Oberbürgermeister Thomas Westphal hat sich am Freitag (26.5.) mit dem bekannten Dortmunder Neonazi Steven Feldmann zusammen auf dem Westenhellweg fotografieren lassen. Das wirft Fragen auf. Wie bekannt ist Feldmann wirklich? Wo ist sein Platz in der Neonazi-Szene? Und hätte der OB ihn nicht erkennen müssen?
Die Redaktion hat dazu Prof. Dr. Dierk Borstel befragt, Politikwissenschaftler und Extremismusforscher an der Fachhochschule Dortmund.
Dazu diese Information vorab: Das Foto kursierte zunächst auf dem Telegram-Kanal der Dortmunder Rechtsextremisten und auf Feldmanns Instagram-Kanal. Dann twitterte es die Antifa, und schließlich reagierte die Stadt Dortmund mit einer Stellungnahme – zunächst ebenfalls auf Twitter, dann als Presse-Statement. Das Foto zog also innerhalb kurzer Zeit deutliche Kreise.
Abteilung „Shit happens“
Im Statement der Stadt heißt es, Westphal sei zwischen zwei Terminen in der Dortmunder City unterwegs gewesen. Er werde täglich von vielen Menschen angesprochen und dabei komme man häufig ins Gespräch. „Oft gibt es dabei auch Wünsche für ein gemeinsames Foto mit dem Dortmunder Oberbürgermeister.“ Diese Bürgernähe wolle sich Westphal niemals nehmen lassen, „auch wenn manche es für sich ausnutzen“.
Die Tatsache, dass das Steven Feldmann offensichtlich gelungen ist, bucht Extremismus-Experte Dierk Borstel unter der „Abteilung ,Shit happens‘“ ab. „Der Oberbürgermeister muss nicht sämtliche Gesichter kennen.“

Die Dortmunder Rechtsextremen pflegten „eine lange Tradition, mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Aufmerksamkeit zu erwecken“. Ein immer wieder verfolgter Weg zu diesem Ziel sei der Versuch, an Politiker heranzukommen. Zudem versuche ein Teil der rechtsextremen Szene seit Jahren, die Stadtspitzen zu provozieren.
In der Szene fest verankert
Feldmann gehört laut Borstel bei der Dortmunder Nazi-Szene zum „inneren Kern, der auch Gewaltaffinität hat. Er ist da fest verankert.“ Der mehrfach vorbestrafte Neonazi habe eine bekannte Akte.
Zuletzt wurde Feldmann Ende März unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Weil er laut Staatsanwaltschaft in Revision gegangen ist, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Deshalb ist Feldmann aktuell auf freiem Fuß.
Auch für die Dortmunder Polizei gehört der 28-Jährige zu den „Führungspersonen“ der Dortmunder Nazi-Szene. Deren Sogwirkung habe aufgrund des polizeilichen Drucks zuletzt deutlich nachgelassen. Die Zahl der rechten Aufmärsche nehme stetig ab, die Splitterpartei „Die Rechte“ wurde zum Ortsverband der einst konkurrierenden NPD.
Versuch, eine Lücke zu füllen
Nachdem frühere Partei-Kader der Rechten weggezogen seien, beziehungsweise sich zurückgezogen hätten oder im Knast säßen, versuche Feldmann gerade, eine Lücke zu füllen, so Borstel. Doch er sei kein strategischer Vordenker.
Der Neonazi tummelt sich seit einigen Monaten als Influencer auf der Social-Media-Plattform TikTok und gastiert bei anderen Influencern, zum Beispiel aus der Rapper-, Migranten- und YouTuber-Szene. Ein Kader-Kollege von Feldmann schwärmt von ihm als „Social-Media-Neonazi zum Anfassen“.
Möglicherweise ist das Bestandteil einer neuen Strategie, die die Dortmunder Neonazi-Szene austestet. Diese Vermutung hat die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus engagiert.
In Dortmund und in Bochum gingen Neonazis gemeinsam mit rechtsextremen Migranten auf die Straße, um politische Feinde anzugreifen, und versuchten, gemeinsam mit migrantischen Rechtsextremen ein junges gewaltaffines Publikum anzusprechen. „Und da passt es gut in die Strategie, dass Steven Feldmann derzeit wie ein Wanderpokal durch YouTube-Formate gereicht wird“, so die Stiftung auf ihrem Portal „Belltower“ über Feldmann.
Abgehängtes Milieu
Die Gemeinsamkeit von organisierten deutschen und jungen migrantischen Rechtsextremen beschränke sich auf das abgehängte Milieu, dem sie angehörten, und die Affinität zur Gewalt, sagt dazu Dierk Borstel: „Das hat die Stadt nicht im Blick.“ Beide Gruppen kämen aus hochprekären Verhältnissen, verbreiteten Angst und präsentierten sich übertrieben männlich. „Da ist es irgendwann egal, ob türkisch oder deutsch rechtsextrem.“
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