„Die Stadt Dortmund bleibt verpflichtet, Räumlichkeiten der Westfalenhalle für die Durchführung der am 27. März 2023 geplanten Veranstaltung ‚Vortrag Daniele Ganser – Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?‘ zur Verfügung zu stellen.“
So hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am Mittwoch (22.3.) entschieden, wie am Tag danach mitgeteilt wurde. Die Stadt Dortmund hatte dem umstrittenen Publizisten Daniele Ganser die Überlassung der Halle im Wesentlichen mit der Begründung verweigert, frühere Äußerungen des Vortragenden seien als antisemitisch einzustufen.
Das sagt die Stadt zum Urteil
Zur Begründung heißt es: „Bei der Westfalenhalle handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung.“ Es gebe einen Gleichbehandlungsanspruch, der die Entscheidungsfreiheit der Kommune, in welchem Umfang sie Zugang zu ihrer Einrichtung gewährt, begrenze.
Die Stadtverwaltung reagiert am Donnerstagmittag auf die Entscheidung mit diesen Worten: „Die Stadt Dortmund hätte sich eine andere Entscheidung gewünscht. Selbstverständlich kommen wir dem Beschluss des OVG von heute nach.“
Am Mittwoch kommentiert auch Daniele Ganser auf seinen Social-Media-Kanälen die Entscheidung. „Der Cancel Culture wurde ein Riegel geschoben. Das freut mich sehr! Was mir leid tut: Nicht der Bürgermeister, sondern die Bürgerinnen und Bürger von Dortmund müssen über ihre Steuern alle Gerichtskosten tragen“, schreibt er.
„Veranstaltungen aller Art“
Das OVG kommt wie zuvor bereits das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zu der Auffassung, dass sich die streitige Veranstaltung „im Rahmen des Widmungszwecks“ bewege.
Die Westfalenhalle sei von der Stadt „für Veranstaltungen aller Art“ gewidmet worden.
„Es bestehen auch sonst keine sachlichen Gründe für die Versagung der Hallennutzung, etwa wegen zu erwartender Rechtsverstöße bei der konkreten Veranstaltung“, heißt es vom Gericht. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Gefahr strafbarer Äußerungen des Vortragenden bestehe.
Ratsmehrheit gegen Auftritt
Die Befürworter einer Absage hatten dabei auch mit der „Grundsatzerklärung des Netzwerks zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund“ vom 18.1.2019 argumentiert, dem sich eine Ratsmehrheit angeschlossen hatte.
Gericht zur Meinungsfreiheit
In der Urteilsbegründung zitiert das OVG daraus den Passus, „dass Organisationen, Vereinen und Personen, die etwa den Holocaust leugnen oder relativieren, die Existenz Israels als jüdischen Staat delegitimieren, zu antijüdischen oder antiisraelischen Boykotten aufrufen, diese unterstützen oder entsprechende Propaganda verbreiten (...) oder die anderweitig antisemitisch agieren, keine Räumlichkeiten oder Flächen zur Verfügung gestellt werden“.
Dies ist aus Sicht des OVG „in dieser Allgemeinheit“ nicht ausreichend, um das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. „In die Meinungsfreiheit darf grundsätzlich nur durch ein allgemeines Gesetz eingegriffen werden.“
Netzwerk gegen Antisemitismus
Das Netzwerk Adira, das sich in Dortmund gegen Antisemitismus einsetzt, bekräftigt in einer Reaktion auf das Urteil auf Twitter die Kritik an Ganser „aufgrund seiner Nähe zu antisemitischen Verschwörungserzählungen“.
In einer Stellungnahme von Februar hatte Adira unter anderem geschrieben: „Auch wenn er selbst nie mit offenen antisemitischen Aussagen in Erscheinung getreten ist, unterstützt und verbreitet er Theorien, die eine Nähe zu antisemitischen Verschwörungserzählungen aufweisen und bei Personen, die hierfür empfänglich sind, auf fruchtbaren Boden fallen.“
Ganser war bereits im November 2021 in der Westfalenhalle aufgetreten.
„Für alle sehr deutlich wurde durch diese beiden richterlichen Beschlüsse ein Angriff auf wichtige Eckpfeiler des deutschen Grundgesetzes erfolgreich abgewehrt. Jeder Versuch der willkürlichen Einflussnahme durch Politiker auf die im Grundgesetz verbriefte Rede- und Meinungsfreiheit muss klar benannt und entschlossen unterbunden werden“, sagt Gansers Sprecher Dirk Wächter.
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