainer in Dortmund ist erschüttert - und berichtet, was er aus seinem Heimatland erfährt.
In der Nacht zu Donnerstag (23.2.) hat das russische Militär auf Anordnung von Präsident Wladimir Putin mit Raketenangriffen und einer Bodenoffensive auf die Ukraine begonnen. Dem waren Wochen steigender Spannung und ein andauernder Stellvertreterkrieg im Osten des Landes seit der Besetzung der Krim im Jahr 2014 vorausgegangen. Ein Ukrainer in Dortmund zeigt sich schockiert.
„Meine Eltern waren sehr erschüttert“
„Wir haben uns schon lange darauf vorbereitet und sind trotzdem erschüttert“, sagt Iaroslav Orban (32). Er ist in der Ukraine geboren und lebt und arbeitet seit 2016 in Dortmund. Seine Familie lebt im Westen der Ukraine.
„Als ich aufgestanden bin, hatte ich schon viele Nachrichten von deutschen Bekannten“, erzählt er. Auch seine Chefin habe angeboten, ihn und seine Familie zu unterstützen. Andere Bekannte aus Deutschland hätten ebenfalls ihr Mitgefühl geäußert.
Später habe er auch mit seiner Familie telefonieren können. „Diese Nachricht war sehr überwältigend für alle, erstmal mussten die ersten Emotionen raus. Meine Eltern waren sehr erschüttert und versuchen ihre Kräfte zu sammeln und das zu tun, was in ihren Händen ist, um die Situation zu verbessern und zu überleben.“
Bester Freund will in den Krieg ziehen
Ein Teil der Zivilbevölkerung werde sichere Unterkünfte suchen oder die großen Städte verlassen und sich in ländlichere Regionen begeben, wo mit weniger Kämpfen zu rechnen ist, glaubt Iaroslav Orban.

Iaroslav Orban (32) wurde in der Ukraine geboren und lebt seit 2016 in Dortmund. Er arbeitet als Zahnarzt in Wambel. © privat
Am Mittwoch habe er noch mit seinem besten Freund telefoniert, erzählt Iaroslav Orban. Dieser wohne im ukrainischen Lwiw, wo sich ein großer ukrainischer Militärstützpunkt befindet. Aus der Stadt wurden auch russische Angriffe gemeldet.
„Er hat an Kursen teilgenommen, in denen man lernt, wie man sein Leben und seine Stadt verteidigt, wie man eine Waffe hält und eine Granate wirft.“ Wahrscheinlich werde er nun seine Familie in Sicherheit bringen und dann versuchen, bei der Verteidigung der Ukraine zu helfen.
Hoffnung auf Widerstand im Land
„Viele meiner Freunde in der Ukraine glauben, dass die ukrainische Armee in den vergangenen acht Jahren deutlich stärker geworden ist. Die Menschen sind motivierter.“ Iaroslav Orban hofft, dass die russische Armee nur langsam in die Ukraine vorstoßen kann. „Und dass wir guten Widerstand bieten werden.“ Auch der ukrainische Präsident hatte angekündigt, jedem, der das Land verteidigen wolle, eine Waffe zur Verfügung zu stellen.
We will give weapons to anyone who wants to defend the country. Be ready to support Ukraine in the squares of our cities.
— Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) February 24, 2022
Wenn sich die Ukrainer nicht selbst vor „dem Feind“ verteidigen, so Iaroslav Orban, würden sie von anderen Ländern nie respektiert werden. Nach dem Wort „Feind“ sucht er einen Moment und schiebt nach: „Feind - das Wort habe ich lange nicht benutzt.“
Putin habe Sanktionen wohl einkalkuliert
Wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland gehen Iaroslav Orban nicht weit genug. „Das macht Putin wahrscheinlich nicht viel aus, wenn er eine solche großflächige militärische Attacke vornimmt. Da muss schon klare Kante gezeigt werden, wenn Menschenleben gerettet werden sollen.“
In Dortmund und der Region vernetzen sich Ukrainer, um zu demonstrieren und humanitäre Hilfe zu organisieren. Beispielsweise Lebensmittel oder Geld in die Ukraine zu schicken. Doch Letzteres könnte schwierig werden, da unklar sei, wie lange das Bankensystem noch funktioniert. Auch Iaroslav Orban will sich an dieser Hilfe beteiligen: „Ich würde Hilfe vielleicht auch direkt zur Grenze der Ukraine fahren.“
Geboren in Dortmund. Als Journalist gearbeitet in Köln, Hamburg und Brüssel - und jetzt wieder in Dortmund. Immer mit dem Ziel, Zusammenhänge verständlich zu machen, aus der Überzeugung heraus, dass die Welt nicht einfacher wird, wenn man sie einfacher darstellt.
