
© Henter (A)
Russland-Ukraine-Konflikt: Viele Telefonate zwischen Dortmund und Rostow
Städtepartnerschaft mit Dortmund
Die deutsch-russischen Beziehungen sind angesichts des Ukraine-Konflikts auf einem Tiefpunkt. Doch Dortmund hält an der Freundschaft mit seiner Partnerstadt Rostow am Don fest.
Klaus Henter (83), Ehrenvorsitzender des Dortmunder Schwimmvereins SV Derne, sitzt in diesen Tagen viel vor dem Fernseher und verfolgt gebannt die Nachrichten zum Russland-Ukraine Konflikt. Dabei ist er in Sorge um die vielen Freunde, die er in der südrussischen Stadt Rostow am Don, der Partnerstadt von Dortmund, in fast 40 Jahren gewonnen hat.
Das Gebiet um das politische, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum Südrusslands ist zurzeit Schauplatz russischer Gefechtsübungen in der Nähe zur Grenze der Ukraine und nimmt Evakuierte aus dem Donbass auf.
„Ich habe noch heute Morgen mit meinem sehr guten Freund Mikhail Rebro telefoniert“, berichtet Klaus Henter am Dienstag (22.2.). Mikhail Rebro ist bei der Stadt Rostow zuständig für die Städtepartnerschaft mit Dortmund. „Wir haben nicht direkt über Politik gesprochen – er war am Diensttelefon –, doch er hat gesagt, es gehe ihm gut. Wir brauchten uns keine Sorgen zu machen, um ihn und seine Familie. Das würden sie alles überstehen“, erzählt Klaus Henter, der bei seinen zahlreichen Besuchen auch schon im jetzigen Aufmarschgebiet war.
Partnerschaft darf nicht einschlafen
Die Drähte zwischen Dortmund und Rostow werden in diesen Tagen besonders bemüht. Auch Klaus Wegener, Präsident der Auslandsgesellschaft, hat am Abend zuvor mit Mikhail Rebro telefoniert. Rebro vertrete eine offizielle Linie durch Putins Brille, sagt Wegener, doch Rebro appelliere auch dringend an die Dortmunder, die Kontakte und die über lange Zeit gewachsene Partnerschaft nicht einschlafen zu lassen.
Moskau und Rostow, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe, wenn es um die Städtepartnerschaft mit Dortmund geht. „Die Kontakte zu Rostow wurden geknüpft, als der Kalte Krieg auf dem Höhepunkt war“, erinnert sich Dieter Dieckerhoff, der als Mitarbeiter des Dortmunder Oberbürgermeisterbüros einer der Pioniere der Städtepartnerschaft war, die in diesem Sommer ihr 45-jähriges Bestehen feiert.
Die Millionen-Stadt am Don ist 1200 Kilometer von Moskau entfernt, aber nur etwa 50 Kilometer vom Donbass. Sie sei für Russland eine seit eh und je strategisch wichtige Stadt und mit einem Militärflughafen traditionell Ausgangspunkt für militärische Übungen, sagt Dieckerhoff. „Dort sind viele Soldaten stationiert.“
Die Freundschaft wird gelebt
Schon 2017 sorgte die politische Großwetterlage immer wieder für eine spannungsgeladene Atmosphäre zwischen Deutschland und Russland. Doch bei den Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Rostow und Dortmund war davon nichts zu spüren. Eine 16-köpfige Delegation unter der Leitung des damaligen Oberbürgermeisters Ullrich Sierau besuchte im September 2017 Rostow und war bei der Enthüllung eines Graffiti-Denkmals der Freundschaft dabei – einem gemeinsamen Projekt von Jugendlichen und der Jugendämter von Dortmund und Rostow.
Druschba – das russische Wort für Freundschaft, wird zwischen den Dortmundern und den Rostowern gelebt. Mit keiner anderen der insgesamt neun Partnerstädte gibt es so enge Beziehungen wie zu Rostow, angefangen vom Aufbau der dortigen Kinderkrebsstation über die Lebensmittelhilfe und Luftbrücke im Hungerwinter 1990/91, als die Sowjetunion zusammenbrach, bis zur Unterstützung für die Fußball-WM 2018, bei der Rostow einer von elf Austragungsorten war.
Auf der Arbeitsebene stehe die Stadt Dortmund in regelmäßigem Kontakt zu ihrer russischen Partnerstadt, teilt Stadtsprecher Michael Meinders auf Anfrage mit. Das gelte auch für problembehaftete Zeiten. Die Stadt Rostow habe erst kürzlich von einer zunehmenden Zahl von Flüchtlingen berichtet. Meinders: „OB Thomas Westphal wird zudem mit der Stadtspitze in Rostow am Don Kontakt aufnehmen und sie in diesen Tagen anschreiben.“
Mit dem Bulli nach Rostow
Die Auslandsgesellschaft in Dortmund hat eine deutsch-russische Akademie im Haus und jedes Jahr eine Sommerschule mit Studenten aus Pjatigorsk veranstaltet. „Von russischer Seite wurde das für dieses Jahr abgesagt, offiziell weil das Geld fehlt“, berichtet Präsident Wegener, „doch ohne das beim Namen zu nennen, war das erkennbar eine Folge der aktuellen politischen Situation.“
Mit Rostow soll das nicht passieren. Auch Wegener hält das Festhalten an den Kontakten dorthin und den Austausch für wichtig. Klaus Henter sagt ebenfalls: „Wir wollen unsere Freundschaft nicht kaputt machen, die unter den Schwimmern seit 1984 besteht.“

Zum 40-jährigen Bestehen der Städtefreundschaft zwischen Dortmund und Rostow im Jahr 2017 fuhr eine 16-köpfige Delegation in die russische Partnerstadt. Einer der Höhepunkte der Feierlichkeiten war die Enthüllung des „Graffiti der Freundschaft“, das von Jugendlichen aus Rostow und Dortmund gestaltet worden war. © Pascal Ledune (A)
Für den Sportbund Dortmund ist Henter mit anderen Dortmundern bis 1995 mehrfach mit VW-Bussen nach Rostow gefahren und hat Spielzeug dorthin gebracht, das Dortmunder gesammelt haben.
Letzter Austausch vor zwei Jahren
Den letzten Austausch unter den Schwimmern gab es vor zwei Jahren. Damals waren 20 junge Schwimmer aus Dortmund privat bei Familien in Rostow untergebracht. Vor drei Jahren waren die Rostower in Dortmund. Alle, die in den letzten Jahrzehnten nach Dortmund gekommen seien, kenne er sehr gut, sagt Henter, auch Kinder und Enkelkinder. „Das ist eine herzliche Freundschaft.“
Die erfährt Henter auch jedes Jahr aufs Neue, wenn er im November Geburtstag hat: „Dann klingelt das Telefon aus Rostow öfter als aus Dortmund.“
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
