Stadt gedenkt der Opfer beider Weltkriege AfD holt Björn Höcke zu Parallelveranstaltung nach Dortmund

Stadt gedenkt der Opfer beider Weltkriege: Parallelveranstaltung von AfD
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Am Volkstrauertag (19.11.) hat die Stadt Dortmund der Opfer von Gewalt, Terror und Vertreibung gedacht. Nach einer zentralen Gedenkveranstaltung in der Trauerhalle des Hauptfriedhofs unternahmen die Teilnehmenden einen Friedensmarsch zum Friedhof am Rennweg. Dort legte Bürgermeister Norbert Schilff mit Schülerinnen und Schülern der Europaschule am Mahnmal für die sowjetischen Kriegstoten sowie am Ehrenmal Kränze nieder.

Aber auch Rechte und Rechtsextreme in Dortmund haben versucht, den Volkstrauertag in ihrem Sinne für sich zu nutzen. Mit Björn Höcke kam der Chef der AfD in Thüringen und das wohl umstrittenste Mitglied der Partei zu einer Gedenkveranstaltung der AfD an der Hohensyburg. Auf Fotos, die von AfD-Mitgliedern in sozialen Netzwerken geteilt worden sind, ist neben Höcke auch Daniel Haselhoff, Landesvorstand der Thüringer AfD zu sehen. Der Verfassungsschutz stuft die AfD in Thüringen als gesichert rechtsextrem ein.

Aber warum war Höcke ausgerechnet in Dortmund? Auch für Prof. Dr. Dierk Borstel, Extremismusexperte an der FH Dortmund, ist das eine interessante Frage. Es sei gut vorstellbar, dass er hier nach Allianzen suche, sagt der Politikwissenschaftler. „Höcke hat den Westen Deutschlands nie aufgeben. Er streckt die Fühler aus, um sein Netzwerk auszubauen. NRW ist nicht uninteressant für die AfD“, sagt Borstel. Er mache im Grunde klassische politische Netzwerkarbeit und suche so nach Verbündeten und Vertrauten. „Da ist es bemerkenswert, dass dabei offensichtliche auch Matthias Helferich eine Rolle zukommt“, sagt Borstel.

Anschlusspunkte nach Dortmund

AfD-Landesvorstand Haselhoff bedankte sich in einem Beitrag auf der Plattform X (vormals Twitter) explizit beim Dortmunder AfD-Mitglied Matthias Helferich, der für die AfD im Rat der Stadt sitzt und fraktionsloses Mitglied im Bundestag ist. „Aus meiner Sicht gibt es bei allem, was wir über Helferich wissen, durchaus ideologische Anschlusspunkte zwischen ihm und Höcke.“

Björn Höcke denke in längeren politischen Strategien, in Generationen. Wie in seinem Buch zu lesen sei, träume er von einer nationalen Revolution, sagt Borstel. „Er träumt von einer Erhebung.“ Diese Revolution solle mit einer Rückgewinnung im ländlichen Raum beginnen und sich dann ausweiten.

„Er geht davon aus, dass es dabei auch viele Opfer im deutschen Volk geben werde. Damit meint er Menschen, die – in der Sprache der AfD – durch eine alliierte, demokratische Umerziehung so weit vom völkischen Kern entfernt seien, dass sie gegen eine nationale Revolution aufbegehren würden.“ In Höckes Buch sei herauszulesen, dass er damit auch Migrantinnen und Migranten meine, aber eben nicht nur. „Von Dortmund würde dann nicht viel übrigbleiben.“

Ausweitung von Netzwerken

Borstel geht davon aus, dass es bei dem Besuch in Dortmund vordergründig um die Ausweitung des Netzwerkes und der Besprechung von Strategien ginge. Eine Kranzniederlegung am Volkstrauertag ließe man sich dann aber nicht entgehen. „Der Volkstrauertag wird schon seit 1945 von Rechtsextremen in Deutschland umgedeutet“, sagt der Extremismusforscher. Am Volkstrauertag soll eigentlich den Opfern von Gewalt, Krieg und Vertreibung aller Nationen gedacht werden.

„Rechtsextreme stellen das deutsche Leid primär in den Fokus. Es findet eine Nationalisierung des Gedenkens statt, indem etwa den deutschen Soldaten und den Opfern von Bombenangriffen in Dresden und Dortmund gedacht wird, aber das Leid von französischen, britischen und russischen Soldaten ausgeblendet wird“, sagt Borstel.

„An solchen Tagen rückt das eigene, das deutsche Volk, in den Mittelpunkt, mit all seiner Vergangenheit und seiner Zukunft, die wir bauen wollen“, schrieb etwa Daniel Haselhoff auf X und teilte dazu Bilder von der Veranstaltung an der Hohensyburg, die laut Haselhoff vom AfD-Bezirksverband Arnsberg organisiert worden war.

Umdeutung der Geschichte

Höcke habe schon vor einigen Jahren eine 180-Grad-Wende in der Gedenkpolitik gefordert, sagt Borstel. Auch Alexander Gauland, der Ehrenvorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, habe mit seiner Aussage, dass Nazis und Hitler nur ein „Vogelschiss“ in 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte seien, eine Umdeutung der deutschen Geschichte gefordert.

Auch Mitglieder der rechtsextremen Partei „Heimat Dortmund“ haben den Volkstrauertag für ihre Inszenierung genutzt. In ihrer Telegram-Gruppe teilen sie Bilder, wie sie am Ehrenmal auf dem Hauptfriedhof Kränze niederlegten und schrieben von einer „Befreiung des Ehrenmals“. Die Stadt hatte ihr Gedenken in diesem Jahr hauptsächlich in einem anderen Teil des Hauptfriedhofs abgehalten und nicht wie üblich am Ehrenmal.

Die zentrale Gedenkveranstaltung hatte erstmals als geschlossene Veranstaltung in der großen Trauerhalle stattgefunden. Wie die Stadt mitteilte, haben man sich zu dieser anmelden müssen. Anschließend seien an Mahn- und Ehrenmal die Kränze niedergelegt worden. „Der Hintergrund ist, dass Personen mit rechter Gesinnung ausgeschlossen werden sollten“, sagte Stadtsprecherin Katrin Pinetzki. „Das Feld überlassen wurde den Rechten daher nicht. Es lässt sich offenbar leider kaum verhindern, dass der Gedenktag von den Rechten instrumentalisiert wird.“

Das sieht auch Dierk Borstel so. „Die Bilder gibt es eigentlich bei jedem Volkstrauertag“, sagt der Extremismusexperte. „Rechtsextreme schaffen damit Bilder, die wehtun“, sagt Borstel. Diese zu verhindern, sei aber nicht nur Aufgabe der Stadt, sondern auch die der Zivilbevölkerung.

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